Im Gespräch mit dem Vorsitzenden des KDVs, Dr. Ondrej Pöss
Der Vorsitzende des Karpatendeutschen Vereins, Dr. Ondrej Pöss, hat gestern seinen 70. Geburtstag gefeiert. Aus diesem Anlass haben wir mit ihm einen Blick zurück und einen in die Zukunft geworfen.
Herr Vorsitzender, am 7. November waren Sie 70. Wie haben Sie dieses runde Jubiläum gefeiert?
Ja, ich wollte diesen runden Geburtstag mit meinen Nächsten entsprechend feiern, aber die Beschränkungen in dieser Pandemie-Zeit sind allen gut bekannt. Aber mit meiner Gattin habe ich doch einen schönen, feierlichen Abend erlebt. Die Hoffnung, dass ich mit meinen Nächsten, Freunden, Museums- und Vereinsmitarbeitern meine Geburtstagsfeier noch in absehbarer Zeit nachholen kann, ist geblieben.
Wie ich Sie kenne, haben Sie sicher über ihren Lebensweg nachgedacht.
Stimmt, je älter man wird, je mehr Lebenserfahrung man gesammelt hat, desto nachdenklicher wird man. Beim Zurückschauen kommen mir vor allem Lebensfelder in den Sinn, die freundlich waren, aber auch Lebensabschnitte, die man gerne anders gehabt hätte.
Können Sie da konkreter sein?
Mein Lebensglück ist meine bereits 45-jährige Ehe mit meiner Gattin Katka. Wir haben etliche Glücksmomente erlebt, gemeinsam besuchten wir bereits die ganze Welt, was uns viele Erlebnisse gebracht hat. Dazu gehören auch fröhliche Begegnungen auf den Veranstaltungen der Karpatendeutschen, ob in der Slowakei oder im Ausland. Mit Freude erinnere ich mich an etliche Momente in meinem Beruf, ob als Lehrer an der Uni, als Wissenschaftler an der Akademie oder zuletzt in unserem karpatendeutschen Museum. Die Gründungs- und Aufbauarbeit im Museum gehören zu beglückenden Erinnerungen. Aber mit Freude blicke ich auch auf unser Karpatenblatt, welches im Sommer 2021 seinen 30. Geburtstag feiern wird. Seit Juni 1992 war ich stets dabei, sogar in der Ausgabe 0 hatte ich einen Artikel. Seit dieser Zeit waren es hunderte…
Sie sagten aber auch, dass einiges auch hätte anders sein können.
Ja, es ist sicher bei jedem so. Was immer ein Bestandteil meines Lebens war, war das Kriegsfolgeschicksal der verbliebenen Karpatendeutschen. Mein Vater als Bergmann konnte, oder besser musste, in Krickerhau bleiben und ist leider schon drei Monate nach meiner Geburt gestorben. Meine Mutter, die nur wenig Slowakisch konnte, ist allein mit zwei kleinen Kindern zurückgeblieben. Das waren schwere Jahre für sie. Leider hat auch sie uns zu früh verlassen – als 20-Jähriger wurde ich, kann man sagen, obdachlos, die darauffolgenden Jahre wohnte ich im Studentenwohnheim in Preßburg, auch als Hochschullehrer. Das dauerte bis ich die Familie meiner Gattin kennengelernt habe, wo ich ein neues Zuhause fand.
Ab wann sind Sie mit dem Thema Karpatendeutsche in Berührung bekommen?
Ich stamme aus einer altansässigen Krickerhauer Familie. Heutzutage bin ich leider der einzige von der breiten Familie, der in der Slowakei lebt, alle haben eine neue Heimat in Deutschland oder Österreich gefunden. Es war bei uns üblich, dass meine Mutter sich oft mit den verbliebenen Krickerhauern getroffen hat, es wurde häufig über die Familien in Deutschland oder Österreich gesprochen. Ich war meistens dabei. Es war eine Feier, wenn jemand zu Besuch kam, denn wir freuten uns auf den Kaugummi. Dass ich und mehrere meine Freunde Deutsche sind, hat man auch bei den Kinderspielen bemerkt: Bei den Streitereien hörte man „Nemec, Halušky mi nejedz“ oder bei den Soldatenspielen mussten wir immer verlieren. Aber ich hatte zu meiner Geburtsstadt mit den dortigen Bewohnern immer sehr gute Beziehungen. Das zeigt auch die Erteilung der Ehrenbürgerschaft vor einem Jahr, worauf ich als eine von insgesamt fünf Personen sehr stolz bin.
