Berühmte Zipser: Der Linguist Paul Hundsdorfer
Paul Hundsdorfer? Wer ist das, wird sich mancher Leser fragen. Weit mehr bekannt ist dieser Mann unter dem Namen, den er im Jahr 1842, im Alter von 32 Jahren, freiwillig annahm: Pál Hunfalvy. Er verstand sich als Ungar und wollte das im Namen ausdrücken. Sein 1876 veröffentlichtes Werk „Ethnographie von Ungarn“ machte ihn über Ungarn hinaus bekannt.
Am 12. März 1810 in Groß-Schlagendorf/Veľký Slavkov als zweites von sechs Kindern des Ehepaars Johann Hundsdorfer und Maria Wester geboren, besuchte er die Schulen in Kesmark. Zum Erlernen der ungarischen Sprache ging er nach Mischkolz/Miskolc, kehrte dann aber wieder nach Kesmark zurück und errang dort die Hochschulreife. Es folgte das Studium der Rechtswissenschaft in Pest. Dort beschäftigte er sich, wie man schrieb, „mit beharrlichem Eifer mit den modernen, dann den classischen und orientalischen Sprachen“ und er machte auf eigene Kosten wissenschaftliche Reisen nach Deutschland und in die Schweiz.
Vermutlich diente seine Tätigkeit als Erzieher der Söhne des Freiherrn Karl Podmanickys (1772-1833), Friedrich und Arnim, der Finanzierung seiner Studienzeit. So verlängerte sich seine Studienzeit, das Diplom als Jurist erwarb er 1838.
Lehrer in Kesmark und Abgeordneter
Pál kehrte von 1842 bis 1848 nach Kesmark zurück, um als Professor für Rechtswissenschaft an der Lutherischen Hochschule zu lehren. Ab 1846 war er Direktor dieser Einrichtung.
Er erwarb sich viel Vertrauen, das in die Wahl zum Abgeordneten des Zipser Komitats für den ungarischen Landtag mündete. Wegen seiner parlamentarischen Arbeit bezeichnet Heinrich von Levitschnigg (1810 – 1862), Redakteur in der Pester Zeitung und Autor des 1850 erschienen Buches „Kossuth und seine Bannerschaft“, Hunfalvy als „den einzigen Volksvertreter im echten Sinne des Wortes“.
Jetzt nur noch Wissenschaftler und Herausgeber
Bereits 1841 hatte die ungarische Akademie der Wissenschaften Hunfalvys Arbeit durch die Ernennung zu ihrem Mitglied gewürdigt, im folgenden Jahr wurde er Mitglied der Kisfaludy-Gesellschaft, eines 1837 gegründeten Kulturvereins zu Ehren der Brüder Sándor und Károly Kisfaludy, zweier Dichter und Dramatiker. Die Preußische Akademie nimmt ihn 1873 als korrespondierendes Mitglied auf, Mitglied der American Philosophical Society wird er im Jahr 1886.
Nach der Niederschlagung der Unabhängigkeitsbewegung musste sich Pál Hunfalvy verstecken. In dieser Zeit lernte er Finnisch und begann sich mit den uralischen Sprachen zu befassen. Zu diesen Sprachen zählen wir heute vor allem Ungarisch, Finnisch, Estnisch und die in Regionen Russlands gesprochenen Mordwinisch, Mari, Udmurtisch und Komi.
Von ökonomischen und historischen Themen, über die er früher publiziert hatte, wendet er sich nun sprachwissenschaftlichen und ethnographischen Themen zu. Beispiele für den Wandel sind die noch im Jahr 1843 geschriebenen „Ungarischen Wechsel- und Handelsgesetze“ (Magyar váltó és kereskedelmi törvények) und „Finn olvasmányok a’ finn nyelvet tanulók számára“ (Finnische Lesestücke für Finnisch-Lernende, 1862). Er übersetzt aus dem Arabischen und Griechischen, so Werke des Philosophen Platon für die ab 1854 in Pest herausgegebene Bibliothek der griechischen und römischen Klassiker.
Im Jahr 1855 wurde er Herausgeber der philologischen Zeitschrift „Magyar nyelvészet“ (Ungarische Sprachwissenschaft), die er 1862 durch die Zeitschrift Tudományos közlemények (Sprachwissenschaftliche Mitteilungen) ersetzt. Eine Studienreise in den Ostseeraum im Jahr 1869 unterstützt ihn bei seiner Sprachforschung. Seine Ergebnisse legt er 1871/72 in einem zweibändigen Werk nieder (Utazás a balt-tenger vidékein/Reise in den Ländern am Baltischen Meer). Auch die „Literarischen Berichte aus Ungarn“ gibt er heraus, dort nennt er sich deutsch-ungarisch Paul Hunfalvy.
Werfen Sie einen Blick in Pál Hunfalvys Ethnographie von Ungarn:
Hunfalvy siegt im „Ugrisch-Türkischen Krieg“
Als 1869 Hypothesen veröffentlicht worden, das Ungarische sei keine finnougrische Sprache, sondern türkischen Ursprungs, beteiligte sich Hunfalvy an den folgenden heftigen Debatten, dem sogenannten „Ugrisch-Türkischen Krieg“. Hervorgerufen hatte diesen der Orientalist Hermann Vámbéry (1832-1913) mit seinem Buch „Ueber den Ursprung der Magyaren“. Dort behauptet Vámbéry, die ungarische Sprache sei mit den türkisch-tartarischen am nächsten verwandt. Den „Ugrisch-Türkischen Krieg“ gewann Hunfalvy mit zahlreichen Mitstreitern, u.a. dem deutschen Sprachforscher Josef Budenz (1836-1892). Hunfalvy hatte den promovierten Budenz im Jahr 1858 als Bibliothekar nach Budapest geholt und ihn für die uralischen Sprachen interessiert. Budenz wurde 1868, nach seiner Habilitation, von der Universität Budapest zum Professor berufen und gilt als Begründer der finnisch-ugrischen Sprachforschung.
Ehrung in Kesmark
Pál Hunfalvy starb am 30. November 1891 in Budapest. Mehr als zwei Jahrzehnte später, am 8. Juni 1913, wurde ihm zu Ehren in Kesmark eine Gedenktafel feierlich eingeweiht. In Berichten ist zu lesen „Ganz Késmark wurde mit Fahnen geschmückt. An der großartigen Feier mit fast tausend Teilnehmern nahmen neben den Schülern auch Vertreter verschiedener Firmen, Vertreter des Parlaments, des Kreises Zips, einzelner Städte und Dörfer, der Ungarischen Akademie der Wissenschaften und Vertreter der Schulen aus Zips, Prešov und Budapest teil.“
Auch heute ist der Sprachforscher nicht vergessen. Neben der Stadt und dem Museum Kesmark erinnern zum Beispiel in Miskolc die Namen einer Straße und eines Parks an ihn.
Dr. Heinz Schleusener