100 Jahre Friedensmarathon in Kaschau
Von Emil Zátopek stammt der Satz „Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du eine andere Welt kennenlernen willst, lauf einen Marathon.“ In Kaschau/Košice feiert diese andere Welt – der Internationale Friedensmarathon (Medzinárodný maratón mieru, MMM) – am 1. Oktober 2023 ihren 100. Geburtstag.
Im Jahr 1896, drei Wochen vor Eröffnung der ersten Olympischen Spiele der Neuzeit, fand erstmals ein als Marathon bezeichneter sportlicher Laufwettbewerb statt.
Die Länge der Strecke sollte der des Weges entsprechen, den 490 v. Chr. ein Bote von Marathon nach Athen gelaufen war. Der Auftrag des Boten war, die Nachricht vom Sieg der Griechen über die Perser in der Schlacht bei Marathon zu überbringen. Der Legende nach konnte er am Ziel noch „Wir haben gesiegt“ (griech. Nenikhkamen) sagen. Danach brach er tot zusammen. Dieser historische Bezug brachte dem Marathonlauf eine ganz besondere Attraktivität.
Bei der ersten Olympiade 1896 in Athen führte die Laufstrecke tatsächlich vom Ort Marathon nach Athen und betrug etwa 40 Kilometer. Auch danach wurden diese 25 Meilen (40,23 Kilometer) in etwa eingehalten.
Warum gerade 42,195 Kilometer?
Die bis heute üblichen 42,195 Kilometer werden erst seit der Olympiade 1908 gelaufen. Ort der Spiele war London und die Strecke führte von Schloss Windsor in das neu erbaute Olympiastadion. Schloss Windsor als Start des Laufes war ein Wunsch des britischen Königshauses unter König Eduard VII.
Das Schloss Windsor ist das größte durchgängig bewohnte Schloss der Welt und beansprucht eine Fläche von 55.000 Quadratmetern. Um die Strecke besser sichern zu können, erfolgte der Start des Laufes nicht vom Haupteingang, sondern vom Ostflügel des Schlosses. Das Vermessungsprotokoll der Strecke wies nun eine Entfernung von 26 Meilen und 385 Yards aus – das sind 42,195 Kilometer. Im Jahr 1921 wurde sie vom Weltverband der Leichtathleten als offizielle Streckenlänge festgelegt.
Košice-Marathon zweitältester der Welt
In Košice fand 1924 der erste Marathonlauf statt. Damit ist er der älteste Marathonlauf Europas und der zweitälteste der Welt, nach dem Boston-Marathon (seit 1897, damals 24,5 Meilen). Der Košicer Marathon mit dem Beinamen Marathon des Friedens, abgekürzt MMM (Medzinárodný maratón mieru), findet am ersten Oktobersonntag statt. Da er im Jahr 1938 wegen der politischen Situation nicht durchgeführt werden konnte, kommt es in diesem Oktober noch nicht zum 100., sondern zum 99. Lauf.
Die Strecke führt nicht mehr aus der Stadt heraus und endet nicht im Stadion, sondern passt sich dem Trend an und geht rund durch die Stadt mit Start und Ziel im Zentrum. Stets kämpfen Spitzensportler aus der ganzen Welt um den Sieg. Seit 1980 gibt es einen eigenen Wettbewerb für Frauen, später auch für behinderte Menschen. Am MMM nahmen zum Beispiel bei den Männern die zweifachen Olympiasieger Abebe Bikila (1960 und 1964, Sieger beim MMM 1961) und Waldemar Cierpinski (1976 und 1980) teil. Bei den Frauen muss vor allem ein Name genannt werden: Christa Vahlensieck.
Fünffache Siegerin beim MMM: Christa Vahlensieck
Die 1960 eingeweihte Marathonläufer-Statue im Zentrum von Košice ist ein Symbol des Marathons und auch der Stadt. Sie ehrt auch Vojtech Bukovský (1894-1963), den Gründer des Laufs, der ihn mit anderen Sportbegeisterten nach der Rückkehr von den Olympischen Spielen in Paris ins Leben rief.
Auf dem inzwischen erweiterten Sockel der Statue sind die Namen der Sieger, geordnet nach Männern und Frauen, unter der historischen Inschrift „Nenikhkamen“ zu finden.
Suchen wir nach deutschen Namen, so sind bei den Männern vier zu finden: Paul Hempel (1926 und 1929), Hans-Joachim Truppel (1981), Jörg Peter (1987) und Michael Heilmann (1988). Doppelolympiasieger Cierpinsky nahm fünfmal am MMM teil, zweimal erreichte er Platz 3 (1974 und 1977).
Alle diese Ergebnisse übertrumpft aber eine Frau. Christa Vahlensieck, die bereits 1974 beim Boston-Marathon Platz 2 erreichte, lief bei sieben MMM-Teilnahmen gleich fünfmal als Erste über die Ziellinie (1981, 1984, 1986, 1987 und 1988) und setzte damit eine Marke, die vielleicht für immer Bestand haben wird. Die Sportlerin aus der Košicer Partnerstadt Wuppertal gewann 21 Marathonläufe, darunter den in Berlin (1977) mit neuem Weltrekord (2:34:47.5 Stunden). Der Weltrekord steht heute bei 02:11:53 Stunden für Frauen und 2:01:09 Stunden für Männer.
Neues Denkmal im Kulturpark
Die Marathonläufer-Statue wurde im Juni durch ein Denkmal im Kulturpark ergänzt, den „Messenger of Peace“. Tausende Medaillen schmücken ein symbolisches Siegerpodest und auf dessen Spitze befindet sich eine Taube als Bote des Friedens.
Beide Monumente belegen das besondere Engagement der Organisatoren und der Stadt für den Sport und den Friedensmarathon. Er wird über die Slowakei hinaus auch zukünftig ein ganz besonderes sportliches und gesellschaftliches Ereignis sein.
Dr. Heinz Schleusener