Berühmte Zipser: Von Joseph zu Gustav Wlaszlovits
Kleine Orte werden manchmal durch großartige Handwerker weltberühmt. Das gilt für die Gemeinde Stoß/Štós am Rand der Zips ebenso wie für Glashütte in Sachsen. Beide Orte waren im Mittelalter Bergbaustädte, den Bergbau lösten mit der Zeit aber andere Handwerke ab. In Glashütte folgte das Uhrenhandwerk, in Stoß das der Messerschmiede. Deren Erfolgsgeschichte begründeten die Wlaszlovits.
Das Handwerk der Messerschmiede in Stoß wird erstmals im Jahr 1721 erwähnt. Sein zunächst unaufhaltsamer Aufstieg begann im Jahr 1803 mit Joseph Wlaszlovits im nahe gelegenen Schmöllnitz/Smolník.
Im sächsischen Glashütte entstand die erste Uhrenmanufaktur erst 1848. Glashütte und Stoß ist gemeinsam, dass bald danach weitere, über Europa hinaus bekannte Unternehmen entstanden. In Stoß waren das neben dem von Wlaszlovits die Messerschmieden von Kompardy und Schreiber.
Wlaslovits kam aus dem polnischen Wischnitz/Wisnicz. Das zeigt uns der Eintrag seiner Heirat mit Chatarina Zavodnikin am 29. April 1798 im Kirchenbuch von Schmöllnitz. Hier weicht die Schreibweise seines Namens von der später üblichen ab.
Anfang in Schmöllnitz
Das Blatt „Stószfürdö“ mit Neuigkeiten für die Bäder zwischen Torna und Baldovce widmet im September 1927 mehr als eine Druckseite der Wlaszlovits’schen Messerschmiede. Hier erfahren wir auch von den Anfängen der Firma in Schmöllnitz im Jahr 1803. Bereits 1807 musste zusätzliches Rohmaterial aus Stoß die wachsende Produktion sichern. Der Hauptabsatzort war nicht Kaschau, sondern Debrecen. Dort genehmigte man Wlaszlovits den Bau einer zweiten Produktionsstätte.
Impulse durch Nachwuchs
Der Firmengründer starb 1842, die Verantwortung übernahm jetzt sein 1820 geborener Sohn Joseph Martin. Da es in Schmöllnitz keinen Platz für bauliche Erweiterungen gab, zog die Firma im Jahr 1846 nach Stoß um.
Statt der bisherigen Fläche von 120 Quadratmetern stand nun eine mit 12.800 Quadratmetern zur Verfügung. Zu Beginn arbeiteten hier 6 Männer, 2 Frauen und 5 Lehrlinge. Jetzt war Platz für den Ausbau der Produktion. So wurden 1848 eine neue, modernere Schleiferei und 1855 eine spezielle Messerfabrik eingerichtet. Deren Leiter waren Robert Kompardy und Jozsef Imling. Kompardy machte sich später selbständig. Ab 1862 wurden auch die Griffe für Messer selbst hergestellt.
Naturkräfte reichen nicht mehr
Die Zahl der Arbeitskräfte stieg im Jahr 1883 auf 70 an. Die Wasserkraft reichte nun nicht mehr aus, um die große Zahl von Maschinen mit Energie zu versorgen. Moderne Technik musste her und sie kam in Form einer Dampfmaschine mit 10 PS Leistung.
Weiter mit Brüderduo
Joseph übergab die Firma seinen Söhnen Joseph und Gustav, welche sie gut über die Zeit des Ersten Weltkrieges führten. Stoß gehörte jetzt zur Tschechoslowakei und mit der Armee des Landes gab es einen guten Abnehmer. Die Zahl der Beschäftigten wuchs von 120 im Jahr 1914 auf bis zu 212 im Jahr 1925. Die Betriebsfläche betrug mittlerweile 17.265 Quadratmeter.
Der Letzte der Wlaszlovits
Der Letzte in der Reihe der Firmenchefs war Gustav Marcel Thomas Wlaszlovits, Sohn von Gustav Wlaszlovits und Matilda Sevcik. Am 16. Januar 1897 geboren, erlebte er in den sonst schönsten Lebensjahren zwei Weltkriege und zwischen diesen Inflationszeit und Weltwirtschaftskrise. Zunächst an der Seite seines Vaters, führte Gustav jr. das gesellschaftliche Engagement seiner Vorfahren fort. Ein besonderes Beispiel war das für den Betrieb gebaute Elektrizitätskraftwerk, das außerdem den Ort versorgte und so Stoß zur Elektrifizierung verhalf.
Gründer der Blaskapelle
Mit dem Namen Gustav Wlaszlovits ist ein weiteres Ereignis untrennbar verbunden – die Gründung einer Blaskapelle im Jahr 1925. Sie hatte 16 Mitglieder. Der musikalische Musikfreund Wlaszlovits bezahlte die Instrumente und Kleidung des Orchesters. Nach der Gründung der Slowakischen Republik im März 1939 mussten deutsche Vereine ihre Tätigkeit einstellen. So auch die Blaskapelle, deren Mitglieder der Deutschen Partei angehörten.
Ein Ende mit Schrecken
Wie alle privaten Unternehmen kam die Messerschmiede 1945 unter nationale Verwaltung. Bald danach, 1948, folgte die Verstaatlichung. Auch der Privatbesitz wurde der Familie genommen. Da Gustavs Frau ein Haus geerbt hatte, entgingen die Wlaszlovits gerade noch der Wohnungslosigkeit.
Die Liebe zur Musik blieb
Gustav, der 1978 starb, verließ seinen Heimatort Stoß aber nicht. Die Einwohner schätzten den ruhigen, netten und gebildeten Mann, der Zoltán Fábry beim Tippen der Manuskripte behilflich war und manchmal nach Bad Stoß ging, um im Kurhaus Klavier zu spielen. Die Gäste waren zu dieser Zeit oft Kader der kommunistischen Partei, die dort weitergebildet wurden. Sie hatten keine Ahnung, dass sie dem einmal reichsten Mann des Ortes zuhörten, der zusammen mit seinen Vorfahren die Stoßer Messerschmiedekunst weltbekannt gemacht hatte. Die von Gustav gegründete Blaskapelle fand sich später wieder zusammen und ist bis heute aktiv.
Kein Happy End in Stoß
Zurück zum Vergleich von Stoß mit Glashütte: Nach der politischen Wende brach hier und dort die im Sozialismus weitergeführte Produktion zusammen. Glashütte erholte sich nach und nach, heute stellen zehn private Uhrenmanufakturen vor allem exklusive Uhren her. Stoß gelang das nicht, das Messerschleiferhandwerk gibt es nicht mehr.
Dr. Heinz Schleusener
Für seine Unterstützung danke ich dem früheren Bürgermeister von Stoß, Herrn Gabriel Müller.