giuanna beeli vorsitzende jugend europäischer volksgruppen

„Ein buntes Europa macht Europa aus“

Giuanna Beeli ist seit einem knappen Jahr die Präsidentin der Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV), dem Dachverband der Jugendorganisationen der Minderheitenverbände. Der organisierte sein traditionelles Herbstseminar 2018 in Bratislava/Pressburg. Bei dieser Gelegenheit trafen wir sie zu einem Gespräch.

Du gehörst der rätoromanischen Minderheit in der Schweiz an, was ist Rätoromanisch denn für eine Sprache?

Das ist eine ziemlich alte Sprache. Sie wird heute von noch geschätzt 40.000 bis 60.000 Leuten im östlichen Teil der Schweiz gesprochen. Die genaue Zahl ist nicht ermittelt. Bei der letzten Volkszählung, die im Jahr 2000 stattgefunden hat, war die Frage nach der Sprache sehr unklar. Da bei uns alle zweisprachig sind, also rätoromanisch und deutsch sprechen, und Deutsch öfter bei der Arbeit verwendet wird, haben viele „Deutsch“ geantwortet, so dass die Zahlen nicht verlässlich sind. Die Sprache ist eine lateinische Sprache und mit Italienisch, Rumänisch, Spanisch und so weiter verwandt. Sie stammt aber direkt vom Lateinischen ab.

Seit fast einem Jahr bist du JEV-Präsidentin. Was sind denn die Aufgaben dieser Organisation?

Wir organisieren pro Jahr drei bis vier Seminare. Sie sind vor allem dazu da, dass die Jugendlichen aus ganz verschiedenen Regionen Europas, die von einer nationalen, ethnischen oder linguistischen Minderheit abstammen, sich untereinander austauschen. Wir sind ein Netzwerk an Organisationen, das knapp 40 Mitgliedsorganisationen hat, die momentan vorwiegend auf Mittel- und Osteuropa verteilt sind. Bei unserem Seminar in Bratislava haben wir zum Beispiel unser Jahresprojekt vom Jahr 2018 ausgewertet und besprochen, wie wir es fortsetzen wollen.

Was ist das denn für ein Jahresprojekt?

Das Jahresprojekt heißt Minority Messengers, dabei geht es darum, dass Jugendliche bei uns Anfang des Jahres durch Trainings ausgebildet wurden, über Minderheiten zu sprechen – über ihre Minderheiten, aber auch über die Minderheiten-Situation in Europa insgesamt.

giuanna beeli jev yen herbstseminar
Bei der Eröffnung des Herbstseminars in Pressburg/Bratislava

Und was macht JEV, wenn sie nicht gerade Seminare vorbereitet?

Die Seminare sind die Seite der Arbeit, die sicherlich am sichtbarsten ist. Die JEV oder YEN (Youth of European Nationalities) besteht aus einem Board und drei Arbeitsgruppen. Das oberste Organ ist die Hauptversammlung. Das ganze Jahr über werden Projekte verfolgt. Wir planen zum Beispiel ein Minority Cook Book, also ein Kochbuch mit verschiedenen Rezepten aus den Minderheiten. Wir organisieren außerdem das ganze Jahr über Jugendaustausche im Rahmen des sogenannten YEN-Pairing.

Warum ist euch das so wichtig, die Jugendlichen von so sehr unterschiedlichen Minderheiten zusammenzubringen?

Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist es immer schön zu wissen, dass man nicht alleine ist. Als Minderheit begegnet man auch schwierigen Situationen. Die Minderheiten sind der Mehrheit gegenüber etwas Besonderes. Da fühlt man sich manchmal etwas allein und da ist der Austausch dann extrem wichtig. So sieht man dann auch, wie andere Minderheiten mit den Herausforderungen umgehen. Man kann gegenseitig voneinander lernen. Es geht allgemein darum, sich nicht abzugrenzen, sondern für die Vielfalt offen zu sein. Wir als JEV glauben, dass ein buntes Europa Europa ausmacht.

Was hast du dir denn für deine Zeit als Präsidentin vorgenommen?

Ein wichtiges Anliegen ist, dass wir uns vorgenommen haben, die Roma-Minderheit stärker in unsere Organisation einzubinden. Es ist die größte europäische Minderheit, die an sehr vielen Orten die wenigsten Rechte besitzt und unzureichend organisiert ist. Wir möchten aber nicht über die Roma reden, sondern mit ihnen sprechen und mit ihnen zusammen den Meinungsbildungsprozess mitgestalten. Jetzt haben wir vor allem Mittel- und Osteuropa in unserer Organisation vertreten, ich möchte gerne auch noch mehr Organisationen in West- und Nordeuropa ansprechen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Red

Zur Person

Giuanna Beeli hat Geschichte studiert und macht gerade eine Doktorstudium. Seit dem Gymnasium engagiert sie sich für die lokale Minderheitenorganisation der Rätoromanen in der Schweiz. Den Sprung auf die europäische Ebene hat sie vor etwas mehr als einem Jahr gemacht. Seit Anfang 2018 ist sie Präsidentin der Jugend Europäischer Volksgruppen (JEV), dem größten Netzwerk von Jugendorganisationen europäischer Minderheiten.