Leben wie der Schneider im Bodensee – Redewendungen unter der Lupe
Die Sprache ist ein reiches System an Zeichen, das der Kommunikation dient. Dazu gehören auch Redewendungen. Sie verschönern unsere Ausdrucksweise, machen unsere Alltagssprache bunter und begleiten uns auf Schritt und Tritt. In dieser Serie nehmen wir die Herkunft und Bedeutung ausgewählter deutscher Redewendungen sowie mögliche Übersetzungen ins Slowakische unter die Lupe.
Wie der Schneider von Ulm sein
Ulm ist eine schöne an der Donau gelegene Universitätsstadt, die dank des höchsten Kirchturms der Welt bekannt ist. Darüber hinaus ist Ulm auch Geburtsort mehrerer bekannter Persönlichkeiten wie Albert Einstein oder die Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl. Kaum jemand weiß aber, dass aus Ulm auch ein berühmter Schneider kommt, denn eine deutsche Redewendung lautet „wie der Schneider von Ulm sein“.
Diese Redewendung geht auf den talentierten Schneider Albrecht Ludwig Berblinger zurück, der nicht nur Schneider war, sondern auch ein begeisterter Erfinder. Berblinger wurde als Erfinder bekannt, als er seinen Traum realisierte und eine Maschine baute, mit der man Flügel bekommen und die Welt von oben sehen konnte. Seine Erfindung wirbelte im ganzen Land viel Staub auf und so entschied sich 1811 der König persönlich Ulm zu besuchen. Der Besuch ging aber etwas in die Hose: Der Flugversuch vor den Augen von König Friedrich von Württemberg missglückte.
Deutschlandweit wurde Berblinger lächerlich gemacht und bis heute wird er als Witzfigur wahrgenommen, die nicht glauben wollte, dass es dem Menschen nicht möglich ist, zu fliegen. Die Bezeichnung „Schneider von Ulm“ gilt inzwischen als ein Begriff für diejenigen, die den Mund zu voll nehmen, aber im Endeffekt scheitern. Interessanterweise finden die Touristen heutzutage im Rathaus von Ulm einen Nachbau des Flugapparats von Berblinger.
Da es bei dieser Redewendung um eine kulturelle Referenz geht, die diese Redewendung darstellt, ist es nicht möglich, eine übersetzte Variante in der slowakischen Sprache oder in anderen europäischen Sprachen zu finden.
Leben wie Gott in Frankreich
Frankreich war als Heimat der berühmtesten Intellektuellen, Denker und Philosophen bekannt. Die einzigartige Geschichte, anmutige Sehenswürdigkeiten und unendliche Möglichkeiten haben aus dem Land einen traumhaften Ort gemacht, an dem viele leben wollen. Die Vorstellung, dass Frankreich ein Platz ist, wo alle auf großem Fuß leben und auch Gott selbst das Leben genießt, zeigt auch die deutsche Redewendung „wie Gott in Frankreich leben“.
Aber warum soll sich Gott gerade in Frankreich so wohl fühlen? Dafür gibt es mehrere Erklärungstheorien, die auf die Zeit vor der Französischen Revolution zurückgehen. Bis heute ist allerdings nicht ganz klar, wann die Redewendung zum ersten Mal gebraucht wurde oder in welcher Sprache sie zum ersten Mal ans Licht gekommen ist.
Eine der Theorien bezieht sich auf die sogenannte Ständeordnung, die die ganze französische Bevölkerung in drei Klassen teilte. Der erste Stand bestand aus Geistlichen. Adelige bildeten den zweiten Stand und alle übrigen Bürger gehörten zum dritten. Zwischen den Angehörigen der einzelnen Stände herrschten aber große Unterschiede. So waren beispielsweise die Angehörigen des ersten Standes nicht verpflichtet, Steuern zu zahlen und lebten dementsprechend im Wohlstand. Im Volksmund wurde dann Gott stellvertretend für die gesamte Geistlichkeit genannt. Die Ungerechtigkeit zwischen den Leuten der unterschiedlichen Stände führte dazu, dass sich die Bürger dagegen auflehnten. Sie entmachteten nicht nur den König, sondern auch die katholische Kirche. Was davon aber bis heute geblieben ist, ist die Redewendung „wie Gott in Frankreich leben“.
Diese Redewendung wird auch in anderen Sprachen verwendet, zum Beispiel sagt man auf Italienisch „vivere come Dio in Francia“, auf Französisch „vivre comme Dieu en France“ oder auf Englisch „live like God in France“. Interessanterweise findet man diese Redewendung in der slowakischen Sprache nicht – semantisch ähnlich ist „žiť si ako v bavlnke“ (leben wie in der Baumwolle) oder „žiť ako prasa v žite“ (leben wie ein Schwein im Speck).
Ein Ritt über den Bodensee
Im Laufe des Lebens trifft man Entscheidungen, die manchmal zu Schritten führen, die man im Nachhinein vielleicht nicht gemacht hätte. Erkennt man erst nach einem solchen Schritt, in welcher Gefahr man sich befunden hat, hat man laut einer deutschen Redewendung, „einen Ritt über den Bodensee“ gemacht.
Den Ursprung der Redewendung findet man in der Ballade „Der Reiter und der Bodensee“, die 1826 der deutsche Schriftsteller Gustav Schwab verfasste. Sie handelt von einem Reiter, der unabsichtlich im tiefen Winter den Bodensee mit einem Fährkahn überquerte. Der Reiter stellt erst danach fest, was ihm gelungen ist: Er hat den zugefrorenen und zugeschneiten See überquert – im Glauben, dass es sich dabei um eine baumlose und unbebaute Ebene handelt. Als aber Vorbeikommende ihn beglückwünschen, verliert der Reiter vor Schreck die Besinnung und fällt tot vom Pferd.
Da es um eine kulturelle Referenz geht, die sich auf den in Deutschland gelegenen See bezieht, ist es nicht möglich, eine entsprechende Redewendung in einer anderen Sprache zu finden.