Backworkshop im Haus der Begegnung

„Handwerkliches Sauerteigbrot sollte schön sein, wirklich schön“

Mykola Nevrev kommt ursprünglich aus Odessa in der Ukraine und lebt seit zehn Jahren in der slowakischen Hauptstadt. Hier hat er eine Bäckerei eröffnet, wo er auch Backkurse anbietet. Einer dieser Kurse fand vor kurzem im Haus der Begegnung der Karpatendeutschen in Preßburg/Bratislava statt. Im Karpatenblatt-Interview verrät Mykola Nevrev, was ein gutes Brot ausmacht, welche Unterschiede es in der slowakischen und in der ukrainischen Brotkultur gibt und wie er zu seinem Beruf kam.

Hallo, Herr Nevrev. Vielen Dank, dass Sie Zeit für dieses Interview gefunden haben. Stellen Sie sich unseren Leserinnen und Lesern bitte kurz vor.

Guten Tag, mein Name ist Mykola Nevrev und ich bin in Odessa geboren. In der Ukraine habe ich Wirtschaftsinformatik studiert, aber nach dem Studium habe ich mich mit Fotografie beschäftigt. Nun bin ich Miteigentümer einer Bäckerei in Bratislava und auch einer Backschule, wo jeder lernen kann, Brot zu backen.

Wann sind Sie in die Slowakei gekommen und weshalb haben Sie sich für dieses Land entschieden?

Das erste Mal habe ich die Slowakei 2009 besucht. Der Zweck meiner Reise war eine Hundeschau. Ja, wirklich! Ich interessiere mich besonders für Hundeschauen. Damals hatte ich keine Ahnung, dass ich bald hier leben werde. Seit 2012 wohne ich in der Hauptstadt der Slowakei. Ich bin für ein Studium an der Kunstakademie in die Slowakei gezogen, dort habe ich Neue Medien und Fotografie studiert. Für die Slowakei habe ich mich deshalb entschlossen, weil das Land im relativen Zentrum Europas liegt und weil Slowakisch dem Ukrainischen ziemlich ähnlich ist. Außerdem ist der Lebensstandard hoch und alles kostet nicht zu viel, wie in anderen EU-Ländern und natürlich wegen des Klimas! Ich bin immer noch überzeugt, dass ich mich sehr gut entschieden habe!

Mykola Nevrev erklärt die Geheimnisse des Backens von Sauerteigbrot

Wie sind Sie dann zum Brotbacken gekommen?

Als ich das Studium an der Kunstakademie abgeschlossen hatte, habe ich mich weiter mit Food-Fotografie beschäftigt und parallel dazu habe ich Kochbücher geschrieben. In dieser Zeit habe ich eine Sache verstanden – mich fasziniert nicht nur das Kochen, sondern auch das Backen. Das Erste, was ich gebacken habe, war süßes Gebäck. Dann habe ich auf Instagram viele Beiträge über Sauerteig gefunden. Ehrlich gesagt war ich mir nicht sicher, ob ich es probieren sollte, einen Sauerteig zuzubereiten, aber letztlich habe ich mich dazu entschlossen. Den Sauerteig, den ich damals bekommen habe, nutze ich bis heute und auf dem Workshop des Karpatendeutschen Vereins haben wir auch mit ihm gebacken – mit meinem ersten Sauerteig. 2018 habe ich mein erstes Brot gebacken, das fantastisch geschmeckt hat. 2019 besuchte ich Bologna, wo ich einen Sauerteig entdeckt habe, der Levito Madre heißt. Der italienische Sauerteig wurde aus Weizenmehl gemacht und passt natürlich wunderbar für Gebäck. Mit ihm ist mein Brot noch besser geworden und ich habe dann in einem bekannten Bratislavaer Restaurant als Chefbäcker angefangen zu arbeiten.

Sie haben in Preßburg/Bratislava die Bäckerei „The Midnight Bakery“ (Mitternachtsbäckerei) gegründet. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Bäckerei aufzumachen?

Als ich mein Arbeitsverhältnis im Restaurant „FACH“ beendet hatte, habe ich eine Online-Backschule gegründet, wo ich Schüler aus verschiedenen Ländern hatte. Trotzdem habe ich diesen lebendigen und sozialen Kontakt gebraucht und da war ein logischer Schritt in meiner Backkarriere, eine Bäckerei zu gründen.

Gutes Brot ist eine Kunst

“The Midnight Bakery” ist ein spannender Name. Wie sind Sie darauf gekommen?

