Schwarzer Humor aus Kindermund

„Schwarzer Humor“ aus Kindermund

Wenn kleine Kinder etwas sagen, was wir Erwachsene lustig finden und wir darüber lachen, dann spricht man von Humor aus Kindermund. Dieser Humor kann aber auch schwarz, ja tiefschwarz sein. Und zum Lachen ist das dann häufig auch nicht gleich. Das musste meine Schwägerin Marianne erfahren.

Ihr noch nicht zweijähriger Sohn Ben macht sich unerlaubterweise im Elternschlafzimmer zu schaffen und schließt sich ein. Das ist leichter gesagt als getan. Denn der kleine Mann musste sich dazu auf die Zehenspitzen stellen und die Hände nach oben recken. Aber es gelingt ihm, den Schlüssel herumzudrehen. Die Folgen bemerkt er erst, als er versucht die Tür zu öffnen. Der Schreck ist groß, er schreit nach der Mutter. Sie versucht ihm von der anderen Seite der Tür, die durch eine Milchglasscheibe ein wenig durchsichtig ist, durch Anweisungen und Ratschläge dazu zu bringen, den Schlüssel in die andere Richtung zu drehen. Vergebens. Der Kleine fängt an gegen die Tür zu klopfen, zu schreien und zu weinen. Die zunächst ratlose Mutter ruft schließlich den Hausmeister, der aber auch keine Lösung hat. Der Kleine schreit und schreit unablässig. Das alles hat eine ganze Weile gedauert.

Plötzlich hört Ben auf zu weinen

Er verschwindet aus dem Blickfeld der Türscheibe. Es wird beängstigend still. Die Mutter ist tief besorgt. Nils, der um etwa vier Jahre ältere Bruder von Ben hat sich den Vorgang die ganze Zeit kommentarlos angesehen. Jetzt sagt er in die Stille hinein: „Mutter, das wäre nicht schlecht, wenn Ben tot wäre. Dann kann ich das ganze Kinderzimmer für mich haben.“

Die Mutter ist schockiert, hat aber keine Zeit für Diskussionen. In ihrer Not fällt ihr die Feuerwehr ein. Es dauert nicht lange, dann steht ein Einsatzwagen vor dem Haus, der mit angestellter Sirene und blinkendem Blaulicht angerückt ist. Nachbarn kommen heraus, Passanten und sogar Autos bleiben stehen. Nach kurzer Lagebeurteilung wird die Leiter ausgefahren und zwei Feuerwehrleute dringen über den im zweiten Stock liegenden Balkon in das Schlafzimmer ein. Dort finden sie Ben auf dem Fußboden, eingerollt, in tiefen Schlaf gesunken, erschöpft vom vielen Weinen. Der Mutter fällt ein Stein vom Herzen, die Feuerwehrleute sind zufrieden über ihre gelungene Rettungstat, und Nils muss sich – Gott sei Dank – weiter das Kinderzimmer mit seinem Bruder Ben teilen.

Text und Bild: Rudolf Göllner