Der Rebellen-General aus Preßburg?
Am 1. April dieses Jahres erreichte mich die Nachricht über die geplante Auflösung des Grabes von Gustav Adolf Hoffmann in Neu Braunfels in Texas. Dies solle als Aufarbeitung der rassistischen Vergangenheit der Südstaaten geschehen. Wer war aber Gustav Adolf Hoffmann eigentlich?
Als ich im Jahr 2014 in der Geschichte von Texas stöberte, stieß ich auf den Namen Gustav Adolf Hoffmann. Da dies der Name meines Opapas war, stutzte ich. So fing die Suche nach diesem Namen und dessen Träger an. Er gehörte nicht zu den Rebellen und Gründern von Texas, aber ein Rebell war er dennoch!
Gustav Adolf Hoffmann wurde am 17. November 1817 geboren. Einige Quellen verweisen auf eine kleine Stadt östlich von Wien im Kaisertum Österreich. Könnte es Preßburg sein?
Im Verzeichnis der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt gibt es Dokumente, die einen Gustav Adolf Hoffmann mit oben genanntem Geburtsdatum von Preßburg bezeugen, der als Kadett und Anwärter zum Berufsoffizier aufgenommen wurde und als Leutnant der Kavallerie hier sein Studium beendete. Die Datierung des Abschlusses ist nicht eruierbar, aber es könnte sich um das Jahr 1836 oder 1838 handeln. Die weitere Laufbahn von Gustav Adolf Hoffmann in der Kaiserlichen Armee ist nicht bekannt und belegbar.
Im Jahr 1844 emigrierte er nach Amerika und ließ sich in Neu Braunfels, einer neu gegründeten Siedlung im südwestlichen Texas, als Farmer nieder. Als Freiwilliger stieß er zur Beobachtungsarmee des US-Generals Zachary Taylor in Fort Brown im Krieg gegen Mexiko (25. April 1946 bis 2. Februar 1848). Im Rang eines Leutnants befehligte er eine Gruppe freiwilliger berittener Schützen und soll sich an den Schlachten von Palo Alto (8. Mai 1846) und Resaca de la Palma (9. Mai 1846), die die US-Armee siegreich erfocht, beteiligt haben. Dabei soll er eine der Kanonen der Mexikaner erbeutet haben und wurde im Armeebefehl aufgeführt. Zusammen mit seinen Kollegen, Leutnant Ulysses Simpson Grant, dem späteren General und 18. Präsidenten der USA, begleitete er später Vorratstransporte über den Rio Grande beim Vormarsch auf Monterrey und wurde durch etliche kühne Aktionen gegen mexikanische Banditen bekannt. Weiters nahm er an der Belagerung und dem Einnehmen von Monterrey (21. bis 24. September 1946) teil, wobei es ihm gelang, ein Pulvermagazin der Mexikaner zu sprengen.
Im Juni 1847 wurde er in Neu Braunfels zum ersten Bürgermeister gewählt. Dabei entledigte er sich im siegreichen Messerkampf eines der Gegenkandidaten, der ihn tätlich angriff. Schon ein Jahr später resignierte er von seinem Amt und kehrte über New York und Triest in seine Heimat zurück.
Er soll an der Niederschlagung der Magyarischen Revolution 1848/1849 beteiligt gewesen sein. Im ehemaligen Kaiserlichen Armeearchiv in Wien gibt es Unterlagen über einen Gustav Adolf Hoffmann, der als Rittmeister und Kommandant einer Husarenkompanie Aufklärungsritte in Westungarn an der Grenze zur Steiermark unternahm. Bei einer dieser Erkundungen wurde er von sechs ungarischen aufständischen Lanzenreitern gestellt, konnte sich aber durch geschicktes Handhaben zweier amerikanischer Drehpistolen der Gefangennahme entziehen.
