Coronakrise: Vom Appell zum Applaus

In Zeiten großer Gemüts- und Gefühlsregungen – und die Coronakrise ist ja eine solche – verlieren Worte und Begriffe manchmal ihren eigentlichen Sinn und die Sprache läuft Gefahr, an Prägnanz und Schlagkraft einzubüßen.

Je länger solche Gemüts- und Gefühlsregungen andauern, desto eher sind die Menschen geneigt, sie mit ihrem Alltag in Übereinstimmung zu bringen und Parolen, die gestern noch eine Welt in Bewegung setzten, sind heute schon dabei, in den Umgangsjargon einzugehen.

Wenn auch in diesem wahren Pandemiekrieg von oben peinlichst darauf geachtet wird, dass Dinge der Alltäglichkeit und Fragen unseres individuellen und kollektiven, bzw. nationalen Schicksals säuberlich voneinander getrennt werden und somit ihre Konturen behalten, so kann man doch hier und da beobachten, dass bestimmte Begriffe durch zu häufigen Gebrauch abgenutzt werden und wir dann, wenn wir sie wirklich einmal zum Ausdruck bringen wollen, dafür keinen passenden Ausdruck mehr zur Verfügung haben.

Das Leben überholt sie, hier zählen nur noch Taten. Diesbezüglich lieferte John F. Kennedy eine gut lenkende Regel, als er sagte: Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, frage lieber, was du für dein Land tun kannst.

Disziplin und Selbstverzicht

Wir Bürgerinnen und Bürger unseres fünfeinhalb Millionen Einwohner zählenden Landes, haben es gewiss viel schwerer als wir es uns unlängst hätten träumen lassen. Wir können nur einträchtig und in Frieden neben- und miteinander leben, wenn die Disziplin zum obersten Gesetz des Gemeinwesens erhoben wird.

Auch wir Karpatendeutsche als Gemeinbürger unseres Landes, als Europäer und Weltenbürger müssen jetzt zusammenhalten und aufeinander Rücksicht nehmen, wenn wir als Minderheit in unserem Staat überhaupt bestehen wollen.

Der Führungs- und Verwaltungsmechanismus unseres Staates und der Europäischen Union ist so feinnervig und kompliziert, dass sie nur dann funktionieren können, wenn alle Bürgerinnen und Bürger mitarbeiten und dabei mit Eifer bestrebt sind, in Coronazeiten die öffentliche Ordnung zum vornehmsten Ideal ihres Zusammenlebens zu machen.

Da haben viele Bürgerinnen und Bürger in den vergangenen Coronawochen in anerkennenswerter Weise vieles getan. Heute weiß die Heimat, was sie denen schuldig ist, die sich mit ganzer Kraft für sie einsetzen. Wie sie uns nicht im Stich lassen, so werden wir sie nicht im Stich lassen. Die Heimat aber auch das von der Pandemie heimgesuchte Europa und eigentlich die ganze Welt wären der harten und schweren Opfer, die heute Millionen, ja Milliarden Menschen für sie bringen, gar nicht wert, wenn sie nicht immerfort bestrebt wären, sich ihrer würdig zu erweisen – nämlich gemeinsamer Werte auf der nicht nur unser Land, sondern ganz Europa, ja die ganze Zivilisation besteht.

Aufopferung und Dank

Gewiss hat es in dieser Krise niemand leicht. Man muss auf viele liebgewordene Gewohnheiten, was zu Ostern besonders schmerzt, auch auf viele familiäre und soziale Kontakte verzichten, willig und geduldig tausend kleine und große Einschränkungen auf sich nehmen. Vor allem die Bevölkerung in den meist bedrohten Gebieten, sei es Bratislava/Pressburg oder die auf dem Land lebende Bevölkerung haben Schweres zu ertragen und verdienen für ihre tapfere Haltung höchstes Lob und wärmste Anerkennung.

Aber das, was wir in unserer Heimat alle auf uns nehmen müssen, ist ja nur ein geringer Bruchteil der Opfer, Strapazen und Entbehrungen, des Einsatzes und der Gefahren, die unsere weißgekleideten Soldaten auf ihren Vorposten – unsere Ärzte, Krankenschwestern sowie Rettungs- und Pflegekräfte oder Verkaufspersonal in Ladenketten oder aber die Bahn- und Busmitarbeiter – für uns auf sich nehmen. Wir im gemütlichen Haushalt Lebende haben im Vergleich mit ihnen viel geringeren Grund zur Klage. Und unseren wahren Helden gebührt der verdiente Beifall, so wie wir es heute häufig in unseren nächtlichen Städten sehen. Beispiele solcher Solidarität sprechen Bände und machen Schule – im ganzen Land, das somit nicht auseinander geht, sondern zusammenwächst.

Arbeiten nicht zweifeln

Das Leben ist aber hart. Dieser wahre Krieg hat es nur noch härter gemacht. Mit Empfindsamkeit allein werden wir seiner nicht Herr. Wir müssen tapfer sein und ständig unseren Mann stehen. Die Besiegung der Pandemie wird uns nicht geschenkt, wir können sie uns nur verdienen. Jeder muss daran mitarbeiten.

Geben wir uns also alle einen Ruck und fassen wir den festen Entschluss: nach Möglichkeit noch mehr zu leisten als bisher, unsere Arbeit und unseren Alltag so rationell wie denkbar zu organisieren, alles Überflüssige abzustoßen, Verzichtsopfer bezüglich des Familienbesuchs zu liefern, sogar die Einschränkung gewisser bürgerlicher Freiheiten in Kauf zu nehmen, weniger über die Coronakrise zu reden und mehr Rücksicht aufeinander zu nehmen, höflich und zuvorkommend zueinander zu sein, wenn auch auf gebotener Distanz.

Zukunftszuversicht

Es wird bestimmt auch wieder die Zeit kommen, in der die Anstrengungen des Coronakrieges vorbei sind. Dann werden wir sicherlich mit Gelassenheit an diese Zeit zurückdenken. Sie wird dann in verklärtem Licht in unserer Erinnerung auftauchen. Dann werden vor allem die vorbildlichen Kämpfer des Coronakrieges als die leuchtenden Helden vor unseren Augen erscheinen, die ihr Leben einsetzten, um das Ringen um und für unser Leben, das Leben unserer Lieben und Liebsten zu gewinnen.

Es ist wohl niemand unter uns, der nicht in dieser Stunde seine Blicke nicht nach oben lenkte, der Kampf lehrt uns nicht nur hart und stark zu sein, sondern auch demütig vor unserem Schicksal und seinem göttlichen Lenker.

Danken wir also dem Allmächtigen für die stolzen inneren und äußeren Erfolge und Errungenschaften, die er uns wieder geschenkt hat. Wir werden weiterkämpfen und geben nicht auf, bis diese Schlacht gewonnen ist und wir den verdienten gemeinsamen Applaus für unser Verhalten und Verbleiben ernten werden.

Oswald Lipták