Die Familie des Barons von Schwedler
Wer sich mit der Geschichte von Schwedler eingehend beschäftigt, kann so manche schwerwiegende und mit Fakten scheinbar gut untermauerte Behauptungen einiger Mitglieder der Familie des Barons Ferdinand von Schwedler nicht außer Acht lassen. Worum es geht?
Mitglieder dieser Familie leben nicht nur in Deutschland oder den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch in vielen anderen Ländern. Deren bedeutendster Spross und Wortführer, Baron Ferdinand von Schwedler, erklärte sich und seine Familienvorfahren einst zu den wahren Ahn- und Landesherren der ursprünglichen Schwedler-Ortschaften.
Seine Vorfahren hätten nämlich auf dem Gebiet noch vor der Ankunft deutscher Siedler am Schlossberg ein Schloss erbaut und am Berg Buchwald umfangreiche Ländereien besessen, die sie aber nach langen Fehden angeblich den deutschen Kolonisten überlassen mussten.
Aus den USA nach Schwedler
Ferdinand von Schwedler besuchte unsere Gemeinde im Jahre 1924. Er war aus den USA nach Schwedler gereist und suchte den Verfasser der „Geschichte der evangelischen Kirchengemeinde Schwedler“, den evangelischen Pfarrer Arpad Neupauer, auf. Er vermittelte diesem das Genannte und stützte sich dabei auf einen Auszug aus der Familienchronik, den er so erklärte:
„Mein Urgroßvater hatte die Familienchronik bis zum Jahre 1815 ausgefertigt, wobei in dieser Folgendes zu lesen ist: Meine Vorfahren, wie es mir meine Mutter und Großmutter oftmals erzählten, führten in weit zurückliegender Zeit ein langwieriges dreißig Jahre hindurch ziehendes Eigentumsverfahren mit dem österreichischen Kaiser wegen Vermögensansprüchen bezüglich unserer Familie einst zustehender Ländereien im Königreich Ungarn. Leider ohne jeglichen Erfolg. Aufgrund riesiger Geldauslagen mussten dieser Prozess unterbrochen und unsere gerechten Ansprüche aufgegeben werden. Mein Ur-Urgroßvater versuchte zwar denselben noch einmal aufzunehmen, musste ihn aber aus denselben finanziellen Gründen wieder unterbrechen und alle Rechte und Ansprüche unserer Familie erneut aufgeben.“
Der Baron auf der Suche
Sich darauf stützend suchte der Baron fleißig nach allen möglichen Quellen und Urkunden, die diese Behauptungen seiner Familie untermauern könnten – sowohl während des Ersten Weltkriegs als auch bei seinem Besuch in der Gemeinde Schwedler, wo er die ganze Zeit hindurch im Gemeindearchiv stöberte.
Bei dieser Gelegenheit stieß er auf die Schenkungsurkunde aus dem Jahre 1338 des Königs Karl I. Robert aus dem Hause Anjou. Die zeigt, dass dieser Herrscher drei aneinander grenzende Ortschaften Ober-, Mittel- und Unterschwedler sowie zehn weitere Dörfer an die Bürger von Göllnitz und Schmöllnitz in gemeinschaftliches Eigentum verlieh. Zugleich verpflichtete er sich, die damaligen Besitzer entsprechend zu entschädigen. Als Besitzer sind genannt: Georg und Nikolaus (Söhne Conrads, des ersten Lokators), Tomas (Sohn Franks) und Lorenz (Sohn Nikolas).
Nikolaus und Georg wurden tatsächlich entsprechend entschädigt, sie zogen nach Schlesien und wurden dort erstmals als „von Schwedler“ verzeichnet.
Der renommierte ungarische Historiker Dr. Fekete Nagy Antal bewies jedoch aufgrund ältester Urkunden, die sich damals im Zentralarchiv des Königreichs Ungarn in Budapest befanden, dass Nikolaus und Georg nachweislich Sprösslinge der Familie Göyrgey sind. Diese besaßen ebenso gut nachweislich entlang des Flusses Hernad (slow. Hornád) auch das Dörfchen Milaj bzw. Miloj, das südlich des Flusses Göllnitz lag und somit auch an die damaligen Schwedler-Ortschaften angrenzen musste.
