Henry Spira – Der Bänker aus Richwald
Wie viele seiner Mitbürger wanderte der aus Richwald/Veľká Lesná stammende Henry Spira im Alter von nur 16 Jahren Ende des 19. Jahrhunderts nach Amerika aus. Spira brachte gute handwerkliche Fähigkeiten und Ideen mit. Zu größerem Vermögen kam er als Gründer einer Bank sowie mit Geld- und Devisengeschäften.
Kennen Sie den Ort Richwald/Veľká Lesná? Wenn nicht, wird Ihnen vermutlich auch der ungarische Name des Ortes, Kristályfalu, keine Hilfe sein. Richwald liegt zwischen Červený Kláštor/Rotes Kloster und Topporz/Toporec. Gegründet wurde Richwald im 13. Jahrhundert von der Adelsfamilie Görgey. Hier kam der spätere Henry Spira als Henrik zur Welt – am 21. Juni 1863 als Sohn von Bernáth Spira und Eszter Deutsch.
Henrik wuchs in einer Zeit auf, in der erst die Zünfte in der Zips (1872) und etwas später (1876) die Körperschaft der 16 Zipser Städte aufgelöst wurden. Das bedeutete für die Zipser Deutschen die zwölfjährige Militärpflicht und den Verlust von seit Jahrhunderten geltenden Privilegien. Dazu kam das Verdrängen des Handwerks durch die Industrialisierung, was in Bergbau und Handwerk zum Verlust von Arbeitsplätzen führte.
Mit 16 nach Cleveland, Ohio
All das war für viele Zipser Grund genug, ihre Heimat zu verlassen und in Amerika ein neues Leben aufzubauen. Nach Schule und Lehre, im Alter von 16 Jahren, ging auch Henrik Spira diesen Weg. Aus den Angaben auf den Einbürgerungsanträgen seiner Frau und von ihm aus den Jahren 1899 bzw. 1905 entnehmen wir, dass er mit dem Schiff „Canada“ am 18. Mai 1879 von Antwerpen in die USA kam. Aus dem jungen Henrik wurde jetzt Henry, der sein erstes Geld als Arbeiter bei einer Schifffahrtsgesellschaft verdiente.
Da ihm Handel mehr lag, suchte er bald in diesem Bereich Arbeit und fand sie als von Haus zu Haus gehender Verkäufer. Henry muss dabei erfolgreich gewesen sein, denn in den sechs Jahren bis 1885 brachte er es zu einem eigenen Geschäft.
Nochmals fünf Jahre in der Zips
Im Jahr 1885 reiste er in seine Heimat und baute dort einen Handel mit alkoholischen Getränken auf. Nicht nur das: Am 13. Juni 1886 heiratete er in Bartfeld/Bardejov Mathilda Ehrlich, die Tochter eines Kaufmanns. Getraut wurden sie von Rabbi Moses Halberstam. Nach fünf Jahren kehrte er mit seiner Ehefrau in die USA zurück. Beide wurden in Cleveland, Ohio, sesshaft und hatten dort sechs Kinder.
Ein Verwandter?
Der Name Spira war um 1900 im Norden des Zipser Komitats recht häufig. So zeigt eine Ansichtskarte vom Rákóczi-Haus in Eperies/Prešov, dass sich in dessen Erdgeschoss das Modegeschäft eines Henrik Spira befand.
Die Geschäftsidee
Henry Spira, in seinen Handelsgeschäften und bei zwei Schiffsfahrten über den Atlantik mit vielen Menschen und deren Problem in Kontakt gekommen, eröffnete in Cleveland ein Lokal, einen Saloon. Wie er kamen viele seiner Kunden aus dem damaligen Ungarn. Er verkaufte ihnen nicht nur Alkohol, sondern half ihnen auch, ihre Ersparnisse zusammenzuhalten und Schiffstickets für die Überfahrt nach Amerika zu erwerben.
Die Henry Spira Bank
Spira verwaltete das erarbeitete Geld der Einwanderer, zunächst zum Ansparen des Betrages, mit dem Angehörigen und Freunden in Europa die Überfahrt nach Cleveland bezahlt werden konnte. Außerdem gab er eigene Schiffstickets heraus. Dieses Unternehmen übernahm nach und nach weitere Funktionen des Bankgeschäfts. Im Jahr 1916 wurde es zur „Bank of Henry Spira“ mit Sitz unweit seines Saloons in der Broadway Avenue. Diese Straße zählt heute zum historischen Distrikt der Stadt. Aus der Henry Spira Bank entstand später die Spira Savings & Loan Association.
Das Devisengeschäft lagerte Spira in eine neue Firma, die Spira International Express Co., aus. Als Henry Spira 1932 in den Ruhestand ging, übernahm die Guardian Trust Company das Unternehmen.
In jüdischer Gemeinde aktiv
Spira war in der jüdischen Community Clevelands fördernd und leitend aktiv, so von 1926 an 12 Jahre als Präsident seiner Gemeinde. In deren historischen Dokumenten wird besonders sein soziales Engagement hervorgehoben.
Henry Spira starb am 10. April 1941 in Cleveland an Herzschwäche. In seinem Testament bedachte er die jüdische Gemeinde mit einem großen Teil des umfangreichen Nachlasses, insbesondere deren Altenheim, Krankenhaus und Wohlfahrtsverband.
Dr. Heinz Schleusener