Wie Martin Luther die deutsche Sprache prägte
Wohl kaum einer hat die deutsche Sprache so geprägt wie der Reformator und Bibelübersetzer Martin Luther. Seine wichtige Rolle bei der Entwicklung der deutschen Sprache wird in den zahlreichen Luther-Biografien eher vernachlässigt. Für Luther sollte aber das Übersetzte deutsch klingen, freilich nicht allein für die Theologen, sondern vor allem auch für die Hörer und Leser.
Auf diese sprachliche Meisterschaft, bei der aus dem „Überfluss des Herzens sein Mund“ redete, möchte ich auf das kleine Luther-Wörterbuch „Mit Feuerereifer und Herzenslust“ von Duden aufmerksam machen, das dieses Jahr herauskam. Hier beschreibt der Sprachwissenschaftler Hartmut Günther die Herkunft, Bedeutung und den Gebrauch von über 70 Redewendungen und Begriffen, die bis heute lebendig geblieben sind und die deutsche Sprache prägen.
Sich ins Fäustchen lachen
Luther machte zwischen der geschriebenen und gesprochenen Sprache keinen Unterschied. Dies ist bedeutsam dafür, dass die Sprache seiner Bibelübersetzung sich prägend auf die Gestaltung der deutschen Sprache gewirkt hat. Wussten Sie, dass Luther die Redewendung „sich in die Faust oder ins Fäustchen lachen“ in seinen Schriften und Predigten häufig benutzte? Der Teufel lacht sich in die Faust und ruft nach hinten „schmück dich, liebes Kätzchen“. Hier wird eine Gebärde der Schadenfreude beschrieben, die man nicht zeigt. Sie wird deshalb lieber als klammheimliche und irgendwie unzulässige Freude mit vorgehaltener Hand vor dem lachenden Mund verdeckt.
Und wussten Sie, dass wir die Redeweise „sein Herz ausschütten“ im Psalm 62,9 finden? Dort lesen wir: „Hoffet auf ihn allezeit, liebe Leute, schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsere Zuversicht“. Mit diesen Worten wird jedem die Möglichkeit geboten, das Bedrängende, den Kummer, die Angst oder den Verlust von der Seele zu reden und los zu werden. Sein „Herz ausschütten können“ und wieder frei werden von der oft quälenden Last ist der Kern aller Psychotherapien.
Oft reicht in der therapeutischen Praxis allein schon der Vorgang des Von-der-Seele-Redens aus, um das Problem zu lösen. Diese stille und aufmerksame Praxis des empathischen Hörens und Zuhörens wird im Grunde auch dann schon gepflegt, wenn Menschen miteinander und füreinander im offenen Gespräch sind, ihre Gedanken teilen und die Last des anderen tragen, mittragen. Hier verlangt das Gespräch eine innere Haltung der uneingeschränkten Achtung und des bedingungsfreien Akzeptierens des anderen Menschen mit seinen Sorgen und Nöten.
Die Zunge im Zaum halten
Diese und viele andere Redewendungen wie „Perlen vor die Säue werfen“, „auf Sand gebaut“, „seine Zunge im Zaum halten“ oder „Heulen und Zähneklappern“ hat Luther vor über 500 Jahren anschaulich und mit der Kraft des Herzens beschrieben. Er schaute den „Leuten aufs Maul“ und konnte so eine bis heute bildhaft gebliebene Sprache uns Nachkommen schenken – über alle Glaubenskriege und sonstige Kriege hinweg.
Prof. Dr. Ferdinand Klein