Berühmte Zipser: Regisseur Juraj Herz
Juraj Herz wurde als Film- und Fernsehregisseur bekannt, geboren wurde er am 4. September 1934 in Kesmark/Kežmarok in der Oberzips.
Juraj (Georg) Herz entstammte einer slowakisch-ungarisch-deutsch-jüdischen Familie. Er wuchs mehrsprachig auf und beherrschte später auch Tschechisch und Polnisch. Er und seine Eltern waren Opfer der 1942 in der Slowakei beginnenden Deportationen von Juden. Sie kamen zunächst nach Auschwitz, dann ins Konzentrationslager Ravensbrück und danach ins KZ Sachsenhausen nördlich von Berlin.
Juraj Herz erzählt später, dass er schon auf dem Transport nicht mehr daran glaubte, am Leben zu bleiben. Mit Glück überstanden er und seine Eltern die schreckliche Zeit bis zur Befreiung des Lagers durch die sowjetische Armee.
Von der Fotografie zu Schauspiel und Film
Sein Interesse galt früh der Fotografie. Daher begann er das Studium der Fotografie an der Kunstgewerbeschule Preßburg/Bratislava. Dort erfuhr er von der Puppenspielausbildung an der Akademie der schönen Künste in Prag und wechselte an die dortige Fachrichtung Marionettentheater. Hier lernte er den gleichaltrigen, sogar am selben Tag geborenen Jan Švankmajer kennen. Švankmajer drehte später surrealistische Filme, in denen Herz Rollen übernahm. Während des Studiums belegte Juraj Herz an der Kunstakademie zusätzlich Fächer zu Regie und Schauspiel.
Wie alle jungen Männer in der damaligen Tschechoslowakei musste Juraj Herz Militärdienst leisten. Auch Jan Švankmajer wurde eingezogen und beide fanden sich zu ihrer Freude in der selben Kompanie wieder. Sie hatten genügend Zeit, um Ideen über zukünftige Aufführungen auszutauschen. Tatsächlich realisierten sie einige davon nach Ende der Militärzeit an der 1955 in Prag gegründeten Kleinkunstbühne Semafor.
Schauspieler und Regieassistent
An diesem Semafor-Theater begann seine berufliche Laufbahn als Schauspieler und als Regieassistent. Die Regie begeisterte ihn. Es war aber schwer, in die Verantwortung als Regisseur zu gelangen. Juraj Herz fand einen eigenen Weg, durch die „Hintertür“, indem er älteren Regisseuren in den Barrandov-Filmstudios assistierte. So war er Regieassistent von Ján Kádár (1918-1979) und Elmar Klos (1910-1993) bei dem mit dem Oscar ausgezeichneten, in Sabinov gedrehten Holocaust-Drama „The Shop On The Main Street“ (Obchod na korze).
Bekannt durch psychologisches Drama
Im Jahr 1965 gab er sein Debüt als Regisseur mit dem Kurzfilm „Die gesammelten Rohheiten“ (Sběrné surovosti) des bekannten Schriftstellers Bohumil Hrabal (1914-1997). Der Film gab Erlebnisse von Hrabal, der einmal in einer Altstoff-Sammelstelle gearbeitet hatte, wieder. Das Drehbuch hatte Herz gemeinsam mit Hrabal geschrieben. Der Streifen kam nicht in das normale Filmprogramm, weil sich seine Länge (31 min) angeblich nicht für Aufführungen eignete. Herz sah das anders und meinte, man sähe ihn nicht als gleichwertig an, sondern „nur als einen Puppenspieler, der einen Film macht.“
Trotzdem ebnete dieser Kurzfilm Juraj Herz den Weg zu seinem ersten Spielfilm „Znamení raka“ (Sign of the Cancer). Dieses 1967 gedrehte psychologische Drama über das Leben in einem Krankenhaus machte ihn sofort zu einem Ziel der Zensur und Kritik. Nachdem jedoch ein renommierter Arzt bestätigt hatte, dass alles, was Herz über den medizinischen Bereich darstellte, weitgehend auf Wahrheit beruhte, wurde er als Regisseur akzeptiert.
