„Aus schweren Zeiten“
Werfen wir in diesen schweren Corona-Zeiten einen Blick zurück. Mit welchen Übeln hatten unsere Zipser Vorfahren zu kämpfen? Darüber hat der aus Deutschendorf/Poprad stammende Pfarrer und Historiker Samuel Weber in seinem Buch „Zipser Geschichts- und Zeitbilder“, erschienen in Leutschau 1880, ein gesondertes Kapitel geschrieben: „Aus schweren Zeiten“.
Hier trägt er aus alten Quellen „die verschiedenen Unglücksfälle, von denen Zipsen im Laufe der Jahrhunderte heimgesucht wurde“ zusammen. „Sie waren oft rasch und aufeinanderfolgend und sehr verheerend“ stellt er fest und schlussfolgert: „Es muss Wundernehmen, dass die vielen vernichtenden Uebel dieses Völkchen in seiner Entwicklung nicht mehr aufzuhalten vermochte“.
Naturkatastrophen zählten zu den wesentlichen Unglücken. Nicht selten gab es schwere Überschwemmungen, besonders viele im 17. Jahrhundert. Am 24. Juli 1621, so berichtet der Chronist, „ereignete sich von Carpathen Gebürge eine so große Überschwemmung, daß sie Häuser wegschwemmte, eine Kirche einstürzte und die Todten aus den Gräbern auswühlte“. Nur vier Wochen später im selben Jahr werden am 24. August die Bergstädte von einem Wolkenbruch heimgesucht. In Göllnitz gibt es zahlreiche Tote, ertränktes Vieh und große Schäden an Wohnhäusern, Brücken, Mühlen und Gärten. Schreckliche Verwüstungen richtet die Überschwemmung von 1813 an: In Großlomnitz wird der mitten im Ort stehende Glockenturm umgerissen und weggeschwemmt. In Kesmark „bewegte das Wasser ganze Gebäude und nahm sie weg mit Allem, was darinnen war.“
Obwohl man früher schon sagte, in der Zips ist es sechs Monate kalt und ein halbes Jahr nicht warm, gab es doch viele Perioden mit Hitze und langer Trockenheit. So hat es 1473 von Pfingsten bis Allerheiligen nicht geregnet. In vielen Jahren wird berichtet von ausgetrockneten Quellen, Brunnen und Wäldern (1540, 1631), von Ernteausfall und Teuerung (1551, 1585, 1726).
Neben Überschwemmungen und Trockenheit verursachen Gewitterstürme mit Hagelschlag in der Zips vielerorts große Schäden. So vernichtet ein Unwetter im Juli 1725 alle Felder um Leutschau.
Durch Tiere verursachte Unglücke
Eine biblische Plage, die wir eher in Afrika und Südamerika verorten, suchte im Mittelalter und bis zur Frühen Neuzeit auch mehrfach die Zips heim: die Heuschrecken. Schon 1338, 1340 und 1474 wird davon berichtet. 1544 heißt es in einer Chronik: „Die Heuschrecken machten in Zipsen großen Schaden. Am Dienstag vor Laurentius kamen sie auf das Forberger Feld und in das Dorf in so dichten Haufen, dass man die Kirche und die Häuser von ferne nicht sehen konnte.“ Später heißt es lakonisch: „1546 verheerten die Heuschrecken ganz Zipserland.“ Und: „1629 am 10. Juli kam vom Schneegebirge ein ganzes Heer von Schmetterlingen oder Flettermäusen, die die Sonne verfinsterten und alles auf dem Felde und in den Gärten auffraßen.“ Weber vermutet, dass es sich hier auch um Heuschrecken gehandelt hat.
Nicht unerwähnt bleiben dürfen die Erdbeben, die die Zips heimsuchten, wenn auch nicht häufig. Das letzte, nicht sehr starke Beben ereignete sich laut Weber im März 1876. Wahrgenommen wurde es im „unteren Popperthale“.
Die meisten Menschenopfer aber erforderte die Pest, die über Jahrhunderte als Epidemie auftrat, aber auch sporadisch den einen oder anderen Ort heimsuchte. Auch meine Heimatstadt Einsiedel wurde stark betroffen. Von 1660 bis 1666 starben hier 1122 von 1600 Einwohnern. Der Unterzipser Heimatdichter Franz Ratzenberger schreibt in seinem Gedicht „Es Aansiedl“:
„Duut sein de Leut om Plätzen
Gefalln als bi de Fliegn;
Män sieht se met Entsetzen
Maustot om Gassen liegn.
–
Dort sind die Leute auf den Plätzen
Gefallen wie die Fliegen;
Man sieht sie mit Entsetzen
Mausetot auf den Gassen liegen.
Die Große Pest in der Zips
Die schlimmste Pestepidemie in der Zips wütete 1710. Sie war Bestandteil der sogenannten „Großen Pest“ (1708 bis 1714), die sich von Nordeuropa kommend bis nach Ungarn ausbreitete. Die große Hilflosigkeit der Menschen damals zeigt ein Ratsbeschluss der Stadt Kesmark. Angesichts der Information, dass die Pest bereits in Gömör und im nahen Marksdorf/Markušovce angekommen sei, verfügten die Ratsherren: Eine Wache am Obertor soll verhindern, dass Verdächtige die Stadt betreten, ferner werden bestellt „4 Todtengräber, 2 Inspectoren, ein Lazareth- und ein Pestbader.“ Die Seuche kann mit solchen Maßnahmen natürlich weder gestoppt noch wirksam bekämpft werden. Es sterben 2.178 Menschen. Würdige Begräbnisse sind kaum möglich. Die Stadt verpflichtet gewaltsam 24 Männer zum Vergraben der Toten. Fast alle Stadtfunktionäre versterben, ganze Familien werden ausgelöscht. Aber auch in anderen Zipser Städten und Gemeinden sah es nicht besser aus, so beklagten Neudorf 3.364, Leibitz 2.000 und Leutschau 1.953 Todesopfer.
Erwähnt sei noch, dass die Zips auch von der Cholera nicht verschont blieb. Auch die Rinderpest grassierte hauptsächlich nach kalten und feuchten Sommermonaten und vernichtete einen wesentlichen Teil der Ernährungsgrundlage.
Die Betrachtung von Samuel Weber reicht bis 1880. Danach hat es natürlich auch weiterhin Naturkatastrophen und Epidemien gegeben. Allerdings war das noch folgende größte Unglück menschengemacht. Es brachte viel Leid für die Bevölkerung und führte zur Vernichtung der jüdischen Mitbürger sowie zur Vertreibung der meisten Zipser Deutschen aus ihrer geliebten Heimat.
Rudolf Göllner