Berühmte Zipser: Der Arzt Abraham Szontagh
Aus der genealogischen Forschung wissen wir, dass die Szontaghs Mitte des 16. Jahrhunderts aus Sachsen nach Ungarn kamen. Wir finden für die Schreibweise des Namens zunächst Zontag, dann Szontagh, später in slowakischer Schreibweise Sontág. Die drei Söhne Christoph, Ludwig und Johann des 1650 verstorbenen Paul Szontagh erhielten von Kaiser Leopold I. den Adelstitel. Einer der Nachkommen dieser Szontaghs ist Abraham (ung. Abris).
Er ist Sohn des aus dem Gömöer/Gemer-Zweig der Familie stammenden Regierungsbeamten Wilhelm Szontagh und dessen Frau Anna Maria Langsfeld. Abraham Szontagh wurde am 16. Januar 1830 in Dobschau/Dobšiná geboren. Er absolvierte die Schulen in Rosenau/Rožňava und Preßburg/Bratislava. Hier erlebte er den Ausbruch des Unabhängigkeitskrieges und trat als Freiwilliger in die Artillerie der ungarischen Armee, der Honved-Armee, ein. Unter Befehlshaber Görgey nahm er an den Schlachten von Iglu, Branyiszko und Kapelle/Kapolnai teil. Im März 1849 schickte ihn General Guyon als Kurier in das belagerte Komarno/Komárom. Nach einer abenteuerlichen und gefährlichen Reise kam er in die Burg und half, diese zu verteidigen. Danach war er Geschützkommandant bei den Schlachten von Summer, Ács und Újszöny.
Nach dem Fall von Komarno flüchtete er nach Wien. Sein Ziel war eine medizinische Laufbahn und so begann er Medizin an der Wiener Universität zu studieren. Seine Lehrer waren die zu dieser Zeit weltberühmten Professoren Hyrtl, Brücke, Rokitanszky, Skoda, Oppolzer und Hebra.
Spezialist für Geburtshilfe und Chirurgie
Seine Dissertation beruhte auf unabhängigen Studien, er verteidigte sie im Mai 1856. Die Arbeit wurde von der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht. Ein Jahr später, im März 1857, wurde er Facharzt für Chirurgie. Bereits zwei Monate später wurde er Facharzt für Geburtshilfe. Anschließend praktizierte er als Mediziner in seiner Heimatstadt, später arbeitete er für mehrere Adelsfamilien als Allgemeinarzt in Mähren, Preßburg und im Komitat Somogy. Ende 1861 zog er nach Budapest, wo er größere Möglichkeiten für seine vielseitigen Interessen sah.
Sozial und kulturell engagiert
Hier gewann er als praktizierender Arzt schnell das Vertrauen der Öffentlichkeit. Das allein reichte ihm nicht, er widmete seine verbleibende Zeit dem Aufbau einer Reihe kultureller und humanitärer Institutionen. Dazu zählen eine medizinische Gesellschaft, in der er Schriftführer war, und ein öffentliches Gymnasium in Pest.
Abraham Szontagh war im Jahr 1863 einer der Initiatoren und Gründer des Nationalen Turnverbandes (Nemzeti Torna Egylet (NTE)), der sich der Einführung und Ausbildung systematischer Gymnastik in Ungarn widmete. Er schrieb dazu auch das Lehrbuch „Gymnastikstunden“, von dem später lobend berichtet wurde, dass es in ungarischer Sprache geschrieben wurde. In Pest gründete er den Gymnastik-Verein.
Später war er fünf Jahre lang Präsident des Vereins. In Anerkennung seiner Verdienste wurde er zum Ehrenmitglied des Vereins gewählt. Im Jahr 1863 heiratete er Lydia Szalarsy. Beide hatten drei Söhne. Als 1869 der Nationale Rat für öffentliche Gesundheit gegründet wurde, berief die Regierung Dr. Szontagh zu einem außerordentlichen Mitglied. Elf Jahre später wurde er Vollmitglied dieses wissenschaftlichen Gremiums.
Auch bei den Freimaurern finden wir Abraham Szontagh, 1872 als Mitglied der 1861 gegründeten „Szent István“ Loge. 1878 wurde er stellvertretender Meister der ungarischen Loge.
Homöopath und Publizist
Dr. Szontagh zählt mit Tihamer Balogh und Lorant Hausmann zu einer neuen Generation von ungarischen Ärzten, die sich der Homöopathie zuwendeten und sie praktizierten. Sie gründeten die Gesellschaft ungarischer Homöopathen und gaben die ersten Periodika zur Homöopathie, die Zeitschriften „Hasonszenvi Kozlony“und „Hasonszenvi Lapok“, heraus. Szontaghs erste Veröffentlichung war vermutlich die seiner Doktorarbeit durch die ungarische Akademie der Wissenschaften. Es folgten weitere zu unterschiedlichen Themen.
Über einen Zeitraum von sieben Jahren schrieb er Berichte zu den Bädern in der südlichen Zips. Zu den Bergen hatte er eine ganz besondere Beziehung, dies drückt auch seine Mitgliedschaft im Ungarischen Karpatenverein aus. Er zählte sogar zu den Vereinsgründern.
Humorvoll und unterhaltend
Abraham Szontagh arbeitete als Mediziner mit vollem Einsatz, bei der Arbeit er war ernst und streng. Man schätzte ihn nicht nur als guten Arzt, er war gern gesehener Gast in verschiedenen Gesellschaften. Dort glänzte er durch Humor und Aufgeschlossenheit. Besonders seine Fähigkeit, Gedichte vorzutragen, wurde bewundert. Angeblich konnte er dies 24 Stunden tun, ohne eine Pause einzulegen.
Arzt und Helfer bis zur letzten Minute
In seinen letzten Lebensjahren kämpfte Dr. Szontagh vergeblich gegen eine Blutkrankheit. Selbst schon sehr geschwächt, behandelte er aber seine Patienten, ohne sich zu schonen. Damit nach ihm seine Krankheit vielleicht behandelbar wird, dokumentierte seinen eigenen Zustand wie den eines Patienten. Die Budapester Zeitung VASARNAPI UJSAG schreibt daher zu seinem Tod, er sei gestorben wie ein „Weiser“ und berichtet über das Beileid des gesellschaftlichen Lebens der Hauptstadt, die eine verehrte, geliebte Persönlichkeit, einen großartigen Arzt und Homöopathen verloren hat.
Dr. Heinz Schleusener