Jung, rastlos und deutschsprachig
Vom 4. Oktober bis 6. Oktober fand in Prag unter dem Motto “Jung, rastlos und deutschsprachig” das erste Vernetzungstreffen des Jugendforums Jukon statt, bei dem sich deutschsprachige Jugendliche aus Tschechien und der Slowakei vernetzten, sich untereinander über ihre Erfahrungen in der Projektarbeit austauschten und gemeinsam an neuen Projekten arbeiteten.
Farbige Zettel hängen im ganzen Raum verteilt, auf ihnen steht jeweils ein Wort: Zivilcourage, Partizipation, Fairness, Gleichheit, Respekt, Empathie, Demokratie, Gerechtigkeit. Unter diesen Worten versammelten sich am Wochenende Jugendliche aus Tschechien und der Slowakei in einem Prager Café. Sie alle verbindet zivilgesellschaftliches Engagement und die deutsche Sprache – als Angehörige der deutschen Minderheiten oder auch als Interessierte an Deutschland und der deutschen Sprache. Veranstaltet wurde das Vernetzungstreffen von der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik, Jukon (“Jugend- und Kulturorganisation der deutschen Minderheit”) und dem Multikulturellen Zentrum Prag. In diesem Jahr fand das Treffen in Anlehnung an eine tschechische Fernsehserie unter dem Titel “Mladí/Neklidní/Německy mluvící” statt, also “jung, rastlos und deutschsprachig”.
Insgesamt 17 Jugendliche sind aus verschiedenen Städten und Regionen Tschechiens sowie aus der Slowakei zu dem Treffen gekommen, um sich zu vernetzen, sich untereinander über bisherige Projektarbeit und Ideen auszutauschen und auch, um gemeinsam neue Projekte zu entwickeln. Zunächst begrüßte Martin Dzingel, Präsident der Landesversammlung, die Teilnehmenden per Videobotschaft. Anschließend gaben Zuzka Schreiberová, Direktorin des Multikulturellen Zentrums, und Jonas Richter, ifa-Kulturmanager der Landesversammlung, die das diesjährige Treffen gemeinsam organisiert haben, den Teilnehmenden eine Einführung in “Active Citizenship”. Sie erklärten, warum es wichtig ist, sich zivilgesellschaftlich zu engagieren und wie man das eigentlich anstellen kann.
Auf deutsch-jüdischen Spuren durch Prag
Einen besonderen Programmpunkt stellte ein von Zuzka Schreiberová geführter Stadtspaziergang durch das deutsch-jüdische Prag dar, bei dem sich die Gruppe auf die Spuren der multikulturellen Geschichte Prags begab. Daran anschließend stießen der Influencer Karel Paták und die Social-Media-Managerin Adéla Jurečková dazu und berichteten über ihre Erfahrungen mit zivilgesellschaftlichem Aktivismus und regten unter den Teilnehmenden eine anregende Diskussion darüber an, wie man Populismus und Xenophobie begegnen kann und welche Rolle die sozialen Medien dabei spielen.
Zu Gast war auch der Organisator der tschechischen Version der Klima-Protestbewegung “Fridays for Future”, Petr Doubravský. Am nächsten Tag standen Projektmanagement und die Entwicklung eigener Projekte im Vordergrund. Dafür gab Zuzka Schreiberová den Teilnehmenden acht nützliche Tipps für ein erfolgreiches Projektmanagement. Unter anderem gehöre dazu immer auch sehr viel Marketing. Inspiriert von diesen Tipps bildeten sich zwei Gruppen, in denen konkrete Projekte konzipiert wurden, wie eine multinationale Jugendbegegnung oder ein Jugendprojekt zur Stärkung der europäischen Identität.
Impulse für neue Projekte
Für die Teilnehmenden war das Vernetzungstreffen eine gern angenommene Gelegenheit, sich auszutauschen und neue Impulse für eigene Projekte zu erhalten. “Die meisten Projekte, die wir organisieren möchten, sind für Jugendliche, daher ist das Treffen für mich so wichtig. Die Jugend ist unsere Zukunft und ich finde es wichtig, sich mit dieser Thematik zu beschäftigen und den Jugendlichen einen Raum zu geben, wo sie sich mit Themen auseinandersetzen können, die uns alle betreffen”, resümierte die aus Mähren stammende 29-jährige Teilnehmerin Tina.
Zustande gekommen sei das Vernetzungstreffen von Jukon in Kooperation mit dem Multikulturellen Zentrum eigentlich zufällig, berichtet Zuzka Schreiberová, Mitorganisatorin des Treffens. Im letzten Jahr nahm sie an einem Treffen der deutschen Minderheiten aus Polen und Tschechien teil, um dort die Stadtspaziergänge vorzustellen, die das Multikulturelle Zentrum anbietet. Auf diesem Treffen lernte sie Martin Dzingel und ifa-Kulturmanager Jonas Richter von der Landesversammlung kennen. Schnell war die Idee geboren, einen solchen Stadtspaziergang auch für die deutsche Minderheit anzubieten und dies mit einem Treffen von Jukon zu verbinden.
Sich für andere Minderheiten öffnen
Schreiberová sei lange gar nicht bewusst gewesen, dass es eine gut organisierte deutsche Minderheit in Tschechien gibt, doch sie erkannte schnell Parallelen zur jüdischen Gemeinde in Prag, der sie selbst angehört. Die beiden Minderheiten stünden vor ähnlichen Herausforderungen, vor allem auch, was ihre Zukunft und die Jugendarbeit angeht. “Als Minderheit hat man eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man verschließt sich und stirbt irgendwann aus, oder man öffnet sich – für die Jugend aber auch für andere Minderheiten”. In den Jugendlichen liegt also die Hoffnung für die zukünftige Entwicklung und den Erhalt der deutschen Minderheit sowie der deutschen Sprache und Kultur in Tschechien.
Für die Jugendlichen war es ein intensives Wochenende, von dem sie viele neue Ideen und Kontakte mit nach Hause nehmen, die sie in ihrer Arbeit in Vereinen und zivilgesellschaftlichen Projekten effektiv einsetzen können. Auf jeden Fall möchten die Jugendlichen weiter an gemeinsamen Projekten arbeiten, in Kontakt bleiben und sich im nächsten Jahr, voraussichtlich im Frühjahr, wiedersehen. Dann soll es sogar zwei Treffen des Jugendforums geben.
Landesecho/Manuel Rommel
(Text & Fotos)