Interview mit Pfarrer Pavel Kusnir

„Ich hebe meinen Blick zu den Bergen“

Gottesdienste in deutscher Sprache sind für die Karpatendeutschen eher die Ausnahme als die Regel. Ganz oder größtenteils in Deutsch gehaltene Gottesdienste finden zum Beispiel bei den katholischen beziehungsweise ökumenischen Treffen der Karpatendeutschen in Hopgarten/Chmeľnica und Kesmark/Kežmarok statt, die in diesem Jahr am 2. bzw. 22. Juni stattfinden. Es gibt jedoch auch andere Orte, an denen der Pfarrer auf Deutsch zu den Gläubigen spricht oder sprechen kann.

Zu diesen Orten gehört das malerisch gelegene Neu Schmecks. Der Bau der evangelischen Kirche dort wurde vom Gründer des Ortes, dem Arzt Dr. Nikolaus Szontagh, initiiert und finanziert. Die Kirche, die 1887 eingeweiht wurde und sowohl von außen als auch von innen beeindruckt, zieht das ganze Jahr über Touristen und Kurgäste an. Der Pfarrer der Kirchengemeinde ist Mgr. Pavel Kušnír, eine Persönlichkeit, die über die Hohe Tatra hinaus bekannt ist. Er ist nicht nur Seelsorger, sondern auch Buchautor und regelmäßiger Autor der Zeitschrift „Evanjelický posol spod Tatier“ und spricht Deutsch. Im Februar feierte er seinen 60. Geburtstag. Zu seiner Arbeit und der deutschen Sprache führten wir mit ihm das folgende Gespräch.

Herr Kušnír, seit wie vielen Jahren sind Sie als Pfarrer in Neu Schmecks tätig?

Ich begann meine Tätigkeit in der Gemeinde Neu Schmecks am 1. August 1989, also werden es dieses Jahr 35 Jahre sein.

Seit wann besteht die evangelische Kirchengemeinde in Neu Schmecks?

Unsere Kirchengemeinde in der Hohen Tatra wurde 1950 gegründet. Insgesamt gibt es mehr als 300 Gemeinden, die in zwei Distrikten (Západný und Východný) und 14 Senioraten organisiert sind.

Warum betont die evangelische Kirche in der Slowakei (Evanjelická cirkev augsburského vyznania na Slovensku, ECAV) das Augsburger Bekenntnis als eine ihrer Grundlagen?

Das Augsburger Bekenntnis basiert direkt auf dem Wort Gottes. Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass die Gedanken der Reformation, insbesondere in den mehrheitlich deutschsprachigen Städten der heutigen Slowakei, großen Zuspruch fanden. Mit der lutherischen Bewegung, der sich viele Fürsten anschlossen, drohte ein Konflikt zwischen diesen und dem Kaiser. Auf dem Reichstag zu Augsburg im Jahre 1530 präsentierte Philipp Melanchthon dem Kaiser Karl V. die von Martin Luther und ihm erarbeitete reformatorische Lehre. Im Dokument mit der Bezeichnung „Augsburger Bekenntnis“ bekennen sich die Protestanten zu ihrem Glauben und belegen, dass dieser im Einklang mit der Heiligen Schrift ist. Neben dem Augsburger Bekenntnis existiert das Helvetische Bekenntnis, das auf die Schweizer Zwingli und Calvin zurückgeht. Die Unterschiede liegen vor allem im Ablauf des Gottesdienstes und in der Auffassung zum Abendmahl.

Pfarrer Pavel Kušnír erhielt 2014 den Dr. Szontagh-Preis
Pfarrer Pavel Kušnír erhielt 2014 den Dr. Szontagh-Preis

Welche Rolle spielt heute die Erinnerung an Dr. Szontagh, den Ortsgründer und Initiator des Kirchenbaus, im Leben der Gemeinde?

Wir sprechen viel über Dr. Szontagh und halten ihn in Erinnerung. Während des Sozialismus stand er auf der Verbotsliste. In den Kurhotels der Hohen Tatra halten wir regelmäßig Vorträge und machen so sein Erbe bei den Gästen und Patienten bekannt und vertiefen es bei unseren Mitgliedern. Seine Lebensgeschichte ist sehr motivierend im Hinblick auf die Überwindung von Hindernissen. Und davon gibt es in unserem heutigen Leben nicht wenige.

Was ist das Besondere der Arbeit an einem Ort mit direktem Blick zu den Gipfeln der Hohen Tatra?

Ich beantworte diese Frage mit einem Zitat von Janko Silan, einem katholischen Priester und Dichter aus Ždiar: „Die Tatra hat mich gelehrt, nach oben zu schauen.“ Für mich ist dieser Blick ein tägliches Geschenk. Ich kann mir ein Leben im Flachland gar nicht vorstellen und verliere dort schnell die Orientierung. Dafür brauche ich die Berge und den Blick darauf.

Das 2021 erschienene Buch „Ich erhebe meinen Blick zu den Bergen“
Das 2021 erschienene Buch „Ich erhebe meinen Blick zu den Bergen“

Hat Sie dieser tägliche Blick animiert, das Buch „Pozdvihujem oči k vrchom“ (Ich hebe meinen Blick zu den Bergen) zu schreiben?

Der Buchtitel ist ein Zitat aus Psalm 121 und ist seit Beginn meiner Tätigkeit in Neu Schmecks im Jahr 1989 ein integraler Bestandteil meines Lebens.

Finden in der Kirche in Neu Schmecks regelmäßig Gottesdienste statt?

Ja, jeden Sonntag um 10.10 Uhr. Wie Ján Solovič in seinem Gedicht sagt: „V pohode leta, aj v závejoch zimy“. Unter der Woche gibt es auch Bibelstunden sowie Führungen durch die Kirche und die Krypta. In den Urlaubszeiten informieren wir die Hotels und Kureinrichtungen über den Gottesdienstplan und die Zeit der Kirchenführungen.

Sie beherrschen die deutsche Sprache gut. Nutzen Sie das in Ihren Gottesdiensten?

Ja, bei deutschsprachigen Besuchern. Seit Corona sind es weniger geworden. Ich begrüße sie immer und füge das deutsche Vaterunser, das Glaubensbekenntnis und zumindest ein paar Gedanken in deutscher Sprache in die Predigt ein. Wenn ich dann meinen Dank dafür ausspreche, dass sie eine ganze Stunde geblieben sind, obwohl sie kaum etwas verstanden haben, bekomme ich häufig die Antwort: „Das macht nichts! Wichtig ist, dass wir im Hause Gottes waren!“ Die deutsche Sprache brauche ich auch für den Kontakt mit den Partnergemeinden in Dresden-Cossebaude und dem niederländischen Almen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pfarrer!

Das Gespräch führte Dr. Heinz Schleusener.