Nach der Rückkehr nach Texas im Jahr 1850 fand er seine Besitzungen von räuberischen Komantschen in Schutt und Asche gelegt. Mit einigen Mitbürgern und Texas Rangern unternahm er Strafexpeditionen gegen die Täter und die mit ihnen verbündeten Chickasaw. Dann gründete und bewirtschaftete er bei Neu Braunfels eine neue Farm, die er zur Plantage ausbaute und Rinder- und Sklavenhandel betrieb. Insgesamt soll er 1860 mehr als 800 schwarze Sklaven besessen haben. Er war auch Mitgründer der ersten Protestantischen Kirche in Neu Braunfels.
Anfang des Bürgerkrieges (12. April 1861 bis 9. April 1865) rüstete und bewaffnete er die Freiwilligen des Comal County. Jeder bekam einen Sattel, Ausrüstung, einen Karabiner und zwei Revolver samt Munition, was Gustav Adolf Hoffmann um die 5000 Dollar kostete – damals eine stolze Summe. Die Kompanie des Comal County bildete Gustav Adolf Hoffmann an den Ufern des San Marcos River aus. Das Training brachte gute Ergebnisse. Nach einer Inspektion des kommandierenden Offiziers, Brigade-General Earl Van Dorn, und des Gouverneurs von Texas, Edward Clark, wurde seine Einheit als vorzüglich ausgebildet, diszipliniert und militärisch gedrillt bewertet, wie die Deutsche Zeitung am 12. Juli 1861 schreibt.
Mit seiner Einheit schloss er sich in West Texas der konföderierten Brigade des Generals Henry Hopkins Sibley an. Diese wurde von Freiwilligen des Staates Texas gebildet. In der Aufstellung der Truppe wird die B-Kompanie unter Captain Gustav Adolf Hoffmann als Teil des vorgeschobenen Bataillons unter Lieutenant Colonel John Sutton aufgeführt.
Nach dem Training der zusammengewürfelten Truppe in San Antonio stieß diese im Oktober 1861 nach Fort Bliss bei El Passo del Norte an der mexikanischen Grenze vor. Anfang Februar 1862 bewegte sich die Brigade nach Fort Craigh, das von Unionstruppen besetzt war. Dabei kam es zur Schlacht bei Valverde (20. und 21. Februar 1862), die Oberst Thomas Green, Kommandant des 5. Regiments, erfolgreich focht. Gustav Adolf Hoffmann konnte in der Hitze der Schlacht eine der 12-Pfund-Napoleonkanonen der Unionstruppen erbeuten, die später in die Geschützgruppe Valverde eingegliedert wurde und noch so manche Schlacht im Krieg focht. Er nahm auch an der Besetzung von Albuquerque und Santa Fe teil. Im letzteren Falle konnte er aber nicht verhindern, dass die Unionstruppen ihr Depot sprengten und in Brand setzten.
Nach der verlorenen Schlacht im Apache Canyon (26. März 1862) und dem Sieg in der Schlacht am Glorieta-Pass (28. März 1862) musste aber Sibley gänzlich ohne Proviant und fast ohne Munition den Rückzug antreten. Hauptmann Gustav Adolf Hoffmann deckte im April 1862 mit seiner Einheit den strategischen Rückzug der Konföderierten bis nach Fort Bliss und focht dabei kühn im Gefecht bei Perallta.
Nach dem New Mexiko-Feldzug musste er eine Malariaerkrankung ausheilen und widmete sich der Aufstellung weiterer Einheiten in Texas. Er kämpfte bei Galveston und in Louisiana und gegen die Unionstruppen, die Shreveport bedrohten. Er beteiligte sich im Rang eines Majors an der Schlacht bei Fort Butler (28. Juni 1863) in Louisiana unter Brigade-General Thomas Green beim Rückzug der Unionstruppen im Gebiet des Red River. Dabei erlitt er eine schwere Verwundung. Am 14. April 1864 wurde er in den Rang eines Oberstleutnants befördert und zum Kommandanten der Seventh Texas Cavalry ernannt, die zur First Cavalry Brigade des Generals Green gehörte. Er kapitulierte im Rang eines Brigadegenerals am 11. September 1865.
