Ein einfacher Mensch – Kapitel 1 von 4
Diese Geschichte stammt von Emma Horvat, einer 13-jährigen Schülerin der Deutschen Schule Bratislava/Preßburg. Sie ist ein Ergebnis des Kreativen-Schreiben-Seminars des Karpatendeutschen Vereins. Wir veröffentlichen sie als Fortsetzungsgeschichte in vier Teilen.
Ich ging meinen normalen Weg nach Hause wie den Tag zuvor und den Tag zuvor dem Tag zuvor. Ein normaler Tag, auf einem normalen Weg, in ein normales Haus. Wie ich die Normalität hasste. Schon seit immer war mir klar, ich bin nicht normal. Ich war nie normal. Ich werde nie normal sein. Und als ich an diesem normalen Tag darüber nachdachte, wie alles so ätzend normal ist, sehe ich auf einmal eine Tür. Eine Tür, die keiner anderen ähnelte. Wenn ich durch diese Tür gehe, dann ändert sich alles, das wusste ich. Und weil ich ein normales Leben hasste und endlich einmal anders sein wollte, nicht normal, trat ich durch diese Tür.
Wenn ich mein Leben als ein einfacher Mensch verlassen würde, durch die Türe trete, würde ich in einem Wald auftauchen. Ein Wald, in dem es vor einer kurzen Zeit geregnet hatte und kleine Tropfen immer noch auf den Blättern der Pflanzen glänzen. Er wäre voller Magie, ein fantastisches Wesen hinter jeder Hecke, in den hohen Bäumen, auf der Weide kurz vor dem Wald oder unter der Erde. Nichts anderes als die wunderbare Natur würde ich sehen. Ich würde mich im Spiegelbild des Teiches nahe betrachten und mich erschrecken. Auf meinem Rücken würden ein Paar große Flügel sitzen, dessen braune Federn fast den Boden berühren würden. Meine Arme wären mit weiteren Federn bewachsen, die Federn leicht nach hinten gekämmt, damit sie wie die weiten Enden meiner Flügel aussehen würden. Meine Nägel durch lange Krallen ersetzt, mit denen ich leicht die Bäume kratzen könnte, bis Harz durch meine Hände fließend auf den Boden fallen würde. Meine Lippen nähmen eine rosa Farbe an, meine Augen wären dunkler als der Himmel der Nacht, meine Haut glatt wie Milch und Honig, meine Haare fein wie Seide und schwarz wie Kohle. Lange Kleider in Grün-Tönen wären die einzigen Kleidungsstücke, die ich besitzen würde. Nachdem ich mich aus meinem Schock erholt hätte, würde ich sofort merken, dass dies mein größter Traum sei. Mein neues Leben beginnt jetzt.
Ich würde ein Baumhaus in der Krone eines Baumes finden, verlassen vor einer langen Zeit von den letzten Bewohnern dieses Waldes. Ich werde später noch ihre alten Sachen in den Kisten voller Staub entdecken. Das Haus ist klein, aber gemütlich. Tee kocht schon in der Küche und meine große Bücherei aus echtem Holz und von grünen Pflanzen bewachsen steht vor meinem Gesicht. Ich würde ein Buch wählen und es dann lesen, was man halt so mit Büchern macht. Mein Leben wäre sorglos, jeden Morgen würde ich aufstehen, wenn die Sonne am Himmel scheinend mich begrüßen würde und ich würde Beeren pflücken gehen, um mir dann einen Kuchen zum Mittagessen zu backen. Meine Freunde würde ich durch die Fabelwesen des Waldes ersetzen, die mir ab und zu auch kleine Geschenke bringen würden, die ich wie Gold schätzen würde. Diese Wesen zu beschreiben wäre zu schwer für einen einfachen Menschen, der keine Magie kennt. Mein Wald wäre zu komplex für einen einfachen Menschen. Ich, ein früherer Mensch, wäre zu magisch, um von Gleichen verstanden zu werden. Deshalb vergesse ich meine frühere Welt und widme mich nur der neuen, der schöneren, der friedlichen. Meine Erinnerungen werden sich verstecken, bis ich aufhöre sie zu suchen und sie einfach versteckt bleiben. Kein Leben war so schön wie dieses und ich genieße es so gut, wie ich kann. Doch dann, obwohl ich dem Wald vertraute, würde etwas passieren.