Nichts ist unmöglich: Als Veganerin in der Slowakei
Ein Klischee. Und es lebt. So etwas in der Art dürften sich meine Schüler gedacht haben, als ich mich am Gymnázium Františka Švantnera in Nová Baňa/Königsberg vorstellte. Mein Name ist Helen und ich bin 18 Jahre alt. In meiner Freizeit beschäftige ich mich gerne damit, wie ich ein besserer Mensch werden kann, mache Yoga und lebe seit einiger Zeit vegan.
Bevor ich Deutschland im März verließ, stellte ich mich schon darauf ein, dass ich meinen Ernährungsstil während der sechs Monate als kulturweit-Freiwillige nicht zu 100 Prozent durchziehen können würde. Denn die Slowakei ist, ähnlich wie mein Heimatland, nicht gerade für ihre fleischlosen Spezialitäten bekannt. Trotzdem wollte ich es, so gut es gehen würde, versuchen.
Doch bereits bei meinem ersten Einkauf wurde ich positiv überrascht: Neben Obst und Gemüse gibt es im Supermarkt etwa eine Auswahl an pflanzlichen Aufstrichen und Milchsorten. Außerdem bin ich sogar auf einen Bioladen gestoßen, wo man sich das eine oder andere luxuriöse Produkt kaufen kann.
Vegetarismus oder Veganismus?
Was die Reaktionen meines Umfelds anging, sah es jedoch etwas anders aus. Obwohl ich aus Deutschland gewohnt bin, dass das Thema Veganismus manchmal auf Unverständnis stößt, ist dieser Lebensstil den meisten Menschen zumindest ein Begriff. Deswegen hat es mich etwas erstaunt, dass die Slowaken in meinem Umfeld den Unterschied zwischen Vegetarismus und Veganismus nicht kannten – was allerdings irgendwie verständlich ist, wenn man bedenkt, dass hier (zumindest in den ländlichen Regionen) der Verzicht auf Fleisch noch ein wirklich seltenes Phänomen ist.
Dem entsprechend war das Entsetzen in den Gesichtern meiner Gasteltern groß, als ich sie über meine Essgewohnheiten aufklärte – bis heute können sie sich noch immer nicht ganz erklären, wie ich überhaupt überlebe. Trotz allem steht die Gastfreundschaft an erster Stelle und es werden keine Mühen gescheut, mir dennoch regionale Spezialitäten zu servieren – nur, was soll man denn kochen, wenn neben dem Speck auch die Butter über den Halušky wegfällt?
Kompromisse und Entgegenkommen
Ich habe bisher vor allem gelernt, weniger dogmatisch an die Sache heranzugehen und jeden Versuch der Menschen, mir entgegenzukommen, anzunehmen – ob das Ergebnis zu 100 Prozent vegan ist oder auch nicht.
Wenn es in Restaurants vegane Optionen gibt, was auch auf dem Land erstaunlich oft der Fall ist, freue ich mich darüber – ansonsten gebe ich mein Bestes, indem ich etwa Pizza ohne Käse bestelle.
Und wenn das aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten einmal nicht klappt, geht die Welt davon auch nicht unter. Mein Motto ist: At least I tried.
Natürlich sieht es in den größeren Städten etwas anders aus – dank eines großen Angebots an vegetarischen und veganen Restaurants ist es in Bratislava, Nitra und Co wirklich kein Problem, sich als Veganer zurechtzufinden.
Allerdings finde ich gerade diese kleine Herausforderung interessant. Zum einen werde ich kreativer und lerne, aus den einfachsten Lebensmitteln leckere Gerichte zu zaubern. Vor allem aber regt das Thema die Menschen zum Nachdenken an, und, obwohl ich natürlich nicht den Anspruch habe, sie zu Veganern umzuerziehen, entsteht vielleicht so etwas wie ein Bewusstsein für den Fleischkonsum – und dafür, dass er nichts Selbstverständliches ist.
Helen Breunig