Das vielseitige Ampelmännchen
Ampeln begegnen uns derzeit nicht nur auf der Straße. Die für unsere Gesundheit Verantwortlichen zeigen mit sogenannten Covid-Ampeln, wie das Infektionsgeschehen regional einzuschätzen ist. Ampeln werden also nicht mehr nur für die Steuerung der Abläufe auf den Straßen verwendet. Aber auch aus anderer Sicht gibt es Veränderungen – vom reinen Farbkreis haben sich viele Ampeln bereits verabschiedet und zeigen auch Pfeile oder für Fußgänger die Ampelmännchen.
Am 6. Juni 2020 lasen wir in der Wirtschaftszeitung Hospodárske noviny: „Grün, Orange und Rot. Auf diese Weise ‚malten‘ die Tschechen eine Karte der Europäischen Union entsprechend der epidemiologischen Situation in einzelnen Ländern. Beispielsweise zeigt die grüne Farbe sichere Zustände an, in die Personen ohne Dokumente reisen und zurückkehren können.“
Inzwischen sind diese „Corona-Ampeln“ Standard und wir verfolgen diese täglich. Seit wann aber gibt es Ampeln?
London oder Cleveland?
Als Vorläufer heutiger Lichtsignalanlagen ist das zu bezeichnen, was am 10. Dezember 1868 in London in der Nähe des Parlamentsgebäudes aufgestellt wurde. Es handelte sich um zwei Gaslampen, von denen entweder die rot oder die grün leuchtende zu sehen war.
Eine Gasexplosion, bei welcher der die Anlage bedienende Polizist verletzt wurde, beendete das Schicksal dieser Anlage. Mit der Elektrifizierung kamen bessere Ideen aus den USA. Fast zeitlich parallel gab es mehrere Lösungen, deren Erfinder sich darum stritten, erster gewesen zu sein. Von diesen sind für die Karpatendeutschen die aus Cleveland, Ohio, stammenden interessant. In Cleveland siedelten sich Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts viele Auswanderer aus der Zips und deren Umgebung an.
Erst nur STOP und MOVE
In Cleveland wurde am 5. August 1914 das von einem James Hodge im Jahr 1913 als Patent angemeldete und 1918 bestätigte „Municipal Traffic Control System“ an einer damals berühmten Kreuzung (105. und Euklid Str.) in Betrieb genommen. Die Erfindung unterschied nur zwischen STOP und MOVE, Anhalten und Fahren.
Es dauerte bis 1922, als Garrett Morgan, ebenfalls aus Cleveland, die Farben Rot und Grün verwendete. Er hatte auch die Idee für eine „Warnposition“, also ein Zeichen für das spätere Gelb. Das Gelb setzte sich erst etwa ab Anfang 1950 vollständig durch.
Die Polizei regelt den Verkehr
Während in Paris bereits 1922 die ersten Ampeln aufgestellt wurden, kamen sie erst 1924 nach Berlin. Die Ampeln wurden lange Zeit von Polizisten, die an den Kreuzungen standen, geschaltet.
Auch heute ist das aische Schalten der Ampeln unter Berücksichtigung des aktuellen Verkehrsflusses weit davon entfernt, Standard zu sein.
Ampelmänner und -frauen
Ampeln für den Straßenverkehr müssen gut erkennbar sein. Für sie kommt nicht in Frage, was in vielen Orten in der ganzen Welt heute bei Fußgängerampeln üblich ist: Statt des einfachen farbigen Lichtkreises werden „Ampelmännchen“ verwendet. Anfangs waren es Schablonen, sie werden inzwischen von LED-Pixeln abgelöst.
Es gibt aber nicht nur männliche Figuren. Neben diesen finden wir inzwischen auch Frauen und Pärchen verschiedenen oder gleichen Geschlechts.
Ost- und West-Ampelmann
In Deutschland gibt es 30 Jahre nach der Einheit noch keine „Wiedervereinigung“ der Ampelmänner, die zuvor im westlichen und östlichen Teil zu sehen waren. Jede Seite hat den eigenen Ampelmann liebgewonnen und verwendet ihn weiter.
Stadtwerbung mit Ampelmann
In der Gestaltung der Ampeln sehen viele Städte eine gute Möglichkeit der Werbung. Das, was auf den Ampeln zu sehen ist, kann man ja auch als Anstecker, Aufnäher, auf Tassen, Gläsern usw. verkaufen. Den Möglichkeiten sind daher kaum Grenzen gesetzt.
So zeigt Emden im Norden Deutschlands seinen Sohn Otto Waalkes. Auf Hamelns Ampeln finden wir den Rattenfänger, die Sagengestalt, die die Stadt weltbekannt machte. Trier zeigt Karl Marx als Ampelmann, Bremen die Stadtmusikanten, Augsburg das Kasperle.
Um Elvis Presley bemühen sich gleich zwei Orte in Hessen: Friedberg und Bad Nauheim. Elvis Presley war als Soldat in dem Kasernengelände „Ray Barracks“ stationiert. Im benachbarten Bad Nauheim findet jährlich das European-Elvis-Festival statt, das so sein Elvis-Ampelmännchen begründet.
Straftat statt Kunstwerk
Wer eigene Ideen für Ampelmännchen hat, sollte es nicht so machen wie Roman Tyc. Dieser Künstler tauschte 2007 an 50 Prager Ampeln die offiziellen Ampelmännchen gegen lustige, aber auch teilweise vulgäre eigene Schöpfungen aus. Ein Gericht verurteilte ihn zu einer Strafe von 60.000 Kronen. Da er die nicht bezahlen wollte, musste er für einen Monat ins Gefängnis.
Dr. Heinz Schleusener