Horrorfilme und Dramen
Es folgten weitere Filme, richtig bekannt wurde er 1969 mit dem Kinofilm „Der Leichenverbrenner“ nach einem Roman von Ladislav Fuks (1923-1994). Die Romanvorlage ist eine Horrorgeschichte aus der Zeit des Nationalsozialismus. Diese Zeit beschäftigte Juraj Herz sehr, war er doch selbst einer der persönlich Betroffenen. Der Film wurde schon bald nach der Premiere von der kommunistischen Regierung unter Černík wegen „Kritik am Konformismus“ verboten.
Von den Filmkritikern kamen unterschiedliche Bewertungen. Einig waren sich wohl alle darin, dass die angebotene Mischung aus Horror und Humor beim Zuschauer nicht nur Begeisterung auslöste. Es folgten Filme wie 1971 das Drama „Petrolejové lampy“ (Petroleumlampen) nach einer Novelle von Jaroslav Havlíček. Der Film kam 1972 bei den Filmfestpielen von Cannes zur Aufführung. Ein weiteres filmisches Drama war „Morgiana “ mit den Schauspielern Iva Janžurová, Josef Abrhám und Nina Divísková.
Im Jahr 1981 drehte Herz den Horror-Science-Fiction-Film „Upír z Feratu“ (Der Autovampir oder Der Vampir aus dem Ferat). Der Film macht den Autokult nicht nur durch den Namen des Autos (Ferat als Anspielung auf Ferrari) lächerlich. Im Film geht es um einen neuartigen, rätselhaften Sportwagen, dessen Fahrerinnen nach der Fahrt total erschöpft aus dem Auto steigen. Als des Rätsels Lösung entpuppte sich, dass das Fahrzeug Blut als Treibstoff nutzte. Es wurde vom Auto vampirähnlich aus den Adern der Fahrerinnen gesaugt.
Der deutsche Fernsehsender ZDF zeigte diesen Streifen im Jahr 1985 innerhalb der zwischen 1970 und 1990 ausgestrahlten Reihe „Der phantastische Film“. Eine der Hauptrollen spielt Dagmar Veškrnová (*1953), die 1977 den späteren Staatspräsidenten Václav Havel heiratete. Auch ihre erste Filmrolle hatte Dagmar Veškrnová in einem Juraj Herz-Film, in der Romanze „Holky z porcelánu“ (Die Porzellanmädchen) aus dem Jahr 1974.
Da die Zensur in dieser Zeit viele seiner Projekte ablehnte oder nur mit unakzeptablen Änderungen oder Auflagen genehmigte, wechselte Juraj Herz zu Märchenfilmen.
Umfangreiches Lebenswerk
Einer seiner ersten bekannten und erfolgreichen Märchenfilme ist „Galoše šťastia“ (Galoschen des Glücks), ein Film von 1986.
Ein Jahr später verließ er die Tschechoslowakei und lebte bis Mitte der 1990er Jahre in München. Hier drehte er Spielfilme und Filme für das Fernsehen, wie etwa zwei Filme zur Kommissar Maigret-Serie. Es folgten auch weitere Märchenfilme. Im Jahr 1991 war es der „Froschkönig“ mit Iris Berben und Michael Degen als Königspaar und „Des Kaisers neue Kleider“ mit Harald Juhnke nach dem Märchen von Hans Christian Andersen.
Juraj Herz, der am 8. April 2018 in Prag starb, hinterließ ein umfangreiches filmisches Erbe. In Deutschland bleibt er vielen Filmfreunden durch seine Märchenverfilmungen bekannt, in der ehemaligen Tschechoslowakei wohl eher durch seine Filme mit Elementen des Horrors.
Dass seine Palette aber etwas breiter ist, kann sehr gut der internationalen Filmdatenbank entnommen werden. Sie weist den gebürtigen Kesmarker als Regisseur in 46 Filmen und Gewinner von 15 Filmpreisen bei weiteren Nominierungen aus.
Dr. Heinz Schleusener