Übersetzerin Lucia Halová: „Sprache besteht nicht nur aus Worten“

Weltklasse-Bestseller wie Twilight oder Game of Thrones sind dank der Übersetzung von Lucia Halová auf dem slowakischen Buchmarkt gelandet. Im Karpatenblatt-Gespräch erzählt sie, wie Übersetzungen bekannter Werke entstehen und wie die Übersetzung eines unkonventionellen Buches über sexuelle Vorurteile entstand.

Zurzeit widmen Sie sich vor allem der literarischen Übersetzung. Wie ist Ihr Weg zur literarischen Übersetzung verlaufen?

Mein Weg war lang und verschlungen. Ich habe das Sprachenstudium mit der Idee begonnen, Bücher, aber auch Filme zu übersetzen. Schon während und nach dem Studium habe ich in mehreren Unternehmen gedolmetscht und Sprachen unterrichtet. Es war damals nicht einfach, ins Übersetzen einzusteigen, und es hat nirgendwohin geführt, sich als frischgebackener Absolvent an Verleger zu wenden. Dann ist aber ein slowakischer Verlag mit dem Angebot auf mich zugekommen, eine Buchprobe eines angolanischen Autors für ein Magazin zu übersetzen. Für diesen Verlag habe ich denn auch „Twilight“ übersetzt und seitdem widme ich mich voll und ganz der Buchübersetzung, lektoriere übersetzte Bücher und habe es vor ein paar Jahren sogar geschafft, mit der Übersetzung von Filmuntertiteln zu beginnen.

Sie konzentrieren sich beim Übersetzen hauptsächlich auf englische und portugiesische Literatur. Ich wage zu behaupten, dass Portugiesisch im mitteleuropäischen Raum als eher exotisch betrachtet wird. Wie sind sie zu dieser Sprache gekommen?

Als ich mich entschieden habe, Übersetzen zu studieren, musste ich eine andere Sprache wählen, um sie mit Englisch zu kombinieren, und meine Wahl fiel auf Portugiesisch – auch weil es nicht erforderlich war, die Sprache für die Zulassung zu beherrschen, sondern nur so viel wie möglich über portugiesischsprachige Länder und ihre Geschichte zu lernen. Ich freue mich immer noch über diese Wahl. Portugiesisch ist eine Weltsprache, die Europa, Südamerika und Afrika verbindet. Und aus allen Ländern, in denen sie gesprochen wird, bringt sie eine einzigartige Kultur und Weltanschauung mit.

Lucia Halová übersetzte mehrere berühmte Buchtitel ins Slowakische wie Twilight oder Game of Thrones.

Sie haben inzwischen mehr als 30 literarische Werke übersetzt. Mich persönlich hat jedoch am meisten die slowakische Übersetzung von „Dievča, žena, iné“ (in der deutschen Übersetzung „Mädchen, Frau, etc.“) der britischen Autorin Bernardine Evaristo interessiert. Dieses Werk kann als kontrovers bezeichnet werden, da die Autorin Vorstellungen über Geschlechterrollen in Frage stellt und deren Einfluss auf die Alltagssprache aufzeigt. Viele sprechen in diesem Zusammenhang von einem Toleranztest. Worin sehen Sie persönlich die Einzigartigkeit dieses Buches?

Mir hat das Buch beim ersten Lesen sehr gut gefallen. Ich war beeindruckt von dem Stil, in dem es geschrieben ist, wie die Sätze strukturiert sind, wie es manchmal Wörter in separate Zeilen trennt. Sie hat mich schon sehr tief berührt, als ob sie genau meine Denkweise getroffen hätte, als wären wir auf derselben Seite. Inhaltlich haben mich die Geschichten der einzelnen Frauen – heterosexuell, homosexuell, nicht-binär, liberal und konservativ – angesprochen. Jede hat mir etwas Neues erzählt. Manche Geschichten haben mir irgendwie die Augen geöffnet. In meiner Naivität habe ich mir vorgestellt, dass die Beziehung zwischen zwei Frauen eine Art Ideal wäre, weil man sagt, dass eine Frau am besten weiß, was eine Frau will, aber so funktioniert das natürlich nicht. Schließlich gibt es überall in der Gesellschaft Manipulations- und Machtspiele. Das Buch erschließt daher viele wichtige Themen und zeigt anschaulich, dass Diskriminierung aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht und Alter immer noch lebendig ist und nicht so einfach verschwinden wird.

Bei der Übersetzung mussten Sie sich oft mit den Fallstricken einer geschlechtsneutralen Sprache auseinandersetzen. Wie sind Sie dabei vorgegangen? Sie konnten sich ja nicht auf die „traditionellen“ Geschlechterrollen von Frau und Mann verlassen.

Es war herausfordernd. Auf Englisch klang der Text sehr natürlich, da die Sprache im Wesentlichen geschlechtsneutral ist. Auf Slowakisch hat mir meine Kollegin einen frei zugänglichen Leitfaden zur Verwendung des neutralen Pronomens empfohlen, und ich habe beschlossen, diesen Ansatz auszuprobieren.

Die Übersetzerin ist eine leidenschaftliche Leserin, die über Bücher sagt, dass sie ihr neue Welten, neue Perspektiven öffnen.

Sie haben auch die weltberühmte Buchreihe Game of Thrones ins Slowakische übersetzt. Wie verlief der Übersetzungsprozess, der trotz der Einzigartigkeit der Geschichte und ihrer Besonderheiten einige Schwierigkeiten bereiten kann?

An dieser Reihe habe ich paarweise mit mehreren Übersetzern gearbeitet, aber die meisten Bücher habe ich zusammen mit Barbora Kráľová übersetzt. Die grundlegende Terminologie habe ich mit meiner Kollegin zusammengestellt, mit der ich das erste Buch übersetzt habe. Es war eine mehrfache Herausforderung, aber eine absolut tolle Zusammenarbeit. Wir haben ein Glossar erstellt, das wir ständig ergänzt und verfeinert haben. Wir haben darin einzelne Begriffe erklärt und Fachbegriffe in Büchern zum jeweiligen Thema gesucht (mittelalterliche Waffen, Rüstungen, Kampftechniken, Ernährung, Kleidung, Dienstgrade…). Gleichzeitig haben uns viele Neuheiten erwartet, die nur für diese Welt typisch sind. Hunderte von Namen und Spitznamen, die übersetzt und dann gehütet werden mussten, damit sie überall gleich übersetzt wurden.

Sie sind auch als Redakteurin einer Zeitschrift für literarische Übersetzungen tätig. Welchen Stellenwert hat der Beruf des Übersetzers derzeit?

Übersetzer und Dolmetscher sind heute in allen Bereichen gefragt: künstlerisch, industriell oder staatlich. An manchen Orten werden sie mehr, an anderen weniger geschätzt, aber sie sind immer noch wichtig, denn Sprache besteht nicht nur aus Worten, sondern auch aus Gedanken, Bildern, versteckten Zusammenhängen, Anspielungen. Es ist wichtig, nicht nur die Ausgangssprache, also die Fremdsprache, zu verstehen, sondern auch den Inhalt in der Zielsprache, in unserem Fall Slowakisch, richtig und adäquat formulieren zu können.

Das Gespräch führte Matej Lanča.
Im Karpatenblatt befasst er sich mit
Literatur, Sprache und Kultur,

die ihm besonders am Herzen liegen