Kultur- und Begegnungsfest in Käsmark

Auf Wiedersehen, Käsmark!

Es ist schon zur Jahresordnung geworden, dass Käsmark, dieses alte Bollwerk der Zipser- und Karpatendeutschen am 23. und 24. Juni wiederum mit Musik, Tanz- und Sängerkunst lebendig wurde. So erklangen alte deutsche Lieder, die mit Herz und Hand und vor allem mit glühender Begeisterung ihrer Interpreten, auf der Bühne des alten Käsmarker Tempelhofs frohgemut präsentiert wurden.

Diesmal hat es ja auch einige wichtige Anlässe zu solcher Bezeichnung gegeben. Und ob sie es gibt…! Denke man nur an das 500. Jahresjubiläum der lutherischen Reformation, die von allen Teilnehmern, unabhängig von Konfession oder Nationalität, aufrichtig und in tiefer Andacht gewürdigt wurde. So ergaben sich allein dadurch ganz neue übernationale und regionale Dimensionen bei der Betrachtung dieser Festtage. In Käsmark fand nämlich ein reger Kulturaustausch gerade zur Zeit der Reformation statt, wobei sich damals wertvolle und wichtige Verknüpfungen zwischen Ober- und Unterzips ergaben und viel Fruchtbares erbracht hatten.

Bereits im Jahre 1520, also drei Jahre nachdem Martin Luther seine 95 Thesen auf das Elster-Tor in Wittenberg anschlug, verkündete der Käsmarker Pfarrer Thomas Preissner die neue Lehre von der Kanzel der Leibitzer Kirche. Dem folgte bald Georg Leudischer, ein anderer Sohn der Stadt Käsmark. Die Reformation hielt bald ihren Einzug auch in anderen Städten und Dörfern der Zips und zwar in massivem Umfang. So zum Beispiel in Zipser Neudorf, Leutschau und unserem Heimatdorf Schwedler, wo der Prediger Andreas Fischer mit der Taufe von Erwachsenen in der heutigen katholischen Kirche der Gemeinde Schwedler anfing.

Die Reformationslehre machte in Käsmark im wahrsten Sinne des Wortes bald Schule, was nicht nur zur völligen Umgestaltung der alten städtischen Lateinschulen in ein modernes Schulsystem führte – ganz nach dem Muster von Luthers Mitstreiter Phillip Melanchton. Davon zeugt die Gründung des weit und breit berühmten Käsmarker Lyzeums A.B. Auf diesem Lyzeum, später deutsches Gymnasium A.B., das im Jahre 1533 durch kühne Aktivitäten des erwähnten Pfarrers Leudischer gegründet wurde, studierten später die besten Köpfe unseres Landes. So zum Beispiel Aurel Stodola, Pionier der Turbinenforschung und persönlicher Freund und Lehrer Albert Einsteins, der Dichterfürst der slowakischen Poesie Pavol Orszagh Hviezdoslav und Joseph Maximilian Petzvall, ein Physiker und Optiker, um wenigstens  einige berühmte Persönlichkeiten beim Namen zu nennen.

Also nicht nur zum Glaubens- sondern zugleich zum Bildungsbollwerk aller Nationalitäten und Glaubensbekenntnisse ganz Ungarns ist diese Käsmarker Bildungsanstalt geworden. Ja, sie war eine wahre Integration und wahre Wiege des freien Geistes reinen Glaubens,  wie auch wahren Patriotismus. Mit solchen Gedanken fuhr ich mit unserer Sängergruppe „Schbaadla“ nach Käsmark.

Alle, ob Jung oder Alt, bestiegen den Bus, der um acht Uhr in Schwedler einfuhr. Dort warteten unsere Mitglieder: Frau Gabi Ivančová, Vorsitzende der Ortsgemeinschaft, der meisterhafte Kapellmeister Ján Sopko, der opferbereite Akkordeonspieler Karl Kraus, Frau Anna Želinská und Frau Katarína Pavorisová, die nicht nur als gute Sängerin, sondern auch als unsere begeisterte Fotografin tätig war, und schließlich meine Wenigkeit.

Es steht leider die Tatsache vor uns, dass man eine spürbare Verminderung aktiver Mitglieder unserer Ortsgruppe hinnehmen muss, so dass unsere Sängergruppe sich mit den Göllnitzer Freunden für den Auftritt in Käsmark zusammenschließen musste. Trotz dieser Gegebenheit, die einer eingehenden Analyse bedarf, haben sich unsere Damen und Herren mit vollem Elan dieser Aufgabe gestellt und sämtlichen Problemen nicht nur die Stirn geboten, sondern auch durch ihr begeistertes und erfolgreiches Auftreten einen würdigenden Beitrag geleistet.