Die Idee für den Namen hatte ich in Österreich, wo ich meiner Freundin mit dem Haushalt und ihren Hunden geholfen habe. Das war zur Adventszeit 2017, also zu einer Zeit, in der alle Plätzchen backen. Das habe ich auch gemacht und auf Instagram einen Beitrag mit meinen Plätzchen gepostet. Der Hashtag, den ich für meinen Post benutzt habe, lautete „Midnight Bakery“, da ich wirklich um Mitternacht mit dem Gebäck fertig war. Später habe ich noch öfter bis tief in den Abend hinein gebacken und diesen Hashtag benutzt. Dieser Hashtag hat mir dann als Name für die Bäckerei gedient. Außerdem ist das ein wirklich sehr ungewöhnlicher Name, den man sich merkt und an den man sich erinnert.

Aus meiner Sicht ist das auch ein sehr logischer Name für eine Bäckerei, weil Bäcker ja meistens gerade in der Nacht arbeiten.

Ja, aber bei uns ist das nicht der Fall – in der Midnight Bakery fangen wir um 6 Uhr mit der Arbeit an. Aber diese Frage, ob wir um Mitternacht backen, ist eine häufige Frage.

Welche typischen ukrainischen Backwaren gibt es?

In der Ukraine gibt es verschiedene Brote, worüber ich viel und lang erzählen könnte. Es ist aber eine sehr traurige Geschichte, weil 70 Jahre Kolchosenwirtschaft in der Ukraine die normale Entwicklung der Brotkultur, wie es sie in Frankreich oder in Deutschland gab, beendet haben. Eine Ausnahme stellt Paljanyzja dar. Dieses Weißbrot ist ein Unikat, was seine Form und das Rezept betrifft. Außerdem gibt es noch Roggenbrote und Brötchen, die man „Pampuschky“ nennt. Weiter ist ein süßes Gebäck mit Sauerkirschen typisch – nirgendwo in der Welt backt man etwas Ähnliches. Und dann gibt es noch die ukrainische Korowaj, die zum festlichen Gebäck gehört und die zusammen mit der Hochzeitstorte auf jeder ukrainischen Hochzeit Pflicht ist.

Die Brote sind bereit für den Backofen.

Gibt es so etwas auch bei Ihnen im Geschäft?

Ja, in der Bäckerei findet man jeden Mittwoch Paljanyzja. Das Brot schmeckt den Slowaken häufig gut. Man kann auch typisch ukrainisches Roggentoastbrot und litauisches süßes Brot kaufen.

Was sind die Unterschiede zwischen slowakischem und ukrainischem Brot?

Sowohl die Ukraine als auch die Slowakei liegen an der sogenannten Roggen-Weizen-Grenze, weshalb die Brotkultur in beiden Ländern ziemlich ähnlich ist. Der einzige Unterschied ist das in der Slowakei sehr beliebte Kümmel- und Kartoffelbrot. In der Ukraine kennt man diese Brote überhaupt nicht.

Wir haben uns im Haus der Begegnung des Karpatendeutschen Vereins getroffen, als Sie hier einen Workshop gegeben haben. Worum ging es dabei?

In diesem Workshop ging es darum, wie man zu Hause ein Sauerteigbrot backen kann. Unseren Teilnehmern habe ich das traditionelle slowakische Mischbrot mit Kümmel gezeigt, damit sie etwas mehr über die slowakische Esskultur und Gesellschaft lernen können. Meistens schmeckt den Ukrainern slowakisches Brot nicht und das hängt damit zusammen, dass die ukrainische Brotkultur keinen Kümmel oder andere Gewürze benutzt. Ehrlich gesagt, bin ich sehr froh darum, dass ich meinen Landsleuten ein slowakisches Brotrezept beibringen kann.

Zufrieden mit den Ergebnissen

Was macht ein gutes Brot für Sie aus?

Wenn wir über handwerkliches Sauerteigbrot sprechen, dann sollte ein Brot schön sein, wirklich schön, weil Brot eine Ware ist, die wir auch mit den Augen essen. Allerdings möchte ich auch betonen, dass ein Brot eine gastronomische Erfahrung ist. Ein gutes Brot bedeutet für mich, einen guten Geschmack zu haben. Das Sauerteigbrot darf ein bisschen sauer sein, aber nicht zu sauer.

Und wann haben Sie das letzte Mal Brot aus der Tiefkühltruhe gegessen?

Tatsächlich habe ich vor ein paar Tagen ein Brot aus einem Teigling gegessen. Nach einem Backworkshop bin ich mit meinen Freunden in eine Weinbar gegangen, wo ich ein Sandwich aus gewöhnlichem Toastbrot gegessen habe, und das hat mir sehr geschmeckt. Aber wenn Sie fragen, wann ich mir das letzte Mal ein Brot im Supermarkt gekauft habe, dann weiß ich leider keine Antwort, weil das wirklich schon sehr lange her ist.

Ich danke Ihnen für das angenehme Gespräch und wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg in der Zukunft!

Hanna Dubinchak