Voll der Osten – fotografische Streifzüge durch die Geschichte
Zwei Fotografen, zwei Länder und eine gemeinsame Leidenschaft bei ähnlicher Geschichte – Geschichte, die mindestens 30 Jahre zurückgeht. Die ehemalige DDR und die Tschechoslowakei. Harald Hauswald, Juraj Bartoš und ihre unersetzlichen Einblicke durch die Linse ihrer Kamera.
Die eindrucksvolle Fotoausstellung „Totálny východ – Voll der Osten“ von diesen beiden Herren eröffnete am 17. September 2020 im Rahmen des deutschen Kulturtages die Botschafterin Deutschlands in der Slowakei, Barbara Wolf, auf dem Hviezdoslav-Platz in Preßburg/Bratislava.
Ich hatte die Möglichkeit, mir diese anzusehen, auf mich wirken zu lassen und sage nur: sehr empfehlenswert. Ich kann mir halbwegs vorstellen, was man als älterer Mensch bei der Ausstellung spüren konnte. Vielleicht hat die Ausstellung ein positive Erinnerungen hervorgerufen, vielleicht Tränen in die Augen getrieben oder auch ärgerlich gestimmt. Die Jahrgänge nach 1989 haben sie jedenfalls zum Nachdenken gebracht. 30 Jahre sind nun vergangen. Sie haben ganz Europa verändert, Mauern wurden eingerissen, Eisendrähte an den Grenzen durchschnitten und die Nationen rückten einander näher. Sicherlich zeugt auch diese Ausstellung davon. Sie ist eine Bilderreise in die ungeschminkte Realität des Lebens in der DDR und in der damaligen Tschechoslowakei.
Banale Dinge als Zeugen der Zeit
Die Künstler haben den Zeitgeist der Diktatur präzise abgebildet. Was anderen vielleicht unwichtig vorkam, war für sie von Bedeutung. Juraj Bartoš, ein 1944 geborener Preßburger, der auch persönlich an der Vernissage teilnahm, bezeichnete die Fotos zunächst als banale Dinge. Erst später habe er begriffen, dass sie zu Zeugen der Zeit geworden sind.
Die meisten Fotos scheinen eher eine positive Atmosphäre auszustrahlen. Durch sie zeigt er verschiedene Veranstaltungen und Volksfeste wie das Weinfest „Vinobranie” in Modern/Modra, Mai-Paraden oder Weihnachten. Daneben Fotos, auf denen die Menschen tanzen oder schick und modisch angezogen sind.
Er hielt allerdings auch die Menschen aus seinem Umfeld in der Orava-Region fest, wo er für eine kurze Zeit arbeitete. Die einfachen Menschen und ihr Leben in der Diktatur zeigt er bei alltäglichen Arbeiten: Einzelgänger, Familien oder Arbeitskollektive, Personen, die müde nach Hause zurückkehren oder in einer langen Reihe anstehen müssen, um Mandarinen zu bekommen.
Visuelles Inventar der DDR
Einen unverfälschten, wachen und kritischen Blick auf die Realität der DDR-Gesellschaft hielt Harald Hauswald (*1954 in Radebeul, Sachsen) aus Berlin fest, der zu den bedeutendsten Fotografen der DDR zählt. Die Ausstellungstafeln verlinken mit QR-Codes zu kurzen Videointerviews im Internet, in denen Hauswald darüber berichtet, wie und in welchem Kontext das jeweils zentrale Foto der Tafel entstanden ist. Auch in seinen Fotos stehen die Menschen im Fokus – egal ob alt, einsam, verliebt oder kämpferisch. Doch auch verfallene Fassaden sind Teil seiner Arbeit.
Die Bilder tragen zur heutigen Wahrnehmung der späten DDR bei, sie sind Zeugnisse einer abgeschotteten und eingeschlossenen Welt kurz vor ihrem Untergang. Sie werden als „eine Art visuelles Inventar der DDR der 1980er Jahre sowie später der ostdeutschen Länder im schwierigen und oft schmerzhaften Umwandlungsprozess“ bezeichnet. Kein Wunder, dass sie bereits in zahlreichen Ausstellungen auf der ganzen Welt zu sehen waren. In die slowakische Hauptstadt hat die Ausstellung „Totálny východ – Voll der Osten“ die Deutsche Botschaft Preßburg mit Unterstützung der OSTKREUZ– Agentur der Fotografen und der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gebracht.
Der kleine Unterschied
Einiges fiel mir auf. Das Plakat wirbt mit zwei Schwarz-Weiß-Bildern, die eine rote Linie in der Mitte trennt. Während auf dem ersten Jugendliche vor einem Kulturhaus in Deutschland stehen, sind auf dem zweiten (höchstwahrscheinlich slowakische) lächelnde Frauen und ein Mann in einem Stall voller Kühe dargestellt.
Ein Unterschied ist schon noch spürbar – oder nicht? Wie werden denn die slowakische Kultur und unsere Gesellschaft im Ausland wirklich wahrgenommen?
Machen Sie sich doch Ihre eigene Meinung. Die Fotoausstellung ist noch bis zum 5. Oktober 2020 auf dem Hviezdoslav-Platz zu sehen. Vergessen Sie dabei den Mundschutz nicht!
Ľudmila Glembová