Nach Ankunft in Käsmark begaben wir uns alle in die evangelische Artikularkirche zum  ökumenischen Gottesdienst, wo uns unser lieber und hochgeschätzter Landsmann und treuer Begleiter Herr Professor Ferdinand Klein herzlich begrüßte. Es erfolgten schöne und kernige Predigten des evangelischen und römisch-katholischen Pfarrers, aber auch Beiträge von mehreren Gästen aus Deutschland wie zum Beispiel des Pfarrers Moravek sowie des Presbyters der evangelischen Kirchengemeinde Mikuláš Lipták.

Aus dem Gespräch mit Herrn Professor Klein und aus eigenem tiefen Ersinnen bei diesem Gottesdienst, bewegten mich einige Gedanken. Wenn man nämlich die freudig vorgetragene Musik des Posaunenchors aus Einsiedel, der mit so vielen, ja fast ausschließlich jungen Menschen agierte, die Ansprachen und selbst die Anwesenheit so vieler hervorragender Menschen hinzufügt, so ergibt sich eindeutig ein Gedanke der jedwedem Zweifel ein Ende setzt.

Uns hat das Schicksal nicht untergekriegt! Schauen wir mal zurück, so sehen wir viel Unheil, Sorge, Not, Verfolgung und Verzweiflung. Und doch bestanden unsere Vorfahren die harten Prüfungen. So mancher Sämann ging nun wiederum aus und streute Samen. Und die Erde begann wieder zu treiben. Angesichts dessen, was da geschehen ist, kann gesagt werden, dass der Wind auf Gut-Wetter steht und wir steuern wieder mit Mut und Zuversicht auf die neue Ernte zu. Ja, wir haben bestanden, Gottes Hand stand über uns!

Schauen wir mal vorwärts: Die Wahrheit kann niemandem vorenthalten werden. Eine Zeit des Bemühens und Ringens steht vor uns. Wer mit beiden Füßen im Leben steht, der weiß Bescheid, worum es geht. Neue Probleme und Schwierigkeiten brechen herein. Doch wir werden das Schicksal mit der uns geschenkten Kraft meistern.

Und so meisterten auch unsere Damen mit bienenfleißigem Eifer den Umzug durch die Stadt Käsmark bis hin zum Schloss. Nach der besinnlichen Atmosphäre des Gottesdienstes standen wir plötzlich inmitten der Freuden und Feierlichkeiten des Festes. Auf dem Tempelhof des alten Thökoly-Schlosses begrüßten die Repräsentanten des Karpatendeutschen Vereins die Anwesenden und die Ehrengäste stellten die Bedeutung der deutschen Sprache für die Entwicklung der karpatendeutschen Kultur heraus.

Es war wahrlich erfreulich zu sehen, wie so viele Tanz- und Sängergruppen den Pantoffel zu schwingen anfingen. Es sei das Auftreten der Tiroler Musikgruppe „Die Dörfer“ zur Erwähnung gebracht, die eine gelungene Mischung aus Folk und Pop zeigten und kaum von der Bühne weg konnten, da sie mit überlauten Zugabe-Schreien in einem Fort umjubelt  wurden. Bemerkenswert war auch der Auftritt der in Österreich beheimateten  Multinationalitätsgruppe „KOLOSLAVÚJ“. Dabei wurden Slowaken, Slowenen, waschechte Österreicher und sogar ein Ungar unter einen Hut gebracht und repräsentierten mit Gesang und Klang das Zusammenleben verschiedener Nationalitäten. Für Aufmunterung mittels slowakischer Musik sorgte die mit vollem Einsatz spielende Musikgruppe des Kapellmeisters Milan Rendoš, die dem Publikum die Herrlichkeit slowakischer Musik nicht nur beibrachte, sondern mit ihren Rhythmen in die Glieder der in- und ausländischen Teilnehmer hinein fahren ließ. Kein Wunder, dass der Tanzpantoffel bald zu schwingen anfing und die Stimmung kochte gleich den zubereiteten Delikatessen im naheliegenden Imbiss-Zelt. Es war einfach fabelhaft.

Nun ja, Musik kennt nämlich keine Grenzen, sie bricht alle Barrieren und nimmt leicht alle Hürden.

