Ein feierliches Literaturkränzchen in Einsiedel an der Göllnitz
Vor kurzem haben wir das Literaturkränzchen, unser Treffen bei deutscher Literatur,
feierlich gestaltet. Denn es gab wieder einen Grund zu feiern! Der Sommer mit seinen
Schönheiten ist da! Das Buch „Sommer“ von Rainer Maria Rilke, das 2019 in der
zweiten Auflage im Insel-Verlag in Berlin herauskam, war ein Anlass, dieses Treffen bei
guten Büchern und gefühlvollen Gedichten zu genießen.
„Sommer: für ein paar Tage der Zeitgenosse der Rosen sein, atmen, was um ihre aufgeblühten
Seelen schwebt“, sagte einmal Rainer Maria Rilke. Der Autor kam 1875 in Prag zur Welt.
Nach der Trennung der Eltern lebt Rilke bei der Mutter. Er besuchte die
Militärunterrealschule in St. Pölten, dann die Militäroberrealschule in Mährisch-Weißkirchen.
1894 erschien der erste Gedichtband. Im Sommer 1900 war er in Worpswerde, wo er die
Bildhauerin Clara Westhoff kennenlernte, die er 1901 heiratete. Rainer Maria Rilke starb
1926 in Val-Mont bei Montreux in der Schweiz an Leukämie. Aus seinem Buch „Sommer“
lasen wir die Gedichte „Rosa Hortensie“ und „Blaue Hortensie“ sowie einen kurzen Brief an
Clara Rilke vom 19. Oktober 1907.
Einen guten Grund zum Feiern hat auch der Karpatendeutsche Verein, denn im Juli
1992 erschien die Ausgabe 0, die erste Ausgabe unseres Karpatenblattes. Schon seit 30 Jahren
haben wir die Ehre, in dieser Zeitschrift über das kulturelle Leben der Deutschen in der
Slowakei zu lesen. Wir haben aus dem Archiv des Karpatenblattes die Titelseite
herausgesucht und das Gedicht „Heimat“ (st) gelesen. Die Folge 1 des Karpatenblattes
erschien im August 1992. Auf der Titelseite kann man die Gedenktafel auf dem Braunsberg
bei Hainburg in Österreich sehen und lesen: „Zum Gedenken an die Heimat der
Karpatendeutschen, die 1945 aus dem Preßburger, Hauer- und Zipserland vertrieben wurden.“
Sternstunden der Menschheit
Auf dem Programm unseres literarischen Nachmittags stand auch der österreichische
Schriftsteller Stefan Zweig. Er ist in Wien geboren und studierte dort und in Berlin
Philosophie, Germanistik und Romanistik. 1904 promoviert er zum Dr. phil. Mit seinen viel
gelesenen psychologischen Novellen gehörte er zu den bedeutenden deutschsprachigen
Erzählern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Stefan Zweig ist 1942 in Petrópolis im
brasilianischen Bundesstaat Rio de Janeiro gestorben. Wir hatten schon vorher über seine
„Schachnovelle“, über die Erzählung „Der Stern über dem Walde“ und über die weltberühmte
Romanbiografie „Magellan“ gesprochen. Für unser Literaturkränzchen haben wir dieses Mal
sein Buch „Sternstunden der Menschheit“, das 1984 im Aufbau-Verlag Berlin und Weimar
herauskam, ausgewählt. Es stammt aus der Buchreihe „Taschenbibliothek der Weltliteratur“.
In dem Buch sind historische Miniaturen aus verschiedenen Zeiten, über die der Leser etwas
über die Biografien der größten Vertreter des Humanismus auf allen Gebieten der Kultur
erfährt. Wir haben daraus die „Die Marienbader Elegie“ ausgewählt. Darin geht es um eine
Episode, in der Johann Wolfgang von Goethe im Sommer 1821 zu einem Kuraufenthalt in das
böhmische Marienbad gereist ist. Dort traf er auf die siebzehnjährige Ulrike von Levetzow, in
die er sich verliebt hat. Er erhielt aber eine höfliche Absage von Ulrike. Die Marienbader
Elegie schrieb Goethe im Reisewagen zwischen Karlsbad und Weimar. Heute erinnert ein
Denkmal in Marienbad an die Beziehung von Johann Wolfgang von Goethe zu Ulrike von
Levetzow.
Aus dem Buch „Der ewige Brunnen“, das uns vor ein paar Jahren unser Landsmann
Rudolf Göllner geschenkt hat, haben wir das Gedicht „Die Zärtlichkeiten“ von Stefan Zweig
gelesen. So erinnerten wir uns an seinen 80. Todestag.
Roman über Widerstandskämpfer
Das Karpatenblatt verbindet die Leser schon über 30 Jahre. Unsere Bekannte Ing. Eva Groh
aus Kaschau hat im Karpatenblatt gelesen, dass wir über Dietrich Bonhoeffer gesprochen
haben. Sie hat uns ihr Buch „Der Kelch des Zorns“ von Mary Glazener geliehen. Die
amerikanische Autorin war zehn Jahre in Deutschland, um vieles zu erfahren. Es ist ein
fesselnd geschriebener Roman über die Zeit, in der Dietrich Bonhoeffer gelebt und gearbeitet
hat. Darin geht es auch um die Zeit, die er im Gefängnis verbracht hat. Schön beschrieben
sind die Begegnungen mit seiner Verlobten Maria von Wedemeyer.
Diesen Teil des Nachmittags haben wir mit dem Gedicht „Wer bin ich?“
abgeschlossen. Es ist eines der letzten Gedichte, das Dietrich Bonhoeffer in seiner
Gefängniszelle in Berlin-Tegel verfasst hat.
Bonhoeffer in der Unterzips
An Dietrich Bonhoeffer hat man in der Unterzips auch gedacht. Am 24. Juli 2022 wurde an
der evangelischen Kirche in Wagendrüssel/Nálepkovo eine Gedenktafel angebracht, die an
seinen Besuch im Juli 1932 bei einem ökumenischen Jugendtreffen im Kurort Bad
Schwarzenberg erinnert. Die Sängergruppe „Spitzenberg“ von der Ortsgruppe des
Karpatendeutschen Vereins in Einsiedel an der Göllnitz hat auch an der Feier teilgenommen.
Sie haben dabei die Lieder „Die Gedanken sind frei“ und „Wahre Freundschaft“ gesungen.
Auf unserem Literaturkränzchen haben die Frauen uns die feierlichen Momente nahegebracht.
Es war schön, ihnen zuzuhören und zum Abschluss haben auch wir die Lieder nochmal
angestimmt.
Ilse Stupák