Berühmte Zipser: Samuel Pellionis
Als Schriftsteller und Dichter seiner Heimatstadt Dobschau/Dobšiná war Samuel Pellionis unübertroffen. Er schrieb im lokalen, dem Buleener Dialekt. Die begrenzten Möglichkeiten, die Pellionis als Schuhmacher hatte, machten ihn wohl weniger bekannt als seinen 23 Jahre älteren Landsmann, den Schuldirektor Samuel Klein. Vielleicht ändert sich das zu Pellionis 150. Geburtstag.
Ein Pellionis in der Bergarbeiterstadt Dobschau? Der Name erscheint nicht typisch für eine Stadt, in der im Jahr 1880 knapp 3.847 Deutsche lebten und die Heimat für 1.325 Slowaken und 372 Ungarn war. Die Erklärung für den Namen liegt im Eindringen der lateinischen Sprache in die Familiennamen Mitte des 17. Jahrhunderts.
Samuel Pellionis (1870-1953)
An den Namen wurden lateinische Endungen angehängt wie bei Klausius oder Relotius, und es gab komplette Wandlungen ins Lateinische. Aus Müller wurde Molitor, aus dem Nachnamen Kürschner bzw. Kirschner (lat.: pellio), wurde Pellionis. Nicht alle Familien modifizierten ihren Namen. Daher existieren in Dobschau beziehungsweise Topschau, wie es bis Anfang des 19. Jahrhunderts hieß, die Namen Pellionis und Kirschner nebeneinander.
Sohn des Häuers wird Schuhmacher
Im sehr gut lesbaren Tauf-Matrikel der Dobschauer Evangelischen Gemeinde Augsburger Konfession finden wir auf Seite 98, dass Samuel am 27. Juni 1870 als Sohn des Häuers Samuel Pellionis und dessen Frau Anna Mikulik geboren wurde. Sohn Samuel ergriff nach der Schule den Beruf des Schuhmachers. Dazu sagte er später, es sei ein Beruf gegen seinen Willen gewesen. Er war dann aber nicht nur ein guter, er war auch ein sehr großzügiger Schuhmacher.
Koľko Šamu báči?
Mit seiner Frau hatte Samuel deshalb häufig Meinungsverschiedenheiten. Obwohl er selbst um seine Existenz kämpfen musste, taten ihm die Armen leid und er reparierte ihre Schuhe für ein paar symbolische Heller. Typisch war dazu die Frage des Kunden beim Abholen der Schuhe: „Koľko Šamu báči?“ (Wie viel hätte Samuel gerne?) Er antwortete dann: „Päťdesiat halierov. Veď ty máš toho ešte menej ako ja.“ (50 Heller. Du hast schließlich noch weniger als ich.)
Manchmal nahm er überhaupt kein Geld, auch wenn 20 Kronen zu berechnen gewesen wären. Das Sprichwort vom goldenen Boden des Handwerks galt daher bei den Pellionis nicht. So war es für die große Familie schwer, sich zu ernähren.
Schreiben statt Schauspielern
Samuel Pellionis verbrachte fast sein ganzes Leben in seiner Heimatstadt. Er verließ diese nur, um 1888 auf die damals übliche Wanderschaft zu gehen. Dabei kam er in Budapest mit einer Theatergruppe in Kontakt und verbrachte bei dieser einige Zeit. Er wäre sicher ein guter Schauspieler geworden, aber die Pflicht rief ihn zurück nach Dobschau.
Hier nutzte er ein anderes Talent – das des Dichters und Schriftstellers. Sein Werk ist umfangreich. Er hinterließ mehr als tausend Gedichte, Dialoge und Einakter.
Dokumentation des Dialekts
Samuel Pellionis schrieb hauptsächlich im Dialekt seiner Heimatstadt Dobschau, in der Topschersproch, wie er sie im Gedicht „Die Mottersproch“ bezeichnete. Nicht nur er sprach den Dialekt, auch die Menschen um ihn herum, die Familie und die Kundschaft.
Seine Werke enthalten einen umfangreichen Wortschatz, man kann sein Werk tatsächlich als eine Dokumentation dieser Mundart bezeichnen. Von den 16 Strophen seines Gedichtes „Die Mottersproch“, geschrieben 1913, sind die erste und die letzten vier nachfolgend aufgeführt. Sie zeigen seine Liebe zu Dobschau und dessen Dialekt.
Die Mottersproch
Von olln Sprochen of der Belt
Klingt uns keena net so scheen,
Bie die Mottersproch, die’s Harz erhelt
Und am pesten zu vorstehen.
Ach Topschersproch bie klingst du schén
Bie der scheensta Oagelton,
Ich kon dos och goar net vorstehn
Bie man onders reden kon.
Du klingst as bie der Engel Choar
Bie ihr himmlisches Gapet,
Nor tit mer Lead, doos benich bear
Noch en der Topscha dich vorsteht.
Doch sillt ich, bos leicht meeglich
Vleich noch a Kenich bearen,
Denn boll ich streng mein Volk pufehln
Die mussen Olla topschrisch learn.
Vor dos ruf jeder Topscher aus:
Hoch leb die Topschersproch!
Holt sa en Eahren jedes Haus
Unser olta Mottersproch!
Samuel Pellionis starb am 12. Juli 1953 in Dobschau. Am Grabkreuz befindet sich eine Platte mit einem von ihm geschriebenen Gedicht, das er sein „Letztes Gekritzel“ nannte und seinen Humor beweist:
Hier ruth ear, dear fat lostich boar
Och en Trauer Spass hot geben.
Ben er net gestoaben bear
Bol er secher heit noch leben.
Der Topscher Dialekt wird immer seltener gesprochen, aber Samuel Pellionis hat ihn in Schriftform für zukünftige Generationen erhalten.
Dr. Heinz Schleusener
Dank für Bild- und Textmaterial geht an Rudolf Pellionis, den Enkel des Dichters