Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz
Unser Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz/Mníšek nad Hnilcom besteht seit Juni 2000. In all den Jahren suchen wir regelmäßig interessante literarische Werke aus, die wir dann gemeinsam besprechen. Auch für unser Treffen im Oktober hatten wir gefühlvolle Gedichte, schöne Bücher und interessante Themen zusammengestellt. Unser Motto des Nachmittags lautete dieses Mal: „Lyrik für alle – mit Lutz Görner“.
Lutz Görner wurde am 1. Januar 1945 in Zwickau geboren und verstarb dort am 3. April 2024. Er war ein bekannter deutscher Rezitator, der im Fernsehen mit der 200-teiligen Serie „Lyrik für alle“ zu sehen war. Diese Sendung bot jeden Sonntagmorgen auf dem Sender 3sat eine kleine gesprochene Literaturgeschichte der Lyrik – von der Barockzeit bis in die Gegenwart.
In dieser Reihe sprach Görner unter anderem über Luise Hensel (1798–1876). Sie war die Tochter eines Berliner Pfarrers. Die religiöse Dichterin verfasste das bekannte Kindergebet „Müde bin ich, geh‘ zur Ruh’“. Clemens Brentano (1778–1842), ein führender Vertreter der Heidelberger Romantik und ebenfalls Teil der Sendung, war ihr tief verbunden. Er schrieb:
„Treu, dunkellaubige Linde,
Wenn rings die Windsbraut tobt,
Dein Säuseln lieblich linde
Den Frieden Gottes lobt.“
Ein Ausspruch Lutz Görners, der uns besonders berührt hat, lautet: „Ich hoffe, (…) ich mache Ihnen die Türen der Kirche des Gedichtes auf.“
Herbstliche Gedichte
Der Herbst ist da und aus diesem Anlass haben wir für unser Literaturkränzchen auch mehrere Gedichte zum Thema Herbst ausgewählt. Eines davon war „Herbst“ von Rainer Maria Rilke (1875-1926):
„Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmel ferne Gärten,
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in der Einsamkeit.
Wir alle fallen.
Und doch ist einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.“
Auch Ladislav Stupák (*1967) schrieb ein Gedicht, das den Titel „Herbst“ trägt:
Schön sind die Wälder im Herbst,
wenn die Blätter auf den Bäumen
schon mit Ocker gefärbt sind.
Die Sonne lacht und freut sich,
wenn die Leute die Ernte
hereingebracht haben.
Ein weiteres Thema unseres literarischen Nachmittags war der Schriftsteller Johannes Mario Simmel, geboren am 7. April 1924 in Wien und verstorben am 1. Januar 2009 in Luzern. Seine Bestsellerromane erreichten Millionen Leser und wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Mehrere wurden auch verfilmt. Wir lasen aus seinem Roman „Und Jimmy ging zum Regenbogen“ (1970), der auf wahren Begebenheiten beruht und zwischen 1934 und 1965 in einer westdeutschen Großstadt spielt. Er erzählt eine packende Geschichte von Schuld und Sühne.
Erzählungen um den Loreley-Felsen
Unsere Aufmerksamkeit galt auch den „Sagen und Märchen von der Loreley“. Seit jeher inspiriert der Loreley-Felsen mit seiner einzigartigen Landschaft Reisende aus aller Welt. Der Felsen taucht in zahlreichen Märchen, Legenden und Sagen auf. Die bekannteste Geschichte handelt von einem blonden, langhaarigen Mädchen namens Loreley, das auf dem Felsen am Rhein sitzt, ihr goldenes Haar kämmt und eine liebliche Melodie singt. Das berühmte Gedicht „Die Loreley“ von Heinrich Heine (1797–1856) aus dem Jahr 1824 greift diese Sage auf und schildert eine „schöne Jungfrau“, die auf dem Felsen sitzt und mit ihrem Gesang die Schiffer betört. Heine ließ sich dabei von der Kunstsage „Lore Lay“ inspirieren, die Clemens Brentano 1801 verfasst hatte. Heines Gedicht ist ein bedeutendes Werk der Rheinromantik.
Ein weiteres Gedicht bildete den Abschluss unseres Literaturkränzchens: Wir lasen „Magie der Farben“ von Hermann Hesse (1877–1962) – ein Gedicht, das die wunderbare Vielfalt und die magische Ausstrahlung der Farben feiert.
Ilse Stupák