klacno

Was denken Sie? Wer sind Sie?

Einst schrie eine verärgerte Frau hinter mir her: „Was denken Sie? Wer sind Sie?“ Ich sah sie nur krumm an und zuckte mit den Schultern. Jetzt las ich im Zusammenhang mit der Volkszählung diesen Satz im Internet. Da dachte ich: eine gute Frage.

Und so stelle ich selbst diese Frage: Ist Ihnen Ihre Identität wichtig oder egal? Ich traf zwei Damen, die wie ich schon wegen ihres Namens ihre deutsche Identität nicht leugnen können. Für manche ist es nur ein Überbleibsel aus vergangenen Jahrhunderten und nur als Folklore akzeptabel, für andere ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens in einer Gemeinschaft und Ausdruck eines Gefühls der Zusammengehörigkeit. Erst mit dem Aufbau nationaler Staaten im 18. Jahrhundert wurden auch nationale Identitäten geschaffen. Die Identifikation mit der eigenen Nationalität verliert nicht mal im Zuge einer Migration an Bedeutung. Auch wir haben Migrationshintergrund und trotzdem bewahren wir uns unsere deutsche Identität.

Die Sehnsucht blieb

Ich stellte meine Fragen Frau Werhild, geborene Gürtler. Sie stammt aus Gaidel und hat viele schöne Erinnerungen an ihren Heimatort. Hier entstand auch ein Bild in ihrem Kopf. Am Rande des Waldes liegt ein Bach, wo eine wunderbare Atmosphäre herrscht und sie dachte: „Hier muss Gott wohnen.“ Dies prägte ihre Sehnsucht nach Gaidel viele Jahre. Sie kann sich aber auch erinnern, wie sie zu spät in die Klasse kam und als Strafe auf Slowakisch beten sollte. Aber sie konnte ja nicht Slowakisch. Mit sieben Jahren kamen sie ins Lager Nováky und von dort mit dem Transport nach Deutschland. Die Gegend um Halle war dann ihre neue Heimat. Wurden sie gleich als „Deutsche“ akzeptiert oder waren sie Slowaken? „Nein, wir hatten Glück, die haben uns automatisch als Deutsche angenommen, weil wir ja Deutsch geredet haben.“

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Gaidlerin Werhild als Schülerin in der DDR

Nur einen Unterschied gab es: „Wir haben viel mehr Knoblauch als sie benutzt und dazu sind einige Bemerkungen gekommen. Ich war ein Kind des Ostens, aktiv in der FDJ und in der Schule. Ich konnte gut Russisch und die Lehrer haben gemeint: ‚Du bist ja aus der Tschechei, du musst Russisch können.‘ Wir haben uns gut eingelebt, die Sehnsucht ist aber geblieben.“ Als sie dann mal in Gaidel zu Besuch war, verliebte sich ein slowakischer Junge in sie. Den heiratete sie dann auch und kam zurück in die Slowakei. Zuerst sprach sie auch hier russisch und mit Händen und Füßen, schnell lernte sie aber Slowakisch. Sie erinnert sich: „Niemand war böse, dass ich einen slowakischen Mann geheiratet habe oder er eine Deutsche. Mit den Kindern habe ich zuerst auch deutsch geredet. Alle Kinder und Enkel sprechen Deutsch und zum Glück war niemand von uns negativ mit unserer deutschen Identität konfrontiert.“

Deutsche oder slowakische Nationalität?

Dann traf ich Waltraud, geborene Wiesner, auch eine Gaidlerin mit eindeutigen Wurzeln. Zuhause redeten die Eltern und Mutar (Oma) Gaaleresch, mit den Kindern aber slowakisch, um Probleme in der Schule zu vermeiden. Sie erzählt: „Jetzt verstehe ich Gaaleresch, rede aber Hochdeutsch. Deutsch sollte ich am Gymnasium und der Hochschule lernen. Die Lehrer waren aber so schlecht, dass ich Deutsch eigentlich mit den Liebesromanen meiner Mama gelernt habe, die sie aus Deutschland bekommen hat.“ Sie wollte schon immer Lehrerin werden und unterrichtete viele Jahre am Gymnasium in Priwitz/Prievidza, das bekannt für ein sehr hohes Niveau des Deutschunterrichts ist. Auch heute noch sagen viele ehemaligen Schüler: „Tante Traudi, dank Ihnen kann ich Deutsch!“ Auch Waltraud heiratete einen slowakischen Mann der, wie sie sagt, in sich eine deutsche Ordnung hat.

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Waltraud aus Gaidel mit ihren Schülern

Nach der Heirat staunte sie über ihren neuen Ausweis. Da stand Nationalität: slowakisch. Niemand hatte sie gefragt. In jedem vorherigen Dokument war ihre Nationalität deutsch. Jetzt bei dieser Volkszählung kreuzte sie bei der Nationalität endlich wieder „deutsch“ an. Eigentlich habe sie wegen ihrer deutschen Abstammung keine negativen Erlebnisse gehabt, meint Waltraud. Ab und zu komme eine blöde Bemerkung, aber da schüttele sie einfach nur den Kopf über so viel Unwissen.

Das waren zwei positive Beispiele selbstbewusster, beliebter Frauen, die stolz auf ihre Zugehörigkeit zur karpatendeutschen Minderheit sind.

Herzliche Grüße aus Gaidel Margot