Volkstrauertag in Preßburg
Der Volkstrauertag wurde ins Leben gerufen, um an die 9,9 Millionen toten und 7,7 Millionen vermissten Soldaten sowie die mehr als 7 Millionen toten Zivilisten des Ersten Weltkrieges zu erinnern. Die erste Gedenkveranstaltung fand am 1. März 1925 statt. Der Zweite Weltkrieg forderte fast 25 Millionen tote Soldaten und mehr als 50 Millionen zivile Opfer. Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges führte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge den Volkstrauertag als Gedenktag für die Opfer von Kriegen und Gewaltherrschaft erneut ein. Diese Gedenkfeiern standen und stehen in unseren Jahresplänen als eine der wichtigsten Veranstaltungen der Ortsgruppe Preßburg/Bratislava.
Seit der Gründung des Vereins in Preßburg haben wir alljährlich im November auf Friedhöfen in Preßburg und in Österreich unserer Toten gedacht. Schon während des Aufbaus des deutschen Soldatenfriedhofs in Preßburg im Jahr 1998 versammelten wir uns hier am Sonntag, dem 1. November, zu einer Erinnerungsfeier.
Am 17. Juni 2000 wurde der Friedhof eingeweiht. Es war für uns Preßburger ein berührendes Erlebnis, das uns an die eigenen Kriegstoten erinnerte. Viele deutsche Bewohner Preßburgs wurden im Zweiten Weltkrieg von der Wehrmacht – Heer, Kriegsmarine, Luftwaffe und SS – eingezogen. Ob sie Freiwillige waren oder auf Befehl der 1939 entstandenen slowakischen Armee versetzt wurden, viele von ihnen zahlten mit ihrem Leben den höchsten Preis für den Wahnsinn machthungriger Führer.
Krieg und Gewalt
Noch vor einigen Jahren schien unsere Welt heil und friedlich. Kriege wurden weit entfernt ausgetragen, Terroranschläge waren nur unangenehme Meldungen im Fernsehen und Gewalt war lediglich ein krimineller Akt. Fehlgeschlagen!
Als ich dieses Jahr vor dem Kreuz am Rosenheimer Friedhof stand, fielen mir die Worte ein, die ich vor einigen Jahren schrieb. 2020, fand die Gedenkfeier wegen der Corona-Pandemie nur im kleinsten Rahmen statt. Mein Blick glitt über die Grabsteine. Die Zahlen bedrückten mich. Hunderte lagen da zu meinen Füßen. Es lief mir kalt den Rücken herunter. Nach so vielen Jahren des Friedens in unseren Ländern konnte ich mir die Gräuel des Sterbens an der Front nicht vorstellen. Doch dann kamen mir die Bilder aus dem Kaukasus, Syrien, Afghanistan, Jemen oder Libyen in den Sinn. Hat die Menschheit nichts gelernt? Sind wir unbelehrbar?
Am 22. Februar 2022 fielen Heeresverbände der Russischen Föderation in die Ukraine ein. Bis heute tobt der Krieg nur einige hundert Kilometer von unseren Grenzen entfernt. Man spricht von einer halben oder gar dreiviertel Million Opfern – Tote, Verwundete, Verkrüppelte. Und dann kam Gaza. Am 7. Oktober 2023 drangen Terroristen der Hamas in Israel ein und begannen zu morden. Die Rache war apokalyptisch. Feuer und Schwefel fielen vom Himmel. Bis heute starben mehr als 50.000 Menschen in diesem Konflikt. Es folgte der Libanon. Heute weiß ich es – oder glaube es zu wissen: Wir haben nichts gelernt! Wir sind unbelehrbar!
17. November 2024
Gleichschritt donnert über das Pflaster, Befehle, Gewehrkolben krachen auf den Boden. Die Ehrengarde der Preßburger Garnison nimmt Aufstellung. Blasinstrumente stimmen ein. Kränze werden vorbereitet, Gäste kommen an. Unter ihnen unser Július Bruckner, Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs und erster Kranzträger vor sechsundzwanzig Jahren. Über neunzig, gebückt, aber nicht gebrochen, zündet er Kerzen für die namenlosen Toten an.
Es erklingt ein Trompetensolo. Der Festakt beginnt. Der neue Verteidigungsattaché der Bundesrepublik Deutschland, Oberstleutnant im Generalstab Martin Wendt, begrüßt die Anwesenden, unter ihnen auch die Vertreter der deutschen Minderheit in der Slowakei.
Ein Säbel blitzt auf, ein Befehl peitscht, die Ehrenkompanie steht stramm. Die deutsche Nationalhymne erklingt „Einigkeit und Recht und Freiheit“, die slowakische Nationalhymne „Nad Tatrou sa blýska“. Kranzträger übernehmen Symbole der Dankbarkeit und des Verständnisses. Die Reihe derjenigen, die die Gefallenen und Toten ehren, schreitet vorwärts.
In vorderster Reihe, in Vertretung seiner Exzellenz, des Botschafters in der Slowakei Dr. Thomas Kurz: Botschaftsrat Dr. Michael Reuss, ständiger Vertreter der Deutschen Botschaft, und Verteidigungsattaché der Bundesrepublik Deutschland, Oberstleutnant im Generalstab, Martin Wendt. Das Verteidigungsministerium und der Generalstab der Streitkräfte der Slowakischen Republik werden durch Staatssekretär Martin Vojtašovič und Brigadegeneral Martin Stoklasa vertreten. Weitere Vertreter sind der Verteidigungsattaché der Tschechischen Republik, der Verteidigungsattaché der Republik Frankreich, Oberst Stephan Kayser, und der Verteidigungsattaché der Vereinigten Staaten von Amerika, Oberst Joshua Passer. Auch Vertreter des Karpatendeutschen Vereins und des Kriegsgräberbundes sind anwesend.
Es folgt die Ansprache des ständigen Vertreters der Deutschen Botschaft, Botschaftsrat Dr. Michael Reuss sowie des Verteidigungsattachés der Bundesrepublik Deutschland, Oberstleutnant im Generalstab Martin Wendt, beide mit dem Leitsatz: Gedenken und Ermahnen – gegen das Vergessen. Heute wichtiger denn je.
Nach der Verabschiedung erklingt das Trompetensolo mit dem alten Soldatenlied „Ich hatt’ einen Kameraden“. Still singe ich mit, so still das ich die Toten, die hier ruhen, nicht störe, und denke an die, die nicht mehr unter uns weilen.
Michael Stolár
Regionsvorsitzender Preßburg