Tomas ist wiederum Sprössling der Familie Semsey, die zugleich das damalige Kunzdorf, bzw. Hannsdorf (das heutige Helcmanovce) besaß. In Frage kommt also lediglich der erwähnte Lorenz, der aufgrund der Schenkungsurkunde des Königs Ladislaus IV. aus dem Jahre 1282 zum Besitzer der Ansiedlung Castrosynfew (ungarischisch Kastrosinfö) erklärt wird, wobei diese Ländereien sich südlich des Flusses Hernad bis zur Göllnitz hinzogen.
Ob jedoch dieser Tomas tatsächlich der Urahn der Familie des Barons von Schwedler war, das müsste aufgrund glaubenswerter Urkunden nachgewiesen werden.
Des Weiteren ist in Erwägung zu ziehen, dass viele wertvolle Unterlagen während in und nach dem Zweiten Weltkrieg verloren gegangen sind. Über die damalige Zeit und ihr Geschehnisse ein möglichst authentisches Bild zusammenzustellen wird, auch künftig eine schwierige Aufgabe sein. Das gilt auch für den Fall des Barons Ferdinand von Schwedler.
Diplomatischer Codex des Königtums Sachsen
Der Objektivität halber wollen wir uns näher anschauen, auf was für eine urkundliche Behauptung sich der Baron eigentlich stützt. In diesem Auszug chronologischer Verarbeitung der Geschichte und Genealogie der Familie Schwedler führt der Verfasser Baron Ferdinand von Schwedler die erste schriftlich belegte Erwähnung über diese Familie an. Es handelt sich um Nikolaus von Schwedler, der nach seinem Weggang aus Schwedler in den Jahren 1480 bis 1505 das Amt des Stadtrats in Meißen bekleidete. Über ihn ist bekannt, dass er nachweislich noch vor der Reformation in Schwedler lebte. Als Grund seiner Abwanderung aus Schwedler führt der Verfasser religiöse Beweggründe an. Allem Anschein nach handelt es sich dabei um seine Angehörigkeit zu den Wiedertäufern, die in unserer Gemeinde stark vertreten waren. Sie wurde damals zum sogenannten Ketzernest erklärt, die Wiedertäufer verboten und mit allen damals üblichen Mitteln hart bekämpft. Demzufolge mussten viele Schwedler die Auswanderung wählen, oft bei Nacht und Nebel.
Wertvolle Auskünfte liefert die im unteren Teil des abgebildeten Dokuments angeführte Anmerkung:
Diese beschreibt ausdrücklich eine in Ungarn im Komitat Zips am Fluss Göllnitz liegende Bergstadt Schwedler, die nicht weniger als 5000 sächsisch sprechende Einwohner zählt.
Der Verfasser dieses Schriftwerks führt sogar die Quelle seiner Informationen an, den „Codex Diplomaticus Saxoniae Regiae“ (Diplomatischer Codex des Königtums Sachsen).
Schlussfolgerung
Es wird einerseits Aufgabe künftiger Forscher und Historiker sein, diese aufgeworfenen Fragen zu klären, andererseits kann es ein guter Anreiz- und Beweggrund für Erkundungen interessierter Amateure sein, um zur Geschichte beizutragen. Aber das bedarf auch Können und Wissen, gerade hierbei kann die im Ikar-Verlag erschienene Publikation „Wie erstelle ich meinen Stammbaum“ (slow. „Ako si zostaviť rodokmeň“) von den Verfassern Juraj Snopek und Marek Tettinger Hilfe bieten.
Der Begriff Amateur kommt übrigens aus dem Französischen und seine Bedeutung ist auf das lateinische „amator“ zurückzuführen. Das bedeutet, etwas mit Liebe und Leidenschaft, also mit Herz zu tun. Und wer es am rechten Fleck hat, kann selber zur Feder greifen und sich auf eigene Entdeckungspfade begeben. Viel Glück und Erfolg dabei wünscht Oswald Lipták