So feierte man Weihnachten in Neuhau
Mit dem Weihnachtsfest sind viele Sitten und Bräuche verbunden. In Neuhau im Hauerland hatte man beispielsweise mehrere Wege, um an diesem Tag die Zukunft vorauszusagen. Außerdem gab es natürlich am Heiligabend ein Festmahl aus allerlei Leckereien.
An Heiligabend stand der Christbaum geschmückt in einer Ecke des Zimmers. Mit Liebe und Sorgfalt war der Christbaumschmuck angebracht worden. Unter den Baum hatte man viel Obst gelegt, zuletzt war der ganze Baum mit „Engelshaar“ überzogen worden. Zwischen 6 und 7 Uhr abends, gleich nachdem der Familienvater draußen den „Schuss“ abgegeben hatte, setzte sich die ganze Familie zum festlich geschmückten Tisch. Was stand nicht alles auf dem Tisch!
Von jeder Getreide- und Obstsorte etwas, dazu Brot, Kuchen, Fleisch, Eier usw. denn im Volksglauben hieß es, dass dann von allem im nächsten Jahr reichlich vorhanden sein würde. Bevor man aß, betete die ganze Familie vor dem in hellem Kerzenglanz erstrahlenden Christbaum und der davor aufgestellten Krippe. Nun vergaß aber auch keiner, schnell einige Geldscheine oder Münzen unter das Tischtuch zu legen, auf dass selbige im nächsten Jahr nicht ausgingen.
Köstlichkeiten als Festmahl
Begonnen wurde das Essen mit den „Ublatne“. Das waren aus einem Weizenteig sehr dünn gebackene, handtellergroße Oblaten, auf die man reichlich Honig strich. Dann kamen die „Ströza“ an die Reihe, wobei einer je nach Geschmack „Moh- oder Käs-Ströza“ haben konnte. Zubereitet wurden sie in der Form, dass man einen der Familienzahl entsprechenden großen Hefeteig machte, diesen in Strickform auswalgte und hiervon Stückchen in der Größe eines Fingergliedes abschnitt. Diese Stückchen kamen dann in den Backofen und wurden leicht braun gebacken. Kurz vor dem Essen wurden die Käsestriezeln mit heißer Milch und brauner Butter übergossen und mit Quark vermischt auf den Tisch gebracht.
Bei den Mohnstriezeln wurde anstelle von Milch heißes Zuckerwasser genommen und später mit gemahlenem Mohn vermischt aufgetragen. Richtig zubereitet waren sie ein köstliches Gericht. Da man an diesem Tag kein Fleisch oder höchstens nur Fisch essen durfte, wurde die Mahlzeit mit Kuchen und Obst fortgesetzt. Verschiedentlich wurden auch „Russele“ (kleine, saure Fische) gegessen. Zwischendurch trank man natürlich Schnaps und Wein getrunken.
Bevor man jedoch den ersten Apfel aß, wurde dieser in so viele Teile zerschnitten wie Angehörige am Tisch saßen und jeder bekam ein Stück davon. Das sollte heißen, dass man im nächsten Jahr aufeinander angewiesen sein werde und deshalb einander nicht vergessen dürfe. Wer beim Schneiden des Obstes einen Kern zerschnitt, von dem hieß es, er werde als Erster in der Familie sterben.
Das Heiratsorakel
Am Heiligen Abend wollten besonders die heiratsfähigen und heiratslustigen Mädchen gern in die Zukunft schauen. Sie nahmen dazu den eigenen Honiglöffel und klopften damit dem Nachbarn ans Fenster, aber so, dass es drinnen nicht gehört wurde. Wurde nun im Laufe der drinnen geführten Unterhaltung zuerst ein „Ja“ gesagt, so wusste das Mädchen, dass es noch im nächsten Jahr heiraten werde. Fiel aber zuerst ein „Nein“ so konnte sie damit noch nicht rechnen.
Nach dem Essen vergaß der Familienvater oder die Mutter niemals, mit Brot, dem besonders hierfür gebackenen „Ströza“ und einem Stück Knoblauch sowie Küchenresten vom Tisch in den Stall zu gehen, um dem Vieh davon zu geben. Das sollte Glück in der Viehzucht bringen.
Das „Beihnochtnegepröck“ (Kuchen und Brotkrumen) sowie Obst und Nussschalen durften während der Weihnachtstage nicht vom Tisch gefegt werden, um das Glück nicht wegzufegen, sondern es wurde nach den Feiertagen gesammelt, getrocknet und als Räucherheilmittel für verschiedene Krankheiten verwendet.
Zur Christmette in die Kirche
Mit Erzählungen wartete man die Christmette ab, die von allen Familienangehörigen besucht wurde. Während des Heimganges von der Kirche feuerten junge Burschen laufend Gewehr- und Böllerschüsse ab. War man daheim angelangt, musste zuerst ein männliches Familienmitglied das Haus betreten; wenn eine Frau zuerst ins Haus gegangen wäre, hätte dies für das Haus Unglück bedeutet. Zu beachten war auch, dass noch vor dem Heiligen Abend alle Gegenstände, die man ausgeliehen hatte, wieder ins Haus kamen und während der Feiertage im Haus blieben, damit auch das Glück im Hause bliebe.
Früher gingen die Burschen des Ortes am zweiten Weihnachtsfeiertag von Haus zu Haus singen. Sie bildeten einen Kreis, schlugen mit den mitgebrachten Birkenruten leicht auf den Boden und besangen die Geburt Christi:
„Lobet Gott, ihr Christen allzugleich,
der heut uns aufschließt das Himmelreich
und schenkt uns einen Sohn,
und schenkt uns einen Sohn.“
Bei dieser Gelegenheit wurden auch die weiblichen Bewohner des Hauses gewissermaßen „angesungen“, wobei man sich eines ähnlichen Textes bediente wie in Drexlerhau:
„Es´lein, Berg und Ringelein, wir wissen ein schönes Jungfräulein,
ihr Name ist uns wohl bekannt: Jungfrau… wird sie genannt.
Was blühen auf ihrem Wängelein für zwei rote Röselein?
Was glänzt aus ihren Äugelein für zwei schöne Sternelein?
Was sitzen auf ihrem Häuptlein für zwei schöne Täubelein?“
(aus „Unser Neuhau“, zusammengestellt von J. Lasslob, 1954)