Slowakische und deutsche Poesie in Flaschen
Poesie in Flaschen? So bezeichnete der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson (1850-1894) den Wein. Wie steht man in der Slowakei zu dieser Poesie und welche Rolle spielt dabei Wein aus Deutschland? Wir befragen dazu den in Pressburg/Bratislava ansässigen Weinexperten Michal Behún.
Herr Behún, wo befinden sich die wichtigsten Weinregionen der Slowakei?
Es gibt in der Slowakei mehrere bedeutende Anbaugebiete, ich möchte mit den Kleinen Karpaten (die eine sehr breite Grenze haben) beginnen. Hier sind Boden, Lage der Hänge und die Wetterbedingungen sehr gut für den Weinanbau. Ein weiteres bedeutendes Gebiet ist die Südslowakei, sie ist ein Top-Standort für die Herstellung von Rotweinen. Ein besonderes Juwel ist natürlich der slowakische Teil des Tokajer Weinanbaugebietes. Andere Weinregionen sind aus Sicht der produzierten Mengen nur marginal, aber es gibt dort einige wirklich einzigartige Weine.
Wieviel Wein wird in der Slowakei produziert?
Nach Angaben des Winzerverbandes wurden 2017 mehr als 315.000 Hektoliter hergestellt. In Deutschland waren es 8,4 Millionen Hektoliter, Weltspitze ist Italien mit 48,9 Millionen Hektoliter.
Wie ist dabei das Verhältnis von Weiß- zu Rotwein?
Derzeit beträgt das Verhältnis etwa 2/3 zu 1/3. Ich denke, durch die Klimaveränderungen wird es einen leichten Zuwachs beim Rotwein geben.
Welche Rolle spielt der Wein im Vergleich zum Bier?
Es wird mehr Bier als Wein getrunken. In der Slowakei sind es 73 Liter Bier pro Person und Jahr gegenüber 17,5 Liter Wein. In Tschechien lauten diese Zahlen 143 Liter zu 20 Liter, in Österreich 103 Liter zu 29,4 Liter und in Deutschland 104 Liter zu 25 Liter.
Gibt es Tendenzen in den Verbraucherwünschen?
Eine Vorhersage ist schwierig. Gegenwärtig werden vor allem trockene Weine nachgefragt. In den heißen Sommermonaten dieses Jahres stellten wir ein wachsendes Interesse an Weinen mit sehr geringem Restzuckergehalt (bis zu 0,1 g) oder saisonalen Angeboten von Rosé-Schaumweinen ohne Restzucker fest. Schaumweine, die nach klassischer Champagner-Methode hergestellt werden, sind heute nicht mehr nur die Getränke für besondere Anlässe.
Herr Behún, ihr Unternehmen hat sich auf den Import von Weinen aus Deutschland spezialisiert. Warum?
Ich habe mich sehr früh für Wein interessiert und war über zehn Jahre in deutschen Weinregionen tätig. Diese sind weltweit bekannt, aber kaum in der Slowakei. Deshalb gründete ich eine Firma, die sich auf die deutschen Weinregionen, Weine und Winzer und insbesondere Familiengüter, spezialisiert hat. Wir wählen Weine, die unserer Angebotsstrategie entsprechen. Deshalb auch unser Firmenname „Ausgewählte Weine“ (vyberane-vina.sk).
Hat das etwas mit der Tradition des deutschen Weinbaus zu tun?
Ja, der Weinbau hat in Deutschland eine sehr starke Tradition. Ich persönlich mag die Präzision, Liebe zum Detail und unglaubliche Belastbarkeit. Die meisten unserer Partner sind seit mehr als hundert Jahren im Geschäft, einige über mehrere Jahrhunderte und auf Weißweine spezialisiert. Diese Winzer bieten ihre Weine ausschließlich einer privaten Kundschaft an, und das ist unsere Aufgabe auch hier in der Slowakei. Die Weine stammen aus kleinen Produktionen, bei denen der Winzer jeden einzelnen seiner Weine vom Winterschnitt bis zum Endprodukt kennt. Ich halte das für sehr wichtig, wenn nicht für entscheidend. Wein ist ein Spiegel des Landes, des Winzers und des Weinbergs. Deutsche Weine sind rein und klar, mit genau angegebenem Geburtsort. Die Weißweine haben einen Glanz, sind charmant, erfrischend und so sehr trinkbar.
Welche deutschen Weine stehen im Vordergrund?
Es sind Weine aus der Moselregion, dem Rheingau, Franken und dem Weinbaugebiet Ahr, besonders gefragt sind Riesling, Silvaner, Spätburgunder und Riesling-Sekt.
Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Weinbau in der Slowakei und Deutschland?
Zwischen dem slowakischen und deutschen Weinbau besteht eine historisch enge Verbindung. Zum Beispiel wurden die bedeutenden Winzerstädte und -dörfer in den Kleinen Karpaten von deutschen Winzern gebildet. Sie sind eine Kopie der traditionellen deutschen Weinstädte. Die meisten Weinberge um Svätý Jur/St. Georgen sind im Grundbuch mit einem deutschen Namen eingetragen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Behún!
Dr. Heinz Schleusener