Zum 150. Geburtstag des Matzdorfer Malermeisters Karl Hecht
Bevor ich mich eingehend mit meiner Ahnenforschung beschäftigte, wusste ich nicht viel über meinen Urgroßvater. Weder sein Geburtsdatum, noch sein genaues Sterbedatum waren mir bekannt. Als ich meinen Vater in meiner Kindheit fragte, warum er nicht mehr über ihn erzählen könne, antwortete er, dass er nicht einmal ganz 2 Jahre alt war, als sein Großvater starb und daher nicht viel darüber sagen könne. Immerhin konnte ich dadurch ableiten, dass er im Jahr 1933 verstorben sein musste. Mit der Zeit gelang es mir jedoch, mehr über ihn herauszufinden. Doch mit manch einer Antwort, mehrten sich auch die Fragen.
Heute weiß ich, dass mein Vater nicht mehr erzählen wollte. Viele können sicherlich bestätigen, dass Kinder oft nicht daran interessiert sind, Informationen über die Vergangenheit zu erhalten und später, wenn sie es wissen wollen, stoßen sie auf Widerstand. Dennoch wusste ich schon immer seinen Vornamen, wissen doch viele vom Urgroßvater nicht einmal das. Ich wusste auch, dass er eine angesehene Maler- und Anstreicherfirma hatte, die sein Sohn Rudolf Hecht, mein Großvater, nach seinem Tod erfolgreich weiterführte. Zudem besitze ich drei Fotos von ihm. Allein das empfand ich bereits als wahren Schatz.
Sämtliche Register ziehen
Jeder, der sich bereits mit der Spurensuche nach seinen Vorfahren beschäftigt hat, weiß oder sollte wissen, dass familiäres Wissen nicht immer zuverlässig ist und zuerst in die falsche Richtung führen kann. Namen in alten Dokumenten können in anderer Schreibweise auftauchen, fehlerhaft sein oder latinisiert eingetragen. Ein Ahne kann auch unter einem anderen Namen bekannt gewesen sein, als in seinem Taufeintrag verzeichnet. Zudem ist es wichtig, die Archive in Erfahrung zu bringen, in denen relevante Informationen aufbewahrt werden. Die jeweilige Amtssprache zur Zeit der Einträge (Deutsch, Latein, Ungarisch, Slowakisch) ist in der Slowakei zu beachten und muss beherrscht oder übersetzt werden. Auch Ortsnamen oder andere Angaben zu den Einträgen im Internet sind nicht immer richtig oder fehlerhaft. In meinem Fall ist Matzdorf auf Ungarisch „Matheocz/Mateocz“ und auf Slowakisch „Matejovce“. Die alte Schrift, die Kurrentschrift, kann zusätzlich Schwierigkeiten bereiten, insbesondere wenn sie mit einer regelrechten Klaue niedergeschrieben wurde. Auch die Religionszugehörigkeit, besonders bei den Zipser Sachsen, ist von Bedeutung. Obwohl mein Großvater, mein Vater und ich katholisch getauft wurden, entdeckte ich einen Eintrag, der meinen Urgroßvater Karl Hecht als evangelisch getauft zeigte, was zunächst verwirrend war.
Am 22. Oktober 1873 wurde „der bestbekannte Malermeister Karl Hecht“ als Carl Alexander Hecht als jüngstes von fünf Kindern von Paul und Anna Hecht, geborene Glatz, in Matzdorf/Matejovce geboren. Durch den Eintrag im evangelischen Matzdorfer Kirchenbuch erfuhr ich auch sein Tauf- und sein genaues Sterbedatum, den 15. Mai 1933.
Weitere Recherchen ergaben, dass jener Fund richtig war und meine Urgroßmutter Irma Hecht katholisch war. Offensichtlich hatte sie sich bei den Kindern damit auch durchgesetzt. In der Zips wurde also nicht nur unter den Nationalitäten, sondern auch unter den Konfessionen geheiratet. Die Konfessionen wurden nicht immer getrennt im jeweiligen Kirchenbuch eingetragen. Gerade in sehr kleinen Orten wurden beide Konfessionen in ein gemeinsames Kirchenbuch eingetragen – mit entsprechendem Vermerk, der aber auch fehlen kann oder falsch sein kann.
Manchmal findet man wenig bis nichts, weil Dokumente noch nicht digitalisiert sind, nicht online verfügbar sind oder aufgrund des Zweiten Weltkrieges und des Zahnes der Zeit verloren gegangen sind. So sind aus der Zips viele evangelischen Kirchenbücher beispielsweise aus Eisdorf/Žakovce und Bierbrunn/Výborná nach Moskau ins Militärarchiv geraten.
Ein professioneller Ahnenforscher oder Genealoge kann in solchen Fällen Hilfe leisten, aber es ist möglich, dass auch er nicht alle Antworten findet, da sie vielleicht nicht mehr existieren oder schwer zugänglich sind. Die Ahnenforschung ist oft voller Überraschungen. Auch alte Zeitungen können unerwartete Informationen oder Bestätigungen liefern.
Unverhofft kommt oft
Während meiner Recherchen stieß ich zufällig auf Artikel in der „Karpathen-Post“, die es mir ermöglichten, mein Wissen über meinen Urgroßvater zu erweitern und einige Lücken zu füllen. Im Artikel „Öffentlicher Dank“ vom 21. August 1913 fand ich heraus, dass Karl Hecht 4 Kronen anlässlich der Fahnenweihe des Matheoczer Herrengesangsvereins gespendet hatte. Daraus schloss ich: Er nahm nicht nur am gesellschaftlichen Leben teil, sondern konnte es sich als erfolgreicher Malermeister auch leisten, zu spenden.
