Übersetzerin Linda Magáthová: „Jedes Buch stellt eine Herausforderung dar“
Letztes Jahr ist es ihr gelungen, einen der berühmtesten Klassiker der deutschen Literatur zu übersetzen: „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe. Die slowakische Übersetzerin Linda Magáthová verrät, wie die Übersetzung entstanden ist und womit ein*e Übersetzer*in sich heutzutage konfrontiert sieht.
Wie ist Ihr Weg zur deutschen Sprache gewesen?
Deutsch habe ich angefangen schon im Kindergarten zu lernen und seitdem hat mich die Sprache in der Grundschule und später auch am Gymnasium begleitet. Am Gymnasium in Neutra/Nitra habe ich eine auf Fremdsprachen ausgerichtete Klasse besucht, im Rahmen des Studiums hatten wir die Möglichkeit, die Prüfung zum Zertifikat „Deutsches Sprachdiplom“ zu bestehen. Und Deutsch habe ich auch in meiner Freizeit verwendet – damals habe ich ganz viel von deutschsprachigen Musiksendern und vom Chatten mit meinen Gleichaltrigen aus Deutschland gelernt.
Warum haben Sie sich gerade für das Studium des Dolmetschens und Übersetzens entschieden?
Eigentlich wollte ich lange etwas mit Naturwissenschaften machen – Biologie, Zoologie oder Ökologie. Später interessierte ich mich für Psychologie. Aber während eines internationalen Schulprojektes in Deutschland wurde mir klar, wie spannend es ist, sich mit Menschen aus einer anderen Kultur unterhalten, andere Länder und andere Sitten kennenlernen zu können. Und es gefiel mir, dass man als Übersetzer oder Dolmetscher die Kommunikation zwischen Menschen aus anderen Kulturkreisen vermitteln kann und dabei ständig mit neuen Themen aus den verschiedensten Bereichen zu tun hat. Ich habe mich dann für das Studium der Germanistik entschieden. Deutsch war eine klare Wahl, ich musste nur eine weitere Sprache dazunehmen – und da habe ich mich für Englisch entschlossen, obwohl ich auch über Polnisch nachgedacht hatte. Polnisch habe ich später auch dazugelernt, auch wenn ich damit nicht so oft arbeite.
Sie haben es bisher geschafft, mehrere Buchtitel zu übersetzen – von Kinderbüchern bis zu Belletristik und populärwissenschaftlicher Literatur. Welche Übersetzung ist für Sie persönlich Ihr Lieblingswerk?
Mein Lieblingsbuch von all den, an denen ich bisher arbeiten durfte, ist eigentlich eine ganze Buchreihe. In der Slowakei ist sie vielleicht nicht so bekannt, es handelt sich auch um ein älteres Werk, aber ich habe dabei von meinen erfahrenen Kolleginnen ganz viel gelernt, wofür ich bis heute dankbar bin, und die Story und der Stil des Autors sind ausgezeichnet. Es geht um die Fantasy-Serie „Die Chroniken von Amber“ (The Chronicles of Amber) von dem amerikanischen Autor Roger Zelazny. Außerdem mag ich auch die zwei Star Wars-Geschichten, die ich auch übersetzt habe. Von den Büchern, die ich aus dem Deutschen übersetzt habe, auf jeden Fall „Die Leiden des jungen Werther“, da ich bis heute kaum glauben kann, dass ich das tatsächlich geschafft habe.
Sie übersetzen nicht nur Bücher, sondern auch Fachtexte. Wie unterscheidet sich die Übersetzung eines Buches von der Übersetzung fachlicher Texte?
Ich arbeite vor allem an Texten aus den Bereichen Automotive, Technik oder Logistik, dabei bin ich auch als Dolmetscherin tätig. Im Laufe meiner Tätigkeit habe ich den notwendigen Wortschatz gesammelt und da die Texte in einem ähnlichen Stil geschrieben werden, geht es schon schneller. Normalerweise sind die Ausgangstexte auch kürzer, was bedeutet, dass man schneller mit einem Auftrag fertig ist und zu einem anderen Text oder Thema übergehen kann, was für eine große Abwechslung sorgt. Mit der Übersetzung eines Buches hingegen verbringt man eine längere Zeit. Meistens dauert es auch ein paar Seiten, bis man die passende Art und Weise findet, wie man den Stil des Autors am besten ins Slowakische überträgt. Leider ist der größte Unterschied auch das Honorar – für einen Fachtext bekommt man bedauerlicherweise in der Regel mindestens doppelt so viel wie für eine literarische Übersetzung.
Vor etwa einem Jahr ist es Ihnen gelungen, ein einzigartiges Werk der deutschen Literatur zu übersetzen: „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe. Wie war es für Sie, diesen Klassiker der Literatur zu übersetzen?
Es war wie ein großes Abenteuer. Ich habe das Buch schon am Gymnasium mehrmals gelesen, denn zusammen mit meinen Mitschülerinnen haben wir das Werk sogar für unser Projekt für das „Deutsche Sprachdiplom“ verfilmt.
Diesmal war das eine andere Aufgabe und ich habe mich gefreut, dass ich das Buch noch einmal lesen konnte und im Rahmen der Übersetzung meine eigenen Lösungen einbringen konnte. Aber im Grunde war es, wie zu einem altbekannten Text zu kommen und ihn mit völlig neuen Augen zu sehen. Es hat mir Spaß gemacht, auch wenn ich natürlich ganz großen Respekt dem Werk gegenüber hatte.
Mit welchen Fallstricken sieht sich der Übersetzer derzeit konfrontiert?
Meiner Meinung nach bleiben die Herausforderungen immer die gleichen – wir müssen uns mit vielen neuen Bereichen der menschlichen Tätigkeit auseinandersetzen. Die Welt verändert sich blitzschnell. Wir müssen uns nicht nur ständig für neue Vokabeln und Konzepte interessieren, damit wir die verschiedensten Allusionen in den Texten der Autoren entdecken, sondern uns auch mit verschiedenen Typen der Übersetzungssoftware und mit rechtlichen Bedingungen unserer Arbeit wie etwa unseren Werkverträgen und Lizenzen befassen. Das ist spannend und schwierig zugleich.
Das Gespräch führte Matej Lanča.
Im Karpatenblatt befasst er sich mit
Literatur, Sprache und Kultur,
die ihm besonders am Herzen liegen.