Danach wurde er vom Khediven von Ägypten als Berater für Kavalleriefragen angeheuert und verließ texanisches Gebiet. Als er über Bordeaux, Paris, München und Wien nach Preßburg kam, wurde seine Weiterreise nach Kairo durch den Ausbruch des Österreich-Preußischen Krieges (14. Juni – 23. August 1866) verhindert. Sofort bot er seine Erfahrungen dem Preßburger Stadtkommandanten an und wurde als Rittmeister der Reserve mobilisiert und mit der Aufstellung einer Dragonerkompanie beauftragt, die mit weiteren Verstärkungen zur Nordarmee stoßen sollte. Bei Königrätz wurde er mit der Beobachtung des preußischen Vormarsches beauftragt. Am 8. Juli deckte er den Rückzug der Österreicher nach Olmütz. Am 12. Juli traf der Erzherzog Albrecht, der unbedingten Widerstand verlangte und dazu die Verteidigung Wiens und der Donaulinie forcierte, in Wien ein. Er setzte Benedeks Abmarsch von Olmütz durch und zog auch das Kavalleriekorps über die Donau zurück. Da Gustav Adolf Hoffmann mit seinen Männern aber in Scharmützel mit aufklärenden Husareneinheiten der Preußen stand, konnte er dieses Manöver nicht ausführen. So musste er über die Weißen Karpaten nach Trentschin ausweichen und über Tyrnau nach Preßburg gelangen.
Nördlich der Donau verblieb nur eine schwache Nachhut. Sie sollte beim Anrücken der Preußen auf die nördlich von Wien in Bau befindlichen Stellungen – die Floridsdorfer Schanzen – ausweichen. Eine Brigade des 10. Korps wurde am 17. Juli nach Blumenau/Lamač entsendet, um dort den gegen Preßburg vordringenden Preußen aufzuhalten. Zu dieser Brigade stieß Gustav Adolf Hoffmann.
Die Lage der Österreicher war nicht aussichtslos. Sie musste sich verbessern, wenn die Kräfte der Nordarmee rechtzeitig Wien erreichten. Am 18. Juli waren die Vorhuten der Preußen etwa 40 Kilometer vor Preßburg. Noch am 21. Juli waren zur Behauptung dieses wichtigen Punktes nur zwei österreichische Brigaden verfügbar. Erst in der Nacht und am Morgen des folgenden Tages wurden mit Hilfe von Bauernfuhrwerken und der Pferdeeisenbahn die Truppen eines Korps herangebracht. An demselben Tag hatten zwei preußische Divisionen bei Marchegg die March überschritten, waren bis Stampfen vorgedrungen und hatten den Pass von Blumenau erkundet. Für den nächsten Tag war der Angriff befohlen. Die Österreicher standen in einer sehr starken Stellung, die sich an die schroffen Berghänge anlehnte. Da ein frontaler Angriff nur geringen Erfolg zeigte, wurde eine preußische Division zur Umgehung angesetzt. Erste Husareneinheiten der preußischen Vorhut erreichten den Gämsenberg über Preßburg. Hier stellten sich ihnen Dragoner der Einheit Gustav Adolf Hoffmanns entgegen und gegen Mittag erfochten sie das letzte Scharmützel des Krieges. Noch bevor dieses beendet werden konnte, traf die Nachricht vom Abschluss einer befristeten Waffenruhe ein. Am 23. August wurde der Friede in Prag unterzeichnet.
Irrtümlicherweise wurde angenommen, dass Rittmeister Gustav Adolf Hoffmann am Gämsenberg gefallen ist. Der Wahrheit näher kommt die Behauptung eines der amerikanischen Freunde Gustav Adolf Hoffmanns in Neu Braunfels, dass er sich nach der Schlacht mit seinen preußischen Gegnern im Wirtshaus von Blumenau „volllaufen“ ließ und dabei seine Dokumente verlor.
Ende der Sechzigerjahre kam Gustav Adolf Hoffmann nach Neu Braunfels zurück und bewirtschaftete wieder seine Besitztümer. Im Jahr 1872 wurde er in die 13. Texanische Gesetzgebungsversammlung als Repräsentant der Demokratischen Partei des County Comal gewählt. Diesmal ohne Messerkampf. Später siedelte er nach San Antonio um, wo er am 10. März 1889 verstarb. Er wurde am Friedhof in Neu Braunfels begraben.
Michael Stolár