Agricola und Paracelsus: Wegbereiter der Bergbaumedizin

Jahrhundertelang beeinträchtigten harte Lebensbedingungen, schlechte Hygiene, Armut, unzureichende Ernährung und übermäßiger Alkoholkonsum die Gesundheit der Bergarbeiter in unseren Regionen. Doch mit dem Beginn der Bergbaumedizin entwickelten Ärzte neue Maßnahmen, um die Arbeit der Bergleute erträglicher zu machen.

Neben der Volksmedizin hat sich in Ungarn vor allem im 16. Jahrhundert die Wundheilung entwickelt. Die ersten Wundheiler in unserem Gebiet, oft auch Chirurgen genannt, waren Deutsche, die wegen ihres blutigen Handwerks anfangs kein gesellschaftliches Ansehen hatten. Doch sie begannen, Zünfte zu gründen und bildeten einen festen Bestandteil des niederen medizinischen Personals.

Ihre Ausbildung beruhte hauptsächlich auf praktischer Erfahrung und nur in geringem Maße auf theoretischem Grundwissen. Doch dank der Entwicklung der Chirurgie und wiederkehrenden Epidemien suchte die breite Bevölkerung zunehmend ihre Hilfe auf. Ihre chirurgischen Eingriffe waren dabei eindeutig invasiv – sie verwendeten Skalpelle, Stechinstrumente, Amputationssägen und Ähnliches.

Gleichzeitig wurden die Voraussetzungen für die Entstehung der Bergbaumedizin als spezieller Zweig der Berufsmedizin geschaffen, denn die Erkrankungen der Bergleute zogen zunehmend die Aufmerksamkeit einiger berühmter Ärzte auf sich.

Agricola

Einer der bekanntesten war Georg Bauer, besser bekannt unter seinem lateinischen Namen Georgius Agricola (1494-1555). Er zählt zu den Ersten, die sich eingehend mit den Arbeitsbedingungen der Bergleute beschäftigten. Die Erkenntnisse seiner Forschung wurden posthum im Sammelwerk „De re metallica libri XII“ von 1556 veröffentlicht. Obwohl Agricola das mittelslowakische Bergbaugebiet nie persönlich besucht hatte, war er mit den dortigen Verhältnissen bestens vertraut. Sein Informant war wahrscheinlich der Humanist Hans Dernschwam (1494-1568).

Im sechsten Buch beschrieb Agricola Krankheiten, die bei den Bergleuten an der Tagesordnung waren. Entscheidend für ihn waren jedoch wirksame Vorbeugungsmaßnahmen, um den Krankheiten zu entgegnen. Agricola schlug vor, Bergleute sollten hohe Stiefel, lange Handschuhe und Säcke als Masken tragen, um sich vor schlechter Luft und Lungenkrankheiten zu schützen.

Georgius Agricola, Gemälde von Gustav Schubert (1927)

Paracelsus

Auch ein anderer berühmter Arzt aus der Schweiz, Theophrastus Philippus Bombastus von Hohenheim, bekannt als Paracelsus (1493-1541), widmete den Krankheiten der Berg- und Hüttenarbeiter besondere Aufmerksamkeit und gilt als Begründer der Bergbaumedizin. Bevor er nach Neusohl kam, wurde er 1526 zum Stadtarzt und Professor der Medizin in Basel ernannt, was mit Vorlesungen an der dortigen medizinischen Fakultät verbunden war. Diese hielt er in deutscher Sprache und im alchemistischen Lederschurz.

Er behauptete, dass es sinnlos sei, das Wissen von Hippokrates und Galen blind anzuwenden, da das Geheimnis jeder Krankheit nur durch eigene Erfahrung und Intuition entdeckt werden könne. All dies zog sich wie ein roter Faden durch seine ärztliche Tätigkeit und sollte bald auch in unseren deutsch besiedelten Gebieten Ungarns Schule machen.

In seiner Abhandlung „Von der Bergsucht“ beschrieb er ausführlich die Behandlung der Krankheiten der Bergleute. Dabei verband er Krankheiten mit den Eigenschaften von Mineralien und Metallen und setzte diese Erkenntnisse zusammen mit Opiumtinkturen zur Behandlung ein. Er betonte die Bedeutung der klinischen Beobachtung und legte den Grundstein für die chemische Biologie und Pathologie.

Louvre-Kopie des verlorenen Paracelsus-Porträts von Quentin Massys von 1650

Bergsucht

Sein Hauptaugenmerk galt den Lungenkrankheiten, vor allem der sogenannten Bergsucht, deren Erforschung bis ins 19. Jahrhundert andauerte. Paracelsus sah hier eine Parallele zur Lungensucht, die der Volksmund „Schwindsucht“ nannte und die uns heute als Tuberkulose bekannt ist. Agricola empfahl spezielle Diät und Schwitzen.

Die Bergsucht ist heute ein Synonym für die „Schneeberger Krankheit“. Die Bergleute von Schneeberg (Stadt bei Zwickau und Patenstadt von Schwedler) litten dabei an einer besonderen Form von Lungenkrebs, der durch die Kombination von Uran- und BiCoNi-Erzen verursacht wurde. Paracelsus trug, seiner Zeit weit voraus, mit intuitiven Erklärungen zur Aufklärung dieser Krankheit bei.

In seinem zweiten Buch befasste er sich mit Krankheiten, die durch Schmelz- und Pressvorgänge, insbesondere durch arsenhaltige Dämpfe, hervorgerufen wurden.

Fazit

Die Diagnostik von Paracelsus und Agricola setzte Maßstäbe, die bis zum Ende des 17. Jahrhunderts galten. Sie waren Pioniere der Bergbaumedizin, deren Fortschritte sich bald als Segen für unsere Vorfahren und die gesamte Menschheit erwiesen. Auch die allgemeine Berufsmedizin schritt durch ihre Forschung mutig der baldigen Aufklärung und einer helleren Zukunft entgegen. Der Weg war jedoch keineswegs einfach.

Oswald Lipták