Nach der Wende 1989 kamen etliche Impulse zur Vereinsarbeit von den Landsleuten in Deutschland. Wie war es bei Ihnen?
Da haben Sie völlig recht. Gerne erinnere ich mich an die Versammlung in der Štefánikgasse in Pressburg, wo der damalige Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft Isidor Lasslob einen Vortrag gehalten hat. Dort habe ich ihn kennengelernt. Für mein Engagement in der Vereinsarbeit waren auch die Fahrten mit Lasslobs Pkw von Pressburg nach Neuhau (er stammt aus Neuhau) wichtig, da habe ich sehr viel erfahren über die landsmannschaftliche Tätigkeit der Karpatendeutschen. Gern erinnere ich mich auch an Herrn Adalbert Haas, der bei uns noch in der Engerau-Wohnung einige Male übernachtete. Das war in der Phase, als man den Ankauf der Häuser der Begegnung vorbereitet hat. Zur Museumsgründung bekam ich eine starke Unterstützung von Ernst Hochberger. Da muss ich auch an den späteren Bundesvorsitzenden Oskar Marczy erinnern. Von diesen großen Karpatendeutschen bekamen ich und der gesamte Verein eine starke Unterstützung.
Kommen wir aber zu Ihrer Tätigkeit im Verein.
Ich hatte das Glück, die vergangenen drei Jahrzehnte meiner Tätigkeit mit den Karpatendeutschen zu verbinden. Wahrscheinlich habe ich schon am zweiten Treffen der Pressburger im November 1990 teilgenommen. Ich war auch bei der Gründung der Ortsgruppe des Vereins in Krickerhau 1991 aktiv, der erste Vorsitzende Josef Howoritsch war mein Firmvater. Seit 1994 wurde ich ständig als Mitglied der Landesleitung gewählt, in den Jahren 2003 bis 2008 und seit 2013 trage ich die Verantwortung als Vorsitzender. Im Jahre 1994 habe ich die Gründungsarbeiten bei dem Museum der Karpatendeutschen übernommen, dessen Direktor ich bis heute bin. Eines will ich noch betonen: Ohne die starke Unterstützung meiner Gattin, die mich als Rechtsanwältin oft sehr nützlich beraten hat, wäre es für mich unmöglich gewesen, so viele Jahre den Beruf mit der Vereinsarbeit zu verbinden. Aber das würden Ihnen sicher auch weitere Personen bestätigen, die in der Öffentlichkeit tätig sind.
In dieser Corona-Pandemie stellt man auch die Frage, wie es weitergehen wird.
Tatsache ist, dass in diesen Zeiten niemand weiß, wie es weitergeht, wie diese schwierige Zeit unser Vereinsleben beeinflusst. In der Zukunft würde ich mir wünschen, das ehrenamtliche Engagement unserer Mitglieder zu stärken. Unsere Kultur ist untrennbar mit der deutschen Sprache verbunden, da sie eben von der deutschen Sprache getragen wird. Da wird es uns viel Mühe kosten, bis die erlittene große Wunde teilweise verheilt. Sicher kann ich noch als wichtige Zukunftsthemen weitere nennen, wie Völkerverständigung, Engagement in der Kommunalpolitik, Wahrheit in der Geschichte, Fragen beim Generationswechsel, Zusammenarbeit mit karpatendeutschen Verbänden. Erreichen können wir diese lebenswichtigen Ziele nur mit fleißiger Mitarbeit und gemeinsamem Vertrauen, um welches ich Sie auch jetzt bitte.
Werden Sie sich dafür auch weiter einsetzen?
Vor dreißig Jahren war ich überzeugt, dass man das Leben eines Menschen in drei Phasen einteilen kann: Ausbildung, Berufstätigkeit und Ruhestand. Nach meinem Denken heute, auch mit den Erfahrungen in unserem Verein, scheint es mir passender, das Leben in der heutigen Zeit in vier Phasen einzuteilen: Ausbildung, Berufstätigkeit, freie Tätigkeit und Ruhestand. Die zweite und dritte Phase können sich decken, was auch mein Fall jetzt noch ist, aber langsam werde ich tiefer in die freie Tätigkeit eintauchen. Sicher aber ist, dass ich auch die dritte und vierte Phase meines Lebens mit dem Karpatendeutschen Verein und deren Mitgliedern verbinden will, hoffentlich wird der Gott gnädig sein und es mir ermöglichen.