Mehr kommunizieren im KDV
Resonanz spielt sich im zwischenmenschlichen Raum ab. Wie aber kann jeder seinen schöpferischen, öffnenden und befreienden Weg finden und der Resonanztaubheit die Stirn bieten?
Im Januar-Heft des Karpatenblattes erfahren wir im Jugendblatt im Beitrag „KDJ auf ein Wort: Hubert aus Rosenberg“: Hubert, Student der Medizin, findet im Karpatendeutschen Verein „tolle Freunde“, er will in diesem Jahr noch „aktiver generationsübergreifend“ in Pressburg tätig sein. Von der älteren Generation kann er viel lernen, sie hilft ihm besonders die „Geschichte der Karpatendeutschen“ und ihre Identität zu verstehen.
Hubert wünscht sich für den KDV: „Mehr kommunizieren, kommunizieren und nochmals kommunizieren. Das bedeutet für mich: zuhören und sich um mehr Verständnis bemühen“. Diese Aufgaben liegen auch mir am Herzen. Ich lese sie mit Hochachtung und freue mich. Eine gewaltige und interessante Aufgabe steht vor uns.
Als Karpatendeutscher mit bald 86 Jahren versuchte ich seit meiner Emeritierung (1997) im Rahmen meiner Möglichkeiten auf der Spur dieser Gedanken tätig zu sein: Ältere Karpatendeutsche können für die jüngere Generation wie ein Spiegel oder Reflektor wirken, ihnen auf diese Weise das Lernen ohne Überreden, Besserwissen oder gar Druck ermöglichen. Mit dieser einladenden Haltung trauen wir den jungen Menschen die Lösung der oben genannten Aufgaben zu. Im Folgenden versuche ich unter dem Gesichtspunkt der Resonanz einige Gedanken für Jung und Alt anzufügen.
Wie ein Spiegel wirken
Keiner kann Resonanz für sich allein haben, denn sie spielt sich im unverfügbaren zwischenmenschlichem Raum ab, dem sich der viel diskutierte deutsche Soziologe und Politikwissenschaftler Hartmut Rosa zuwendet.
Er sieht in dem Begriff Resonanz eine Möglichkeit zu dem Innenleben des Anderen zu finden, mit ihm ein In-Beziehung-Treten zu pflegen durch wechselseitiges Berührtwerden ein gelingendes Leben zu gestalten. Gelingt dies nicht, dann beginnt eine Entfremdung.
Rosa veranschaulicht die Resonanzphänomene mit dem Bild zweier Stimmgabeln, die sich wechselseitig in Schwingung versetzen. Schlägt man eine Stimmgabel an und hält man eine zweite auf den Körper, dann schwingen beide bei positiven Bedingungen, eben auch die nichtangeschlagene Stimmgabel. Dies ermöglicht den Resonanzboden zwischen mir und dir, zwischen Alt und Jung zu verbessern. Diese Atmosphäre des Wohlwollens und der gegenseitigen Akzeptanz kann niemals einseitig sein, denn Resonanz ereignet sich zwischen Ich-und-Du.
Der „Resonanztaubheit“ die Stirn bieten
Unser Zeitalter ist geprägt davon die Welt kontrollierbar, beherrschbar und verfügbar zu machen. Die Welt soll ökonomisch, technisch, wissenschaftlich, rechtlich und politisch berechenbar und steuerbar gemacht werden. Dieser Prozess kann nur gelingen, wenn er beschleunigt wird, wenn er also wächst und sich optimiert. Hier ist ein Verhalten des Menschen gefordert, das von äußeren Dingen bestimmt wird und den zwischenmenschlich mitschwingenden Raum (Resonanzraum) verkümmern lässt. Und der Mensch wird „resonanztaub“, weil die Dinge und Zusammenhänge, über die er verfügt, ihn beherrschen und bestimmen. Dadurch verliert er die zwischenmenschlich mitschwingende Qualität oder Resonanzqualität.
Diese leere, graue und farblose Welt ist dann eine elementare Grundangst des Menschen: Die planbare, optimier- und berechenbare Beziehung zu Menschen und Welt erzeuge eben Angst vor dem Fremden, kann zur Kontaktlosigkeit und Entfremdung führen. Aber eine mitschwingende Beziehung zur Welt wird erst durch das Einlassen auf Fremdes, auf Nicht-Planbares, Unvorhersehbares und Unverfügbares möglich, das den Menschen berührt und wandelt.
Unter dem Gesichtspunkt der drohenden Resonanztaubheit scheint beim Lernen das Verfügen über die Welt durch berechenbare Fakten möglich zu sein. So werden zum Beispiel im Internet die Daten abgerufen, die nur die scheinbaren Kompetenzen stärken. Es wird das gelernt, über das verfügt werden kann. Und der junge Mensch bleibt abhängig von dem Verfügbaren. Das Berührtwerden in der Beziehung, wo einer dem Anderen begegnet, wo Ich-und-Du einander vertrauen, bleibt auf der Strecke. Hier bleiben wir abhängig von äußeren Gegebenheiten (Fakten, Daten, Zahlen) und der veranlagte schöpferische Lernprozess droht zu verkümmern oder ist bereits verkümmert.
Was lernen wir daraus
Wir erfahren als Karpatendeutsche – trotz allem was geschehen ist und geschieht – das Leben dann als sinnvoll und lebenswert, wenn wir uns mit anderen Menschen, mit der Welt und den Inhalten (Geschichte und Vorhaben) in der Tiefe unseres Herzens verbunden fühlen und in diesem Resonanzraum handeln und uns zu neuen Ufern bewegen: Jung und Alt „kommunizieren, kommunizieren und kommunizieren“, lernen im zwischenmenschlich mitschwingenden Raum miteinander und voneinander und bieten so der drohenden oder bereits eingetretenen Resonanztaubheit die Stirn. Ist das ein schwerer Weg?
Jeder, der sich für diesen Resonanzraum öffnet, kann darauf hoffen, seine kleine Welt zum Guten zu wandeln. Und das ist in der Tat eine schwere Arbeit und mit dem langsamen Bohren harter Bretter zu vergleichen. In dieser Hoffnung existiert das Unerreichbare, das als Realvision verstanden werden kann und als eine über den Menschen hinausreichende Kraft wirkt. Wer möchte sich da nicht auf den Weg der Hoffnung machen?
Prof. Dr. Ferdinand Klein