Berühmte Zipser: Arzt und Chemiker Michael Pfeiffer
Was macht der Sohn eines Apothekers, der Theologie studieren soll und vielleicht nicht will? Eine allgemeine Antwort gibt es sicher nicht. Michael Pfeiffer, der Sohn des angesehenen Apothekers Michael Pfeiffer aus Kesmark/Kežmarok, folgte jedenfalls zunächst dem Wunsch seines früh verstorbenen Vaters.
Den Vater hatte der am 19. Oktober 1721 geborene Michael schon als Kind verloren. Seine Mutter konnte aber dem Sohn die schulische Ausbildung für eine höhere Laufbahn finanziell ermöglichen. Um auch in der ungarischen Sprache in Wort und Schrift perfekt zu sein, unterbrach er im Alter von 15 Jahren die Ausbildung am Kesmarker Lyzeum, um in Debrezin/Debrecen seine Kenntnisse der, wie es hieß, „vaterländischen Sprache“, zu verbessern. Nach einem Jahr kam er zurück und setzte die Schule in Kesmark bis zum erfolgreichen Abschluss fort.
Danach begann Michael das von den Eltern für ihn vorgesehene Studium der Theologie. In seiner Kinderzeit war aber ein anderer Berufswunsch entstanden. Das Herstellen von Medikamenten im kleinen Labor der Apotheke hatte ihn beeindruckt. Dazu hörte er bei seinen Aufenthalten in den Räumen der Apotheke auch viel über das Verwenden der Medikamente bei den verschiedensten Krankheiten. Michael wäre gerne Arzt geworden. Dass dies seine Zukunft sein müsste, erkannte er bald. Inzwischen 20 Jahre alt, besaß er den Mut, das Studium der Theologie abzubrechen und zum Medizinstudium zu wechseln. Dieses begann er in Ofen/Buda. Zwei Jahre arbeitete er sich dort in die Grundlagenfächer ein. Es folgten ein Jahr an der Universität Halle und zwei weitere an der Universität Jena. Hier verteidigte er im Oktober 1745 seine Dissertation „De similitudene signorum indicationis et mortis in febribus acutis proxime instantis“ (Kennzeichen des nahen Todes bei hitzigem Fieber).
Diese Doktorarbeit erregte Aufsehen. Er bekam Angebote, in Jena zu bleiben. Michael Pfeiffer hätte diese gerne angenommen, aber der zweite Schlesische Krieg (August 1744 bis Dezember 1745), der Kampf um die Vorherrschaft in Schlesien zwischen Preußen und Österreich, erreichte gerade Sachsen. Wegen der Schrecken des Krieges mit ihren Zerstörungen sah er seine Zukunft doch lieber in der Heimat.
Nachfolger des Daniel Fischer
In Kesmark und der ganzen Zips hatte sich schnell der Ruf des graduierten Michael Pfeiffer verbreitet. Alle Türen schienen ihm auch hier offenzustehen. Über eines der Angebote musste er jedoch nicht nachdenken und er nahm es sofort an. Dr. Daniel Fischer (1695-1747), der Stadtphysikus von Kesmark und Leibarzt des Bischofs von Großwardein, Graf Nikolaus Csáky, war plötzlich verstorben. Der junge Dr. Michael Pfeiffer wurde sein Nachfolger. Sehr schnell stieg Pfeiffers guter Ruf weiter, denn seine Heilerfolge waren erstaunlich. Es hieß sogar, wenn niemand mehr helfen könne, dann Dr. Michael Pfeiffer. Das galt für Ungarn und auch das benachbarte Galizien.
Dieser erfolgreiche Dr. Michael Pfeiffer gab im Jahr 1776 völlig überraschend sein Amt als Stadtphysikus auf. Ihn zog es zurück in das Gebiet, das er als Kind in der Apotheke so interessiert beobachtet hatte und das ihn begeisterte, die Chemie. Sie war Teil seines Medizinstudiums gewesen, er hatte sie aber als Mediziner in den Hintergrund drängen müssen. Nun war ihm klar, wo seine eigentlichen inneren Interessen liegen.
Zipser Indigo
Aus der elterlichen Apotheke und dem Studium war ihm Indigo bekannt, das Phänomen der hohen Farbstärke dieses organischen Pigments hatte ihn immer interessiert. Es wurde aus der Indigopflanze gewonnen, die vor allem in Indien angebaut wurde. Pfeiffer suchte nach heimischen Pflanzen, aus denen der Farbstoff einfacher und insgesamt billiger zu gewinnen sei. Versuche, zum Beispiel mit Heidelbeeren, hatten nicht den gewünschten Erfolg gebracht, Pfeiffer versuchte es jetzt mit der Waidpflanze (Isatis tinctoria L.). Seine ersten Ergebnisse waren erfolgversprechend und er ließ die Färber in Kesmark Proben mit seinem Ersatzstoff durchführen. Auch hier zeigte sich das Surrogat geeignet, das Indigo tatsächlich zu ersetzen.
Pfeiffer baute nun in größerem Umfang die Waidpflanze an und produzierte sein Waidindigo. Joseph II. (1741-1790), von 1765-1790 Träger der Kaiserwürde, erhielt die Nachricht von Pfeiffers Erfindung. Ihm wurden Proben nach Wien gebracht und Fachleute am Hof bestätigten den Vorteil der Waidpflanze. Die Unterstützung durch den kaiserlichen Hof blieb aber aus. Es gab Ränke und Intrigen, dann starb der kinderlose Joseph II. und dessen Bruder und Nachfolger Erzherzog Leopold (1747-1792) hatte andere Interessen.
Nach Pfeiffers ersten Erfolgen begann man auch anderswo mit dem Verwenden dieser Pflanze, wie etwa in der berühmten Färberei Kulenkamp in Bremen. Der Färber Nikolaus Kulenkamp (1710-1793) hatte bereits Ehrenpreise wissenschaftlicher Institute für seine Abhandlungen über Färbetechnik erhalten, auch für das Herstellen neuer Farbstoffe wie das „Bremer Grün“. Er machte die von Pfeiffer gefundene Pflanze als Färbemittel bekannt.
Geheimnis mit ins Grab genommen
Dr. Michael Pfeiffer, unverheiratet und kinderlos, starb mit 88 Jahren am 7. November 1809 in Kesmark. Kurz vor seinem Tod hatte er den Kesmarker Apotheker Schwarz in das von ihm zur Farbextraktion gefundene Verfahren eingeweiht. Dieser behielt es aber für sich und nahm das Geheimnis mit ins Grab.
Dr. Heinz Schleusener