Samtene Revolution Wenzelsplatz

Kolumne: Schmidts Kater Lojzl

Čauky, mňauky, allerseits! Es gibt Tage, da ist etwas anders in meinem Prager Haushalt. Etwa am 28. Oktober oder am 17. November. Da weht in meinem hübschen Garten nicht wie gewohnt die große schwarz-gelbe Fahne des inzwischen auch von mir akzeptierten einzigartigen Fußballvereins Borussia Dortmund, sondern die Fahne der früheren Tschechoslowakei, heute der Tschechischen Republik.

Der Herr Schmidt lebt an die 30 Jahre in meinem Land, da muss er aisch im wahrsten Sinne des Wortes für seine zweite Heimat Flagge zeigen.

Am 17. November geht er auch immer in die Národní-Straße in der Prager Neustadt. Dort legt er eine Rose nieder und denkt damit an die Studenten, die dort im Jahre 1989 von den damaligen kommunistischen „Sicherheitskräften“ zusammengeknüppelt worden waren. Wären die Studenten nicht gewesen, dann wäre auch mein Butler nicht nach Prag gezogen. Und – für mich besonders wichtig – ich hätte viele Jahre später nicht beim besten Butler der Welt meine Weltherrschaft ausüben können.

Wenn man mich gefragt hätte, wie ich es heute so finde, mein Leben – ich könnte mich nur sehr positiv äußern. Aus unerfindlichen Gründen sind die Umfrageinstitute aber noch nie auf den Trichter gekommen, mal die vierbeinigen „Lieblinge“ der Bewohner dieses Landes nach ihrer Meinung zu fragen. Solche Umfragen würden mit Sicherheit anders ausfallen, als die unter den Zweibeinern. Ich frage mich beispielsweise, wie es sein kann, dass es eine Menge von Menschen gibt, die sich ganz ernsthaft nach der Zeit unter Husák und Jakeš zurücksehnen. Bei denen muss schon eine Menge nach 1989 schief gelaufen sein. Oder das Gedächtnis dieser Leute ist sehr kurz.

Mein Butler ärgert sich noch mehr darüber, dass runde Jahrestage gern von einstigen Politikergrößen genutzt werden, um die Geschichte umzudeuten und sich selbst in schönsten Farben darzustellen. So etwa von Václav Klaus, der in einem Interview seinen Vorgänger Václav Havel und die Leute um ihn als „größte Feinde der Veränderungen“ bezeichnete. Und natürlich hatten die Dissidenten aus Sicht von Klaus keinen besonderen Anteil an der Revolution. Das muss nicht mal ich als Kater kommentieren, der diese Zeit nur aus Erzählungen seines Butlers kennt. Das ist, einfach gesagt, nur geistiger Dünnschiss.

Unklar ist mir auch, wie in der Slowakei ein Mann der Vergangenheit wie Vladimír Mečiar jetzt von seiner politischen Wiederauferstehung schwadronieren kann. Ist ihm langweilig, hat er keine Partner für eine gute Partie Schach mehr oder eine Katze, die er streicheln kann? Hatte er sich nicht mit einem beeindruckend schlechten Auftritt für immer verabschiedet?

Sanfte Revolution
Denkmal erinnert an die Sanfte Revolution in Bratislava (Foto: wikipedia/Jozef Kotulič)

Wir brauchen in der Demokratie Demokraten, wie Masaryk schon 1920 sagte. Er sprach von Demokratie, nicht von Demokratura. Na immerhin haben die slowakischen Wähler genügend Weisheit bewiesen, als sie Zuzana Čaputová zur Präsidentin wählten. Die hätten auch die Tschechen gern, keinen Zeman, der auf nationalen Populismus setzt, eine prorussische Politik verfolgt und mit staatlichen Auszeichnungen für „alte Strukturen“ die Ära von vor 1989 „begnadigt“.

Vielleicht ist es ungerecht, wenn man nach nur einer Generation Freiheit Wunderdinge erwartet. Ich bin ja, bei Lichte besehen, als Weltenbeherrscher auch nicht gerade ein glühender Anhänger der Demokratie. Bei mir wird gemacht, was ich sage. Und das soll auch gefälligst so bleiben. Čauky, mňauky!

Schmidts Kater Lojzl und sein Butler Hans-Jörg Schmidt 

Hans-Jörg Schmidts Kater Lojzl