Wolfgang Steffanides

„Ein Kenner und ein Mitfühlender“

Genauso ist es: Als 7-Jähriger musste/durfte ich, da wieder österreichischer Staatsbürger, Südmähren zu Fuß verlassen. Drei Tage später waren meine Mutter, mein ein Jahr jüngerer Bruder und ich unversehrt in unserer Wohnung in Wien. Dazwischen war Evakuierung wegen der Bombenangriffe. Und in Wien hatten wir dann Einquartierung von Vertriebenen aus Jugoslawien: Was ich damals als Kind mitanhören musste, ist unvergessen.

Käsmark war mir damalsbald ein Begriff, da dorthin meine einzige Cousine Traute Weigel mit ihrer Mutter gekommen war; ihr Vater war bereits in Mähren verstorben. Wie es dann leichter wurde, begannen 1963 meine „Versorgungsfahrten“. Inzwischen war Traute bei einem geheimnisvollen Arbeitgeber tätig. Nach vielen Jahren erfuhr ich immerhin: in einem Forstbetrieb. Dass damit einer der damals größten Truppenübungsplätze Europas, östlich von Käsmark gelegen, gemeint war (inzwischen aufgelassen) kam erst nach der Wende heraus – durch eine westliche Veröffentlichung, die ich ihr zeigte.

Sie durfte uns zwar nach dem zweiten Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in Wien besuchen, aber ihr Chef musste für sie bürgen. Inzwischen hatte sie eine brauchbare Neubau-Eigentumswohnung, keine Anverwandten außer uns in Wien, und eine verhältnismäßig gut bezahlte Stelle als Chefbuchhalterin – nach sehr schweren Jahrzehnten endlich ein nahezu normales Leben.

Wie die Zufälle so sind, lernte ich in Wiener Alpenvereinskreisen sehr früh Dipl. Ing. Julius/Jus Gretzmacher kennen; seine Frau war gebürtig aus Brünn und dort in derselben Wandervogel-Gruppe wie meine Mutter gewesen. Jus stammte aus Hunsdorf in der Slowakei und blieb seiner Heimat immer sehr verbunden: So half er tatkräftig bei der Renovierung der historischen Evangelischen Holzkirchein Käsmark mit und erstellte unter anderem eine bis heute vielfach verwendete illustrierte Übersichts-Karte der drei deutschen Haupt-Siedlungsgebiete in der Slowakei. Sein Grab auf dem Wiener Friedhof Hietzing ziert ein Relief der Hohen Tatra.

Versorgungsfahrten in die Zips

Bei meinen Versorgungsfahrten für Traute lernte ich auch noch Prof. Alfred Grosz aus und in Käsmark kennen: gezeichnet durch Alter und Armut, aber mit den blitzenden Augen des begabten Lehrers und Bergsteigers. In einer kleinen Grünfläche nahe des Friedhofs befindet sich auch ein für die frühere Zips typisches dreisprachiges Denkmal für Prof. Grosz – deutsch, slowakisch, magyarisch. Es kam zu Urlaubswochen in der Hohen Tatra, zu Fahrten mit Freunden ins Bodwa-Tal und nach Käsmark, zu Führungen, Veranstaltungen.

Besonders vertieft wurden dann, gleich nach der Wende, die Beziehungen zu Hopgarten in der Ober-Zips. Hinweise führten zur dortigen Schule mit Kindergarten, eine der wenigen Grundschulen mit Deutsch als Minderheitensprache in der Slowakei. Die Dorf-Umgangssprache war damals in vielen Familien noch Deutsch bzw. die Mundart. Familie Recktenwald, Maria als Schulleiterin und Peter als Obmann der Ortsgruppe überzeugten durch vielfältige Tätigkeiten für Deutsch als Unterrichts- bzw. Schulsprache und Veranstaltungen im und vor dem Kulturhaus.

In dieser etwas abgelegenen Gemeinde war schon früh deutsches Kulturleben durch die Großfamilie Kozak begonnen worden, mit Besuchs-Vermittlungen sowohl von/nach Österreich als auch BRD und „DDR“. Hopgarten hat inzwischen Karriere gemacht – die 1945/46 nicht gelungene Vertreibung hat zu Fernsehberichten etc. geführt. Vor der römisch-katholischen Kirche gibt es inzwischen auch ein Denkmal für die 1946 in die Sowjetunion Deportierten. In Hopgarten lebt auch noch, in hohem Alter, jedoch geistig sehr beweglich, die Frau Zavacká, die Mutter von Maria Recktenwald, die ihre Deportationserfahrungen niedergeschrieben hat.

Erinnerungen an die Preßburger Bahn

Die Preßburger Umstände sind mir durch die „Preßburger Bahn“ als Kind schon wirklich nahe gekommen, da ich in der Nähe der damaligen Wiener Endstelle wohne. Heute ist die Strecke bekanntlich nicht mehr bis Preßburg, sondern nur mehr bis Wolfsthal/Nieder-Österreich befahrbar. In Schwechat gibt es ein entsprechendes Museum.

So hat sich im Laufe der Jahrzehnte ein dichtes Netz an Personen und Informationen ergeben, für das ich sehr dankbar bin. Deshalb bin ich auch in der Österreichischen Landsmannschaft, Wien 3. Obmann und unter anderem mit den karpatendeutschen Belangen befasst.

Dr. Wolfgang Steffanides, Wien