Arm und Reich in Zeiten von Corona

Die Reichen haben es erfahrungsgemäß immer leichter, moralisch zu sein als die Armen. Der Reichtum ist vielfach ein Schutzwall, die Armut dagegen ein Anreiz zum Vergehen. Zum Beispiel wird ein Reicher niemals auf den Gedanken kommen, Brot oder einen Hamburger zu stehlen. Brot stiehlt immer nur einer, der Hunger hat und kein Geld besitzt, um sich Brot zu kaufen.

Ein Reicher, der sich im Besitz eines Autos befindet, wird auch niemals der Versuchung verfallen, ohne Fahrkarte mit der Straßenbahn zu fahren. Denn abgesehen davon, dass es ihm ein Leichtes ist, eine Fahrkarte zu kaufen, wartet vor seiner prunkvollen Villa ein ebenso prunkvolles Auto, das ihn befördert, wohin er will. Dass dies auch für die Anwendung der Corona-Regeln gilt, liegt offensichtlich auf der Hand.

Auch die Gesetze des familiären oder sozialen Zusammenlebens müssen unter den Armen viel strenger sein als unter den Reichen. Die Armen sitzen in großer Zahl in den Mietshäusern zusammengepfercht, während die Reichen in geräumigen Villen mit so vielen Zimmern wohnen, dass einer sich dem anderen entziehen kann und damit auch nicht Gefahr läuft, ihm lästig zu fallen. Die Armen müssen viel disziplinierter leben als die Reichen, denn sonst können sie überhaupt nicht miteinander auskommen.

Wahres Gesicht der Moralapostel

Was nun die Moral selbst betrifft, so sind meistens die Menschen am moralischsten, die bereits ein bewegtes Leben hinter sich haben. Der Volksmund sagt ja schon, dass die schlimmsten Weiber leichter Sitten im Alter meistens auch die frömmsten Betschwestern werden. Die Natur macht ihnen dann die Moral verhältnismäßig leicht und es ist zu verstehen, dass sie in einem betagteren Lebensalter versuchen, eiligst das nachzuholen, was sie in einer wilden Jugend offenbar versäumt haben.

Vom Privaten zum Öffentlichen

Das ist nun nicht nur bei den Privatpersonen so, sondern auch bei den Volks- und Interessensgruppen. Hier liegt der eigentliche Grund, warum wir uns im Augenblick unserer demokratischen Lebensauffassungen wegen, und vor allem mit so manchen Einflusstragenden reichen Spießern und Alleswissenden nicht verständigen können. Diese tun sich leicht, von politischer oder persönlicher Moral zu reden. Sie besitzen alles, was sie zu ihrem Leben brauchen.

Sie haben sich in einer Zeit, in der in der Politik noch nicht viel von Moral gesprochen wurde, ein Geldreich zusammengezimmert und verteidigen nun ihr „Imperium“ mit moralischen Sprüchen und gutem Rat. Sie kämen bildlich gesprochen nie auf den Gedanken, Mundraub zu begehen, denn sie haben ja keinen Hunger und leben nicht in Nöten. Sie besitzen genügend Brot und Geld, um ihren Hunger und ihre Bedürfnisse zu stillen. Die Gesetze ihres generationsmäßigen Zusammenlebens dürften sehr lax sein, da sie gesellschaftlich oder privat gesehen eigentlich von keiner Gefahr bedroht sind.

Christliche Werte siegen

Wie kommt man aber auf diese Weise auf den Gedanken, Mensch zu Mensch sowie Alt zu Jung oder aber Arm zu Reich zu holen und all dies sogar unter einen Hut zu bringen? Dies ist die Frage und zugleich Aufgabe der Zeit, vor der wir stehen und die gerade in verschärften Umständen der zuschlagenden Wellen der Coronazeit unbedingt geknackt werden muss.

Seit Corona-Einschlag haben wir Karpatendeutschen viele Illusionen verloren, umso mehr aber an Kraft und Klarheit gewonnen. Wir setzen unsere Hoffnung auf Solidarität, auf Humanität, auf die Verständigungsbereitschaft der anderen. Wir vertrauen aber vor allem auf uns selbst und auf unsere eigene Kraft. Und darum sind wir denen zu größtem Dank verpflichtet, die uns seit den Anfängen des Coronadramas ununterbrochen immer wieder nach brutalen Faustschlägen der Ereignisse aus unserer niederschlagenden Verdrießlichkeit und Traumseligkeit erwecken und immer wieder auf die Beine zu stellen vermochten.

Kein Zeitüberfluss, sondern Zwangsanstoß

Wie die Dinge sich weiterentwickeln, vermag im Augenblick noch niemand zu sagen. Die einen sind gar nicht in der Lage, all das zu verzehren, was ihnen gehört, die anderen dagegen haben zu wenig und müssen deshalb hungern. Einen ähnlichen Prozess erleben wir nun auf internationalem Gebiet. Daraus ergeben sich die krisenhaften Spannungen, die heute nicht nur unsere karpatendeutschen Regionen, sondern die ganze Slowakei, ganz Europa und die Welt bewegen.

Also bleibt uns nur eine Wahl: Den unabänderlichen Tatsachen fest in die Augen zu schauen, berechtigte und unabdingbare Lebensansprüche junger und aufstrebender Menschen zu erfüllen und damit praktische Wege zu einem wirklichen aufblühenden segensreichen inneren und äußeren Frieden zu beschreiten, ganz gleich ob weitere Corona-Wellen zuschlagen oder nicht. Die erste Partie ist schon zweifellos zu unseren Gunsten entschieden. Also frischauf zur Tat!

Oswald Lipták