Aber auch unsere Karpatendeutschen ließen sich keinesfalls in die stille Ecke treiben. Herr König ermunterte das Publikum mit seinem kühnen Auftritt und ließ sein berühmtes Schlagerangebot hochkommen. Diesem folgten die Hauerländer aus dem Krickerhau/Handlová unseres Landesvorsitzenden mit ihren „Grünwäldern“, die Oberzipser aus Hopgarten rückten mit ihren „Lustigen Menschen“ auf den Plan, wogegen sich die Unterzipser mit der ältesten und bewährtesten Sängergruppe „Schadirattam“ aus Untermetzenseifen präsentierten, derselben  Herkunft ist der Sängerchor „Goldseifen“, wobei  der „Hummelchor“ in Obermetzenseifen beheimatet ist, so wie die im benachbarten Stoß spielende Blasmusikkapelle, die den Namen des Heimatsdorfs ihrer Spieler trägt.

Einen zugleich fröhlichen wie auch tief berührenden Beitrag leistete der bereits besprochene Posaunenchor aus Einsiedel an der Göllnitz. Dieser gibt eine klare Antwort auf die zukunftsbesorgten Fragen. Den Jungs und Mädchen aus diesem deutsch verwurzelten Dorf sekundierte hervorragend auch die Sängergruppe „Spitzenberg“ – sie trägt den Namen eines der schönsten Berggipfel Einsiedels, ja vielleicht der ganzen Unterzips, also der Gründen. Wir Unterzipser werden nämlich auch Gründler be- und genannt. Unsere   Preßburger Landsleute präsentierten sich mit vielversprechender Schuljugend und die Kaschauer Freunde führten dazu die Sängergruppe „Nachtigall“ herbei. Alle befreundeten sich schnell und bald ergab sich daraus langsam aber desto sicherer eine freie Unterhaltung, wobei Jung und Alt von Fern und Nah gemeinsam tanzten und lachten und diesen schönen und kostbaren Augenblick in vollem Zuge genossen.

Wir aber, als waschechte Schwedlerer, erwarteten voller Spannung, dass unsere „Schbaadla“ endlich an die Reihe kommen. Letztendlich war es so weit. Als unsere Gruppe nun auf den Plan rückte, war das zwar nicht gerade der günstigste Augenblick, sie waren nämlich als die Letzten dran. Aber auch die Letzten werden einmal die Ersten sein.

Kultur- und Begegnungsfest in Käsmark

In den Gesichtern konnte man die Spannung gut ablesen, aber als unser Kapellmeister sein kleines Stäbchen erhob und um sich schwingen ließ, war die ganze Nervosität davongejagt. Aus dem Munde unserer Gruppe erklangen und ertönten einstimmig schöne, mit Schwedler und Natur verbundene Heimatlieder, die Herr Karl Kraus mit seinem  Akkordeon hervorragend begleitete, so dass fast kein Auge trocken blieb, zumindest kein Schwedlerer Auge. Somit hatten die „Schbaadla“ für einen würdigen Abschluss des langsam seinem Ende nahenden Festes gesorgt und wurden mit dankbarem Beifall  belohnt.

Wie jede Sache musste auch unser Fest einmal sein Ende nehmen. Man musste nun schweren Herzens, aber doch von und mit Käsmark wie auch erfrischten und neugegründeten Bekanntschaften und Freundschaften Abschied nehmen. Es war wirklich eine schöne zusammen verbrachte Zeit, aber dennoch war es so weit. Auf dem Schlosshof haben wir uns zögernd eingefunden und sind im Geleit unseres teuren  Begleiters, Herrn Professors Ferdinand Klein, zu unserem Bus begangen.

Das Händeschütteln und freundliche Verabschiedungen waren rührend aber auch ermutigend. Jeder Kopf  wimmelte voll von Eindrücken, die wir erst verkraften und danach verarbeiten mussten, um diese später ins Tagesleben umzusetzen. Im Bus herrschte eine gute Stimmung, wenn auch eine gewisse Erschöpfung von sich wissen ließ. Aber es ist und bleibt völlig verständlich, ja staunenswert, was unsere bereits betagten Mitglieder noch alles hinzukriegen vermochten.

Nun lebe wohl Käsmark, lebt wohl liebe Freunde und Gastgeber, Euch  gebührt unser Dank und unser einstimmiges Versprechen: Wir kommen wieder. Und zwar sehr gerne. Danke und auf Wiedersehen, Käsmark!

Oswald Lipták

Schwedler

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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