Kristína Paulin: Als Balletttänzerin am Hamburg Ballett
Mit 15 in ein fremdes Land zu ziehen, um den eigenen Traum zu leben? Das heißt Mut, Selbstdisziplin, Trennung von der Familie und den Freunden. Die Schule des Lebens. Die Rede ist von Kristína Paulin, vielen noch unter ihrem Mädchennamen Borbelyová bekannt. Eine Balletttänzerin und Choreografin, die die Körperbeherrschung des Balletts mit der expressiven Kraft der Moderne verbindet.
Kristína Paulin, geboren 1991 in Preßburg/Bratislava, tanzt seit 2010 beim Hamburg Ballett John Neumeier. Sie kommt aus einer russisch-slowakischen Familie, die in der Filmbranche tätig ist. Zur Musik und Bewegung wurde Kristína von ihrer Großmutter geführt, die ihr Talent entdeckte. „Tanz war schon immer ein Teil unserer Familie, da er ein großes Juwel der russischen Kultur ist. Mein Großvater schickte mir Aufnahmen aus Moskau mit Maya Plisetskaya, einer berühmten Ballerina in Russland. Meine Großmutter sah sie live tanzen und sprach immer über das Bolschoi-Theater. Sie hatte einen großen Einfluss auf mich, weil sie mich in die Welt der russischen Kultur und Literatur einführte.“ Kristína besuchte das Tanzkonservatorium in Preßburg/Bratislava, entschied sich allerdings nach erfolgreichem Vortanzen in Moskau und in Hamburg, für die Ballettschule in Hamburg. „Aller Anfang ist schwer“, erzählt sie. Ein neues Umfeld, ein Wohnheim und eine ganz andere Arbeits- und Denkweise. Plötzlich habe sie sich unter Studenten aus aller Welt wiedergefunden: „Trotz Sprachbarriere und kultureller Vielfalt haben wir mit Unterstützung von Lehrern eine große Familie geschaffen. Wir waren vereint durch unsere Liebe zum Ballett. Letztendlich habe ich gelernt, unabhängig zu sein und mich durch das Leben zu kämpfen.“
Choreografie als tägliche Motivation
Ihre Karriere als Ballerina änderte sich rasch nach dem Ballettabend „Junge Choreografen 2016“, wo sie ihre erste Choreografie „Oratio“ uraufführte. Sie erzählt: „Als der berühmte John Neumeier auf mich zukam und sagte, ich habe Talent, wurde mir klar, dass ich eine neue Leidenschaft gefunden habe, eine neue Art, meine Gedanken, Ideen und Emotionen auszudrücken. Von diesem Moment an war Choreografie meine tägliche Motivation.“ Ihr Meisterwerk konnte man bereits in der Slowakei bewundern, da Kristína im März 2020 eine phänomenale Choreografie zu „Marina“ von Andrej Sládkovič zum 100. Jubiläum des Slowakischen Nationaltheaters inszenierte. Sie erinnert sich: „Das Stück habe ich für die herausragenden Tänzer Andrej Szabo, Klaudia Görözdös und Glen Lambrecht geschaffen. Es war mir eine große Ehre. Das Engagement der Tänzer, ihre Motivation und ihr Glaube an meine Ideen, führten zur Geburt einer schönen und emotionalen Arbeit, die die Herzen vieler Zuschauer berührte.“ Gerade das sei das Ziel, die Botschaft der Künstler: die Herzen der anderen zu berühren.
Inspiration findet Kristína in den literarischen Werken von meist russischen und deutschen Autoren oder in der griechischen Mythologie. Ihre Mutter und gleichzeitig ihre Mentorin spielt bei der Themenauswahl auch eine wichtige Rolle. Kristína glaubt, jeder Choreograf hat Vorstellungen davon, was er in seinem Stück sagen und vermitteln möchte. Ihr Ziel sei es, den Betrachter so zu beeindrucken, dass er, wenn er nach einer Vorstellung nach Hause kommt, darüber nachdenkt, was er eben gesehen hat, über den Sinn und den Gedanken dahinter: „In der heutigen Welt gibt es viel Negatives, ich finde es wichtig, Schönheit, Wärme und Freude an der Kunst zu zeigen, so dass der Betrachter seine Probleme vergessen kann.“ Die größte Inspirationsquelle ist für Kristína allerdings die Arbeit mit den Tänzern selbst.
Ballett in Zeiten von Corona
Für Kristína Paulin ist Deutschland ihr zweites Zuhause geworden, auch da sie das Gefühl hat, für ihre Arbeit geschätzt zu werden. „Es gibt hier große Liebe und Achtung vor der Kunst. Unsere Aufführungen sind immer ausverkauft, an den Feiertagen gehen die Deutschen ins Theater und pflegen, ihre Ferien und Freizeit mit Kultur zu verbringen. Sie sind offen für neue Kunstrichtungen und wollen die moderne Auffassung von Tanz und Kunst verstehen. Zu guter Letzt ist die enorme finanzielle Unterstützung für die Kunst in Deutschland bewundernswert.”
Ihre Arbeit kostet natürlich viel Zeit und sie erzählt, dass sie keine Freizeit habe. In Zeiten von Corona wurden allerdings viele Aufführungen abgesagt und sie verbrachte diese Zeit mit dem Studium an der Hochschule für darstellende Künste in Preßburg/Bratislava, das sie zurzeit extern absolviert. In der Zukunft möchte sie ein eigenes Tanzensemble gründen: „Ein eigenes Team voller kreativer Menschen zu haben, bedeutet die absolute Schaffensfreiheit und bildet den idealen Boden für die Entstehung von neuen Werken.“ Wir wünschen viel Glück!
Ľudmila Glembová
(Fotos: Juraj Žilinčár, Kiran West, Illya Zakrevsky, Pascal Schmidt)