Zur Entwicklung der Sozialfürsorge in den Bergbaustädten
Die von Deutschen bewohnten Gebiete des ehemaligen Oberungarns waren seit jeher auch von städtischer Armut und Bettelei geprägt. Diese Probleme waren ein trauriger Teil des urbanen Lebens und die Kehrseite des Wohlstands der Bergbauregion. Gleichzeitig dienten diese Städte jedoch als Vorbilder für die soziale Wohlfahrt in Ungarn und im gesamten Habsburgerreich.
Im Mittelalter waren viele Großstädte in Westeuropa wie Paris und Venedig mit Armut und Elend konfrontiert. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts führten diese Städte erste Veränderungen im Wohlfahrtssystem ein und schufen eine von der Stadtverwaltung gesteuerte Sozialfürsorge. Die vorher auf Wohltätigkeit basierende Unterstützung wurde durch ein städtisches System ersetzt, das auf die Rationalisierung der Mittel und die gezielte Erfassung und Kontrolle der Bedürftigen abzielte.
Maßnahmen gegen Bettler und die ersten Armeninstitute
Frühe Maßnahmen zur Armutsbekämpfung umfassten Razzien gegen Bettler, um öffentliche Ordnung und Kontrolle zu gewährleisten. Auch in den von Deutschen bewohnten Bergbaustädten Oberungarns wurden diese Maßnahmen angewandt. Die Grundlage der Sozialfürsorge bildeten die sogenannten Armeninstitute, die nach dem Vorbild der Gesellschaft für Nächstenliebe errichtet wurden, welche 1779 von Graf Johann Buquoy in Südböhmen gegründet worden war.
Die ersten Verordnungen des ungarischen königlichen Statthalteramts zur Regelung der Bettelei stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie riefen die Bürger zur christlichen Nächstenliebe auf, warnten jedoch zugleich vor der Gefahr der vorgetäuschten Armut. Maria Theresias Dekret von 1775 ordnete an, dass „unwürdige“ Bettler in ein spezielles Arbeitshaus zur Umerziehung gebracht werden sollten.
Reformen unter Joseph II.
Die Regierungszeit Josephs II. brachte große Veränderungen im sozialen Bereich mit sich. Der Monarch verpflichtete die Städte zur Armenfürsorge und beschränkte die Wohltätigkeit auf wirklich Bedürftige. Josephs Reformen wurden gesetzlich verankert und er strebte eine Trennung von Armen- und Krankenfürsorge an. Diese konnte jedoch aufgrund des Widerstands lokaler Behörden nicht vollständig umgesetzt werden.
Dr. Johann Georg Hoffinger trug 1785 in Schemnitz/Banská Štiavnica zur Gründung des ersten Armeninstituts bei. Hoffinger, der zum „Armenvater“ gewählt wurde, leitete die Verwaltung und Verteilung der Almosen. Die Einrichtung eines Waisen- und Armenhauses sollte das Betteln auf den Straßen eindämmen und die Bedürftigen registrieren.
Obdachlose Menschen und ihr „Armenvater“
Am 28. August 1785 wurden die Bettler über den Zeitpunkt ihrer Unterstützung informiert: Die Verteilung der Almosen fand um ein Uhr nachmittags im Rathaus statt. Bettler, die außerhalb dieser Zeit beim Betteln angetroffen wurden, mussten mit Gefängnis oder Züchtigung rechnen. Fremde Bettler wurden am Stadttor kontrolliert und zum Stadtmagistrat gebracht.
Fazit
Die Entwicklung der Sozialfürsorge in den deutschsprachigen Gebieten des ehemaligen Oberungarns führte zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen. Das Hauptanliegen Kaiser Josephs II. war neben der Armenfürsorge auch die Resozialisierung und Wiedereingliederung der Bedürftigen in die Gesellschaft. Trotz Widerständen und der Kürze seiner Regierungszeit ebneten seine Reformen den Weg von christlicher Wohltätigkeit zu einer staatlichen Sozialfürsorge – ein wichtiger Schritt in Richtung einer modernen, durch die Aufklärung geprägten Sozialpolitik.
Oswald Lipták