Berühmte Zipser: Geograph Johann Hundsdorfer
Johann Hundsdorfer, der Bruder von Paul Hundsdorfer, gilt als Begründer der ungarischen wissenschaftlichen Geographie. Er ließ seinen Namen „magyarisieren“ und wurde als János Hunfalvy bekannt.
Der am 11. Juni 1820 in Groß Schlagendorf/Veľký Slavkov geborene Johann besuchte wie sein älterer Bruder Paul die Schulen in Kesmark sowie in Mischkolz/Miskolc. In Eperies/Prešov vertiefte er seine ungarischen Sprachkenntnisse. Danach folgte eine Hochschulausbildung in Berlin und Tübingen. Seine berufliche Tätigkeit begann er 1846 mit einem Lehramt in Kesmark. Er unterrichtete Statistik und Geschichte. Wegen seiner Ansichten und Aktivitäten im Unabhängigkeitskrieg geriet er in Schwierigkeiten, verlor seine Stellung und wurde verhaftet. Nach seiner Freilassung zog er 1852 nach Pest, um als Erzieher und Autor unter dem Namen János Hunfalvy zu arbeiten.
Neuorientierung in Pest
János Hunfalvy schrieb für verschiedene Zeitschriften und beteiligte sich an der Herausgabe des Familienmagazins „Család Könyve“. Auf Empfehlung des Grafen Móric Pálfy (1812-1897) wurde er 1866 Professor am Pester Joseph Polytechnicum, der heutigen Budapester Universität für Technik und Wirtschaftswissenschaft. Als an der Universität Pest (heute Eötvös-Loránd-Universität) das erste Geographische Institut gegründet wurde, berief man ihn auf dessen Lehrstuhl. 1872 gehörte er zu den Gründern der Ungarischen Geographischen Gesellschaft (Magyar Földrajzi Társaság, MFT). Eine unglaublich erfolgreiche Zeit hatte für János Hunfalvy begonnen. Bis zu seinem Tod war er Präsident der MFT, die 2022 ihr 150-jähriges Bestehen feierte.
Neben der Geographie befasste er sich weiterhin mit Statistik und Geschichte. Viele seiner Werke sind eine wertvolle Quelle für die ethnographische Forschung, seine geographischen Daten von erstaunlicher Genauigkeit. Im 2006 erschienenen Buch „Geschichte der ungarischen Geographie“ des Geographen und Kartographen Ferenc Fodor (1887-1962) schreibt dieser über János Hunfalvy: „Als Geograph seiner Zeit war János Hunfalvy vielleicht ein Historiker und ein Enzyklopädist, ein wahrer Meister der universellen Geographie, der in seinem universellen Wissen all das Wissen vereinte, das Geographie, Wissenschaft, Ethnographie, Statistik und Wirtschaft über die Erde zusammengebracht haben.“
János Hunfalvy nahm nicht nur an vielen wissenschaftlichen Kongressen und Weltausstellungen teil, er beriet die ungarische Regierung und wurde mit Verdienstorden geehrt. Er starb am 6. Dezember 1888 in Budapest. Die Straße, in der sein Wohnhaus stand, wurde in Hunfalvy utca umbenannt. Im slowakischen Teil der Hohen Tatra tragen das Hunfalvyjoch (slowak. Váha) und das Hunfalvytälchen (slowak. Kotlinka pod Váhou) seinen Namen.
Die Hunfalvy-Globen
Das Virtuelle Globenmuseum der ELTE-Universität bemüht sich um das Erfassen aller in Ungarn entwickelten Globen (http://vgm.elte.hu). Auch Hunfalvy hat sich mit Globen beschäftigt und Karten für diese erarbeitet. Sie sind auf der genannten Internetpräsenz zu bewundern.
Globen aus dieser Zeit befinden sich oft bei Privatsammlern oder werden nicht als wertvoll erkannt. So war es eine Sensation, im ungarischen Technik- und Verkehrsmuseum einen Globus mit einem Durchmesser von 32 cm zu entdecken, der von Hunfalvy zwischen 1867 und 1870 erarbeitet wurde.
(Foto: ELTE, Budapest)
Hunfalvy-Fachmittelschule Budapest
In Budapest trägt die Fachmittelschule für Wirtschaft und Handel seit 1926 den Namen Hunfalvy János. Dessen Suche nach neuen Wegen ist ein Faden, der sich durch die Wissensvermittlung dieser Schule zieht. Die Schüler der Fachmittelschule ehren den Namensgeber ihrer Einrichtung auch durch Besuche seines ehemaligen Wohnhauses und verweilen an seinem Grab.
Zu den Besonderheiten dieser bereits 1884 auf einen Vorschlag von Hunfalvy eingerichteten, zum Abitur führenden Ausbildungseinrichtung zählt die tiefgehende Fremdsprachenausbildung. Von den fünf angebotenen Fremdsprachen werden Deutsch, Englisch und Französisch im bilingualen Sachfachunterricht angeboten.
Foto: Budapester Fachmittelschule für Wirtschaft und Handel
Magie der Nase?
Die Schüler kommen beim Eintritt in die Schule an einer im Jahr 1984 aufgestellten Büste von János Hunfalvy vorbei. Dieser Büste wird charismatische Kraft zugeschrieben: Ein Schüler, der morgens beim Betreten der Schule die Nase von Hunfalvy streichelt, soll an diesem Tag von schweren Lehrerfragen verschont sein. Der Farbe der Nase nach scheint das auch zu funktionieren.
Dr. Heinz Schleusener