750 Jahre Stadt Kesmark
Wird von den Städten in der Zips gesprochen, denkt man wahrscheinlich zuerst an Kesmark/Kežmarok und Leutschau/Levoca. Kesmark wurde erstmalig 1251 urkundlich erwähnt und bekam 1269 Stadtrechte. So kann man das 750-jährige Jubiläum gleich zwei Mal feiern: Im Jahr 2011 für die historisch belegte Existenz und in diesem Jahr für den Erhalt der Stadtrechte. Dazu hat die Stadt für ihre Bürger und Gäste viele Veranstaltungen vorbereitet, zwei besondere finden im Juli statt.
Historische Dokumente belegen die Anfänge von Kesmark in drei im Jahr 1251 existierenden Siedlungen am Fluss Popper/Poprad. Mit der Einführung eines Käsemarktes erhielten 1269 die zusammenwachsenden Siedlungen, in der slowakische Fischer, ungarische Grenzposten und deutsche Siedler lebten, vom ungarischen König Bela IV. Stadtrechte und den Namen Käsmarkt. Dieser wandelte sich später zu Käsmark bzw. Kesmark (ung. Kézmárk, slow. Kežmarok).
Königliche Freistadt
Die Stadt mit dem wundervollen Blick auf die Berge der Hohen Tatra entwickelte sich schnell. Den Rang einer königlichen Freistadt erhielt Kesmark 1380. Das bedeutete besondere Rechte für die politische Eigenständigkeit sowie für Handel und Handwerk.
Wichtige Rechte erhalten
Zu den Privilegien gehörten das 1419 erlangte Recht, zwei Jahrmärkte abzuhalten, am 2. Februar und am 29. Juni, dann das Stapelrecht für den Kleinhandel (1435) und das Wappenrecht (1463). Das bis ins 19. Jahrhundert geltende Stapelrecht war das wirtschaftlich bedeutsame Recht einer Stadt, von den durchziehenden Händlern das Anhalten im Ort und das Anbieten der Waren in der Stadt selbst zu verlangen. Die Produkte mussten auf einem Stapelplatz abgeladen und für eine gewisse Zeit den Bürgern der Stadt angeboten werden.
Kesmark hatte sich lange um dieses Recht bemüht, denn es lag an der viel genutzten Handelsroute nach Krakau/Kraków. Zu dieser Zeit wurden mit Flößen Waren wie Weine und Getreide über die Flüsse Popper und Dunajec dorthin transportiert. Im Jahr 1438 erhielt Kesmark auch die Halsgerichtsbarkeit, d.h. die gerichtliche Entscheidungsgewalt über Strafen, die mit Verstümmelungen oder dem Tod bestraft wurden.
Stadt des Handwerks
Auch das sich ansiedelnde Handwerk beeinflusste die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt positiv. Vom 15. bis zum 19. Jahrhundert gab es ca. 40 Gewerke, vom Weber, Färber, Tuchmacher über Schneider und Kutscher bis zu Goldschmieden.
Hochburg deutschsprachiger Kultur
Über Jahrhunderte stellten Deutsche die ethnische Mehrheit im auch von Slowaken, Ungarn, Polen, Ruthenen, Ukrainern und Roma bewohnten Kesmark. Im Jahr 1880 betrug ihr Anteil 72 Prozent. Dieser nahm nach dem Ersten und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg ab und betrug bei der Volkszählung 2011 nur noch 0,36 Prozent. Wir finden jedoch noch genügend Belege für das Wirken der Deutschen in den vorigen Jahrhunderten. Dazu zählen das ab 1774 erbaute Evangelische Lyzeum mit seiner Bibliothek, die 2007 mit der Holzkirche aus dem Jahr 1717 ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde.
Eine Schule existierte in Kesmark bereits Ende des 14. Jahrhunderts. Diese Pfarrschule wandelte sich in eine städtische Lateinschule, die Schulbildung war eine der Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt, in der viele spätere Berühmtheiten geboren oder ausgebildet wurden. Zu den Personen, die maßgeblich am geografischen und biologischen Erkunden der Tatra beteiligt sind, zählen David Fröhlich (1595-1648), Georg Buchholz (1688-1737) und Christian Genersich (1759-1825).
Auch journalistisch war Kesmark ein Zentrum für Veröffentlichungen in deutscher Sprache. Nicht nur die Wochenzeitung Karpathen-Post erschien dort, wir danken heute der Druckerei Paul Sauter für viele Bücher zu Themen der Region, wie etwa J. Liptáks „Geschichte des evangelischen Lyzeums A.B. in Kesmark“ von 1933.
Große Namen: Thököly und Kray
Den größten Bekanntheitsgrad haben wohl die mit Kesmark eng verbundenen Namen Thököly und Kray. Stephan I. Thököly (1581-1651), sein Sohn Stephan II. (1581-1651) und Enkel Emmerich Thököly (1657-1705) wurden in Kesmark geboren. Die Kesmarker Burg hatte der Vater von Stephan I. erworben und umgebaut. Emmerich zählt zu den Nationalhelden Ungarns, weil er nicht nur als Lutheraner, sondern auch im Sinne seiner Vorfahren gegen die katholischen Habsburger für ein unabhängiges Ungarn und Religionsfreiheit kämpfte.
Der in Kesmark geborene Paul Kray (1735-1804) kämpfte vom 19. Lebensjahr an in der österreichischen Armee und wurde hoch ausgezeichnet. Im Heeresgeschichtlichen Museum Wien ehrt eine lebensgroße Statue diesen berühmten Kesmarker.
Viele Opfer durch Kriege
Die Stadt war wegen ihrer Lage und ihres Wohlstandes ein begehrtes Ziel der Mächte um sie herum. Sie wurde von Polen, Österreich, Türken und Plünderern begehrt und sie wollte auch frei von fremder Herrschaft und religiöser Bevormundung sein. So fielen viele ihrer Bürger Kriegen und Gewalt zum Opfer, Häuser wurden durch Brände zerstört. Aber immer wieder gab es fleißige Hände für den Neuaufbau.
Tradition wird mit EĽRO gepflegt
So ist Kesmark der ideale Platz für das jährliche Begegnungsfest des Karpatendeutschen Vereins, das am 22. und 23. Juni stattfand. In diesem Jahr wird aber auch der 750-jährige Jahrestag des Verleihens der Stadtrechte gefeiert. Im Juli gibt es dazu ganz besondere Veranstaltungen, in deren Mittelpunkt der 29. Jahrestag des Kesmarker Festivals des Europäischen Volkshandwerks (EĽRO) ist.
Klicken Sie sich durch Fotos vom EĽRO 2018:
Teilnehmer sind unter anderen Handwerker aus Polen, Ungarn, Tschechien und Litauen. Im Mittelpunkt stehen 2019 die Brauer und Fassbinder. Die Freunde eines guten Bieres können sich auf besondere Angebote freuen. Zu den Ständen, Vorführungen und Umzügen in historischer Aufmachung gibt es ein Begleitprogramm, in dem europäische Folklore und ein Musikprogramm von insgesamt etwa 1.000 Tänzern, Sängern und Musikern vorgetragen wird.
EĽRO-Festival und Ausstellung
Neben dem EĽRO-Festival vom 12. bis 14. Juli findet vom 12. bis 31. August eine Ausstellung (Ausstellungshalle Barónka) zu beiden Jubiläen statt. Das Interesse ist groß, es gibt daher einen Bus-Shuttle von Poprad/Deutschendorf, auch die Eisenbahn setzt zusätzliche Züge ein.
Dr. Heinz Schleusener