Diese Anzeige vom 15. März 1917 zeigt, dass neben einem erfolgreichen Malermeister auch eine starke Frau steht. Sie weist auch darauf hin, dass der Erste Weltkrieg auch fernab der Front Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hatte. Jenes Inserat der Firma Hecht gab es in drei Ausgaben und es blieb das einzige seiner Art. Dies spricht für die Firma, andere Maler-Firmen haben öfters oder sporadisch in der Karpathen-Post Werbeanzeigen aufgegeben.
Auf diesem Foto aus dem Jahr 1930 sitzt Karl Hecht in der Mitte und sein Sohn Rudolf Hecht steht rechts neben ihm. Seit ich denken kann, war es eines der Bilder, die nicht im Fotoalbum waren, sondern gerahmt an der Wand hingen. Mein Vater war sehr stolz darauf und betonte bei gemeinsamen Betrachtungen stets: „Das war keine Pipifax-Firma; sie hat Kirchenmalerei innen und außen gemacht und auch vergoldet. Das kann nicht jede Malerfirma.“ Ich muss zugeben, dass sein Stolz darüber schon als Kind auf mich abfärbte.
Eine Bestätigung dafür fand sich im Artikel „Durelsdorf“ vom 13. Juli 1929: „Die evang. Kirchengemeinde konnte hauptsächlich mit Hilfe der lieben Amerikaner ihr altehrwürdiges, 150 Jahre altes Gotteshaus gründlich ausbessern und herstellen lassen. Die Malerei der Kirche besorgte Malermeister Karl Hecht aus Matzdorf. Der Besucher der Kirche gewinnt unbedingt den Eindruck, dass Hecht durch seine Arbeit etwas Ganzes, Vollkommenes geschaffen hat.“
Ähnliche Anerkennung erhielt Karl Hecht in der „Danksagung“ vom 20. Dezember 1930: „Der Vorstand der evang. Gemeinde zu Mühlenbach bestätigt dankend den Empfang folgender Spenden gelegentlich des 100-jährigen Kirchweihfestes (…) Die Malerarbeit in der Kirche führte der Malermeister Herr Karl Hecht aus Matzdorf mit kunstvollem Geschmack durch.“
Bei meiner Internetrecherche über die Kirchen stellte ich fest, dass die in Mühlenbach/Mlynica schon sehr lange nicht mehr genutzt wird und dem schlechten Zustand nach seit noch viel längerer Zeit nichts mehr an ihr gemacht wurde. Das Innere war völlig leer und nicht zugänglich. Allerdings konnte ich über einen Kontakt, der den Schlüssel hatte, eine Innenaufnahme aus dem Jahr 1930 erhalten. Damit wurde für mich wie ein Mosaikstein wieder etwas mehr vom Gesamtbild der Zeit sowie dem Leben und Wirken meines Urgroßvaters sichtbar.
Einem Artikel vom 12. Juli 1930 konnte ich entnehmen: „Im Sanatorium Dr. Guhr wurde Ende Juni der neugebaute Ostflügel in Betrieb genommen (…) Hier wollen wir in erster Reihe nochmals richtigstellen, dass die Malerarbeiten der bestbekannte Matzdorfer Malermeister Hecht gemacht hat, der bereits seit 30 Jahren alle solche Arbeiten in Weszterheim erledigt.“
Dadurch weiß ich, dass die Firma seit mindestens 1900 existierte. Im Archiv in Georgenberg/Spišská Sobotá und Leutschau/Letvoča hatte ich lange nach einem Eintrag zur Firmengründung gesucht, aber nichts gefunden. Somit war das Rätsel zumindest teilweise gelöst beziehungsweise eingegrenzt. Dennoch wurden aber wieder neue Fragen aufgeworfen: Bestand die Firma bereits etwas früher und wenn ja, hat die Firma Hecht Weszterheim erst seit 1900 als Kunden gehabt oder ist dies auch das Gründungsjahr? Bei wem hat er seine Lehre und wann genau seinen Meister gemacht?
Stichwort Rätsel
Ein weiterer spannender Fund eröffnete mir weitere Fragen, aber auch neues Wissen über meinen Urgroßvater. Nämlich, dass er im Jahr 1905 tatsächlich eine Reise nach New York unternommen hatte. Zu dieser Zeit war eine solche Reise ein großes Ereignis. Sie war kostspielig und dauerte sehr lang. Allein die Überfahrt mit dem Schiff, der S.S. Rhein, von Bremen aus dauerte 12 Tage.
Mit diesem Beweis für die Reise tauchten erneut viele Fragen auf: Warum unternahm er diese Reise? Wie lange blieb er dort? Wusste mein Vater davon? Dies war ein weiteres Rätsel, das zwar nicht unmöglich, aber dennoch unwahrscheinlich zu lösen schien. Aber das ist wieder eine andere Geschichte. So viel sei aber noch gesagt: Hätte sich mir nicht nur bezüglich der Reise das Geheimnisvolle aufgetan, so hätte ich auch nicht die eine oder andere Frage beantwortet und kein weiteres Wissen über meinen Urgroßvater erhalten. Somit schließe ich mit einem Zitat von Albert Einstein: „Das Schönste, das wir erleben können, ist das Geheimnisvolle.“