Im Gespräch mit dem tschechischen Botschafter über „die zentraleuropäische Familie“
Am 12. April traf das Karpatenblatt den tschechischen Botschafter in der Slowakei, Dr. Rudolf Jindrák, zu einem Gespräch. Der langjährige Diplomat mit karpatendeutschen Wurzeln erzählte uns in seiner Landesvertretung in Preßburg/Bratislava von den aktuellen bilateralen Beziehungen Tschechiens mit der Slowakei und seiner Verbundenheit zum Land.
Nach Ihren Posten in Berlin, Budapest und Wien sind Sie nun seit Januar 2023 der höchste Diplomat Tschechiens in der Slowakei. Welche Rolle spielt dabei Ihre eigene karpatendeutsche Familiengeschichte?
„Das spielt eine wichtige Rolle in meiner Funktion als Botschafter. Die Emotion ist wichtig, denn die Slowakei ist einer der engsten Partner Tschechiens und durch meine Familiengeschichte habe ich eine sehr starke, persönliche Beziehung. Meine Vorfahren haben mehr als sieben Jahrhunderte als deutsche Familie in der Slowakei gelebt.“
Die tschechische Regierung hat kurz nach dem letzten Treffen der Visegrád-Gruppe im vergangenen Februar alle bilateralen Treffen mit der Slowakei ausgesetzt. Hat sich Ihre Zusammenarbeit mit der Slowakei verändert seitdem die neue Regierung im Amt ist?
„Nein, wie Sie wissen hat die tschechische Regierung nicht die gemeinsamen Regierungssitzungen abgeschafft, sondern sie hat gesagt, wir brauchen jetzt eine Pause, denn wir sind uns nicht einig über die Frage der russischen Aggression in der Ukraine. Das ist der einzige Grund. Der Zeitpunkt war während der hiesigen Wahlkampagnen für die Präsidentschaft und wurde von der Öffentlichkeit so aufgefasst, als hätte man in Prag eine Entscheidung gegen die Slowakei getroffen, doch das ist nicht der Fall. Ich denke, das ist keine Katastrophe, denn für zwei bis drei Jahre hat es gar keine gemeinsamen Sitzungen mit der Slowakei gegeben. Nur müssen wir jetzt wieder intensiver mit den einzelnen Ministerien zusammenarbeiten.“
Die Präsidentschaftswahlen warfen also ihre Schatten voraus. Peter Pellegrini wurde als neues Staatsoberhaupt gewählt und wird am 15. Juni vereidigt. Welche Erwartung haben Sie an seine Präsidentschaft?
„Petr Pavel und Zuzana Čaputová haben sehr freundschaftliche Beziehung gepflegt und ich denke, dass auch der gewählte Präsident Peter Pellegrini eine sehr gute Beziehung mit ihm haben wird. Da bin ich mir wirklich zu einhundert Prozent sicher. Wir haben bereits die Zusammenarbeit von sehr unterschiedlichen Staatsoberhäuptern gesehen, wie Miloš Zeman und Zuzana Čaputová. Ich glaube, niemand hat ein Interesse an einer Verschlechterung der tschechisch-slowakischen Beziehungen. Die gemeinsamen Beziehungen sind so wichtig für uns und mit unserer besonderen Verbundenheit ist es eine Pflicht, sie zu pflegen.“
Am 1. März wurde vom Europarat gemeldet, dass Tschechien beschlossen hat, in acht Landesbezirken seine Verpflichtungen zum Schutz der deutschen Sprache auszuweiten. Damit wird der Gebrauch der deutschen Sprache in Behörden, der Justiz und im Bildungssystem zugesichert. Warum hat man sich gerade jetzt zu diesem Schritt entschieden?
„Wir sind eine zentraleuropäische Familie, mit Teilen in Deutschland, Österreich und der Slowakei. Gerade im tschechischen Grenzgebiet ist Deutsch eine der ersten Wahlfremdsprachen und für junge Leute ist die deutsche Sprache zunehmend wichtig geworden, weil große Investoren aus Deutschland kommen. Anfang der 90er Jahre war es egal, ob man Deutsch oder Englisch lernt, aber heute sind besonders Fachkräfte gefragt, die Deutsch sprechen.“
Ebenfalls im März wurde das 25. Jubiläum Tschechiens in der NATO gefeiert. Zu diesem Anlass haben Sie die tschechischen Soldaten am Standort im mittelslowakischen Lešť besucht. Welchen Eindruck haben Sie vor Ort gewonnen?
„Der Einsatz in Lešť ist eine gemeinsame NATO-Operation, die infolge des Krieges in der Ukraine beschlossen wurde. Die tschechische Truppe, bestehend aus über 400 Soldaten, hat noch bis zum 1. Juni 2024 die Führung der Mission inne, bis dann turnusmäßig die Spanier übernehmen. Danach werden etwa 200 Soldaten in einem beschränkten Kontingent in Lešť verbleiben.
An der Seite von europäischen und amerikanischen Soldaten ist diese gemeinsame Einsatzgruppe zum Schutz der Slowakei bestimmt. Gerade die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr berührt mich sehr, denn während meines Militärdienstes in den 80er Jahren haben wir noch gelernt, dass der größte Feind der Tschechoslowakei die westdeutschen Soldaten seien. Heute sind wir gemeinsame Verbündete.“
Am 25. März richtete das Tschechische Zentrum in Preßburg die Podiumsdiskussion „Mitteleuropa in der NATO: Gemeinsam sind wir stärker“ aus. Was war die Hauptessenz der Veranstaltung?
„Obwohl so viele Zuschauer kamen, gab es keine negativen Rückmeldungen zur NATO-Mitgliedschaft. Das hat mich überrascht, denn ich habe eine schwierigere Diskussion mit dem Publikum erwartet. Meiner Meinung nach ist die Slowakei geteilt in dieser Frage und die Leute in Bratislava haben eine andere Meinung als die im Osten des Landes.“
Welche Bedeutung haben die anstehenden Europawahlen für Sie?
„Meine wichtigste Erwartung ist, dass die Menschen auch daran teilnehmen. Die Wahl zum Europaparlament wird manchmal als Referendum über Innenpolitik missverstanden. Doch die Wähler schicken ihre Vertreter nach Straßburg und Brüssel, deswegen ist es wichtig, europäisch zu denken. Es ist eine Wahl, die über unseren Platz und die Zukunft in Europa entscheidet.“
Das Gespräch führte Peter Mons.