Adventabend mit deutscher Poesie und Prosa – aber etwas anders
Die Frauen vom „Literaturkränzchen“ in Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom haben das Programm für den „Adventabend mit deutscher Poesie und Prosa“ zusammen bei einem feierlichen Treffen vorbereitet. Wir haben uns gefreut und gedacht, dass wir uns 2021 noch einmal in unserer Küche treffen können – aber leider konnte es nicht so sein. Es war wieder anders.
Das Programm und die Texte für unseren literarischen Adventabend haben sich die Frauen am Fenster unseres Hauses abgeholt, damit sie sie zu Hause lesen und so die besinnliche Vorweihnachtszeit genießen konnten. Es ging dabei um den Advent – die Zeit des Wartens. Wir warten auf die Geburt eines Kindes im Stall – auf die Ankunft Jesu Christi. Es ist die Zeit der Sehnsucht, die uns einander näher bringt, es ist die Zeit der Sehnsucht nach dem Licht, das die ungemütlichen dunklen Tage im Dezember ein wenig wärmer und schöner macht. In dieser Zeit kann jeder ein wenig Besinnung halten über sein eigenes Leben, über seinen eigenen Lebensweg, über das, was ihm Licht und Wärme gibt. Wir hatten für unser alternatives Literaturkränzchen ein Gedicht von Matthias Claudius (1740-1815) ausgesucht, das dies sehr gut ausdrückt:
Immer ein Lichtlein mehr
Immer ein Lichtlein mehr
Im Kranz, den wir gewunden,
Dass er leuchtet uns so sehr
Durch die dunklen Stunden.
Zwei und drei dann vier!
Rund um den Kranz, welch ein Schimmer.
Und so leuchten auch wir,
Und so leuchtet das Zimmer.
Und so leuchtet die Welt
Langsam der Weihnacht‘ entgegen,
Und der in Händen sie hält,
Weiß um den Segen!
Gleich danach konnten die Frauen das Gedicht „Die heilige Nacht“ von Eduard Mörike (1804-1875) lesen: „Gesegnet sei die heilige Nacht, die uns das Licht der Welt gebracht!“ Die Corona-Zeit macht uns noch immer zu schaffen. Wir müssen hoffen! Friedrich Hölderlin (1770-1843) drückte es einst so aus: „Was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus der Kohle springt und verlischt, und wie man bei trüber Jahreszeit einen Windstoß hört, der einen Augenblick saust und dann verhallt, so wäre es mit uns?“
Gedankenspiele über die Gelassenheit
Die österreichische Publizistin und Schriftstellerin Dr. Ilse Helbich und ihre Werke sind uns von unseren Treffen mit Literatur gut bekannt. Geboren ist sie 1923 in Wien, sie promovierte in Germanistik und lebt im Kamptal. Erst 1989 begann sie Prosa zu schreiben. Ihr erster Roman „Schwalbenschrift“ erschien 2003 und den bekamen wir direkt aus dem Verlag. Mit ihrer Prosa „Das Haus“ landete sie 2009 einen überraschenden Erfolg. Dieses Buch hat uns die Autorin geschickt. „Zwei Geschichten vom Glück“ (2018) hat uns die Autorin mit der Widmung „Danke für Ihre Lese-Treue“ geschickt.
Im Jahre 2018 wurde Dr. Ilse Helbich der Würdigungspreis für Literatur des Landes Niederösterreich verliehen. Diesmal haben wir das Buch „Gedankenspiele über die Gelassenheit“ (2021) thematisiert, wo uns die Autorin aus ihrem großen Erfahrungsschatz erzählt. Auf Seite 40 heißt es: „Manchmal meine ich auch, meine Gelassenheit sei nur eine Montur oder eine Rüstung, die ich mir übergestreift habe, damit sie mir Halt und Schutz gewährt. Was darunter ist, ist noch immer das angstvoll Suchende, Ungewisse, von dessen Existenz ich weiß, dass ich jedoch nicht zu Wort kommen lassen will.“
Ein gern gelesener Gast
Der Heimatdichter Adalbert Mehly ist ganz oft „Gast“ bei unseren Treffen mit deutscher Poesie und Prosa und durfte auch dieses Mal nicht fehlen. Geboren ist er 1891 in Wagendrüssel und 1970 in Leutschau gestorben. Adalbert Mehly war wie sein Vater ein erfolgreicher Lehrer. Nach Einsiedel an der Göllnitz kam er 1912, wo er später der 8-klassigen deutschen Volksschule als Direktor vorstand. Er schrieb Gedichte in unserer Mundart Mantakisch und in Hochdeutsch. Seine Gedichte und Artikel konnte man in der Zeitschrift „Der Gründler“ lesen. Diesmal haben wir das Buch „Bergstädte der Unterzips“ (Stuttgart, 1983) in die Hände genommen und viel Interessantes über unser Einsiedel erfahren. Auf der Seite 209 kann man lesen, dass am 11. Oktober 1789 der damalige Pfarrer Johann Reis die evangelische Kirche A.B. weihte. Im Jahre 1901 wurde ein Glockenturm an das im Barockstil erbaute evangelische Gotteshaus angeschlossen. Von den drei Glocken wurden 1917 zwei beschlagnahmt. Kanonen waren wichtiger. Doch sieben Jahre später begrüßten am Bahnhof Pfarrer Matthias Danielis, die Ratsherren und viele Einsiedler zwei neue Glocken – auch mit diesem Gedicht:
„Die Glocken“
Seid gegrüßt, ihr lieben Glocken,
begrüßet durch der Kinder Schar,
nun werden eure Zungen tönen,
so liebevoll im stillen Tal.
Begleitet treu mit dem Geläute,
uns alle auf dem Lebenspfad,
ermahnet, lobet, stärket, tröstet
uns von der Wiege bis zum Grab!
Gott grüße euch, aus Turmeshöhe
schalt weit und mächtig, eurer Klang!
Hebt eure Herzen dankend, lobend
hinauf zum wahren Vaterland!
(Geschrieben von Adalbert Mehly)
Unseren literarischen Weihnachtsgruß haben wir mit dem Gedicht „Zum neuen Jahr“ von Adalbert Mehly abgeschlossen.
Zum neuen Jahr
Mit Leid und Freud eilt fort die Zeit
hin in die stille Ewigkeit.
Wie es auch war, zur Väter Schar,
ging hin das alte Jahr.
Du neues sei uns nun gegrüßt!
Noch wissen wir nicht wer du bist.
Bist Feind? Bringst Elend. Not und Tod?
Bist Freund? Bringst helles Morgenrot?
Doch magst du bringen, was du willst,
wie kurz bei uns zu Gast nur ist´s….
auf Flügeln wirst du weiter tragen,
Glück, Freude, Kummer, Sorge, Plagen.
Doch eins nur eins, das lass‘ uns stehen,
wenn deine Tage brausend gehen.
Nur Christi Kreuz nicht nimm‘ uns fort,
dies sei auch weiter unser Hort.
Denn magst du uns auch alles nehmen,
das Kreuz es lehrt uns hoffen, beten,
es lehrt uns tragen, dulden, schweigen,
uns still vor Gottes Willen beugen.
So warten wir getrost ergeben!
Wirst du uns geben? Wirst du nehmen?
Doch fällt gleich Leben, Lust und Glück,
durch Christi Kreuz bleibt uns der Sieg!
Mit diesem Neujahrsgedicht haben wir den 130. Geburtstag unseres Heimatdichters geehrt.
Ilse Stupák