Geschichte eines Ausstellungsdokumentes
Die Comenius-Universität in Pressburg feiert ihren 100. Geburtstag. Die größte und älteste Universität slowakeiweit wurde nach der Entstehung der Tschechoslowakei gegründet. Ihre Gründung hatte eine wesentliche Bedeutung für die Entwicklung der Kultur, Wissenschaft und Bildung der Slowakei.
Die Feierlichkeiten haben schon im März begonnen. Einer der Höhepunkte war die Ausstellung „Die erste Dame der Bildung – 100 Jahre der Comenius-Universität“, die Ende Juni im Pressburger Stadtmuseum eröffnet wurde. Da kann man erfahren, dass die Comenius-Universität seit der Gründung 1919 bis Jahresende 2018 über 260.000 Titel erteilte.
Darunter waren einige Karpatendeutsche, was auch eines der gezeigten Originaldokumente aus dem Archiv der Comenius-Universität beweist.
Schicksal eines jungen Mediziners aus Johannesberg
In einer Vitrine sieht man das Diplom des Doktors der Allgemeinmedizin Johann Pittner, unterschrieben am 29. März 1941 vom damaligen Rektor, Professor Vojtech Tuka (später Ministerpräsident der Slowakischen Republik) und dem Dekan der Medizinischen Fakultät Professor Konštantín Čársky. Im Diplom steht, dass Johann Pittner wohnhaft in „Piarg“ war, was eigentlich Johannesberg/Kremnické Bane ist (Original im Archiv der Comenius-Universität, Foto Margaréta Hernando).
Welche Geschichte ist mit diesem Diplom verbunden?
Was für ein Schicksal ereilte den in den damaligen Kriegsjahren neu gebackenen jungen Arzt? Zuerst versuchte ich etwas im Archiv der Comenius-Universität herauszubekommen, aber ohne größeren Erfolg. Erfahren habe ich nur, dass er am 12. April 1916 in Johannesberg geboren ist und zu der Zeit seiner Promotion seine Mutter nicht mehr lebte. Bei den Recherchen in der Karpatenpost bin ich aber auf einen Bericht gestoßen, der das Schicksal des jungen Arztes klärte.
Johann Pittner beherrschte neben seiner Muttersprache auch souverän das Slowakische. Deswegen begleitete er im Sommer 1940 zwanzig slowakische Studenten von Pressburg nach Leipzig. Dort entstanden mehrere Freundschaften, darunter auch zwischen der älteren kinderlosen Frau Käthe und dem jungen Johann. Ein Teil der späteren gegenseitigen Korrespondenz wurde veröffentlicht. Ende 1940 schrieb Johann an Käthe: „Im Frühling, nach meinem letzten Examen, wohnst Du, statt meiner verstorbenen, lieben Mutter – die Genehmigung dafür will ich von ihr unterdessen erbitten – dem feierlichen Akte meiner Promotion zum Doktor bei. Von dort (Preßburg) fahren wir dann in meine engere Heimat, wo ich Dir alle Schönheiten der Mittelslowakei – das Hauerland – zeige. Dann begleite ich Dich, denn dann ist für mich der Antrittstermin zum Militärdienst gekommen (…)“
Reise nach Pressburg
Käthe hat die Einladung angenommen, an den Aufenthalt in Pressburg erinnerte sie folgend: „Ein Tag vor der Promotion, die 29. März 1941 stattfinden sollte, traf ich in Preßburg ein. Ich wurde von Hansl (Johann) in Empfang genommen und fand im Hotel Dax Quartier. Ich sah erstmals die Hauptstadt der Slowakei! In Deutschland hatten wir schon über Jahr und Tag Verdunklung – und hier strahlte am Abend eine ganze Stadt! (…) Der Vormittag 29. März vereinigte uns alle in der Universität. Vorher lernte ich Hansls Vater, einige Familienmitglieder und seinen Freundeskreis kennen. Nach der Feierlichkeit führte uns der strahlende, frisch gebackene Dr. med. in die Gastwirtschaft Lerchner“.
Fahrt ins Hauerland
Nach einigen Abschiedstagen in Pressburg fuhren Käthe und Johann nach Johannesberg. In den nächsten Tagen wanderten sie nach Kremnitz, Blaufuß, Kuneschau, Krickerhau und durch die Wälder des Hauerlandes. Einige Tage verbrachten sie sogar in der Hohen Tatra und in der Zips. Nach drei Wochen verließen Käthe und Hansl das Pittner-Haus Richtung Bahnhof und weiter nach Wien: „In Wien angekommen, besuchten wir den Stephansdom und verlebten einige Stunden in Schönbrunn.
Mein Ziel für den nächsten Tag war Eisgrub/Lednice in Südmähren, und Hansl begann seine Militär-Ausbildung in Brünn. Somit hatten wir bis Lundenburg/Břeclav noch gemeinsame Fahrt. Aber dann kam der letzte – der allerletzte Abschied! Dann setzte sich der Zug in Bewegung. Noch lange konnten wir uns sehen und winken, da der letzte Wagen ein großes Fenster an der Rückseite hatte. (…) Sein wertvolles, vielversprechendes Leben wurde nicht erfüllt. Er fuhr entgegen seinem vorzeitigen Tod.“
Am 10. August 1941 bei Luga in Russland wollte Johann Pittner einen verwundeten Kameraden retten, dabei fand er aber selber den Tod. In den vergangenen 100 Jahren barg die Alma Mater auch solche, bisher unbekannte, tragische Schicksale ihrer Kinder, wie das von Johann Pittner.
Ondrej Pöss