Berühmte Zipser: Germanist und Dolmetscher Rudolf Gedeon
Rudolf Gedeon wuchs mit dem mantakischen Dialekt der deutschen Sprache auf und musste als Kind erst Slowakisch lernen. Das war schwer, doch Sprachen waren es, die ihn später bekannt machten. Sein besonderes Interesse galt Schwedisch, das er an der Universität in Pressburg/Bratislava lehrte und für das er auch als Dolmetscher und Übersetzer tätig war. Er sprach aber auch sehr gut Englisch, Ungarisch und Norwegisch.
Denken Sie manchmal an Ihre ersten Schuljahre zurück? Was ist Ihnen davon in Erinnerung geblieben? Bei dem aus Metzenseifen stammenden und dort eingeschulten Rudolf Gedeon war es der Unterricht nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als die Lehrer ihn und seine Klassenkameraden plötzlich nicht mehr auf Mantakisch, sondern in einer Sprache unterrichteten, die er nicht kannte – auf Slowakisch.
Bei der Oma ist es schön
Rudolf Gedeon, am 20. Juli 1938 geboren, wurde bis zu seinem 8. Lebensjahr von der Großmutter in Metzenseifen erzogen. Diese Zeit war eine der schönsten seines Lebens. Mit seinen Freunden verbrachte er viel Zeit in den Bergen, die den Ort umgeben. Seine Eltern, Rudolf Gedeon und Margita Quirschfeld, betrieben zu dieser Zeit das in Deutschendorf/Poprad direkt am Bahnhof gelegene Hotel Europa. Sie arbeiteten von 5 Uhr morgens bis Mitternacht, für sie war daher der Sohn bei der Großmutter besser aufgehoben.
Strengeres Regime bei den Eltern
Bei einem Besuch der Eltern zu Beginn der dritten Klasse fiel dem Vater auf, dass sein Sohn slowakische Texte nicht lesen konnte.
Sofort entschieden die Eltern, das schöne Leben ihres Sohnes bei der Oma zu beenden und ihn in Deutschendorf zur Schule gehen zu lassen. Rudolf erzählte später, damit hätten die schwierigsten Jahre seines Lebens begonnen. Seine Mutter, die selbst kaum slowakisch sprach, überprüfte nun jeden Abend seine Hausaufgaben. Rudolf, der die Sprache noch nicht verstand, blieb zunächst nichts anderes übrig, als den Inhalt der Schulbücher auswendig zu lernen. Mit dem Beherrschen der neuen Sprache ging es aber schnell voran.
Die neue Umgebung mit ihrer Nähe zu den Bergen der Hohen Tatra glich manche schwere Lernstunde aus. Bald fand Rudolf gute Freunde, mit denen er im Sommer wanderte und kletterte sowie im Winter Ski lief.
Früher Tod des Vaters
Sein Vater starb bereits 1949, als Rudolf erst 11 Jahre alt war. Die Mutter arbeitete nun im Betrieb Vagonka Poprad und hatte noch weniger Zeit für ihre zwei Kinder. Mit einem seiner Freunde, mit Ivor Ripka, war er daher oft zusammen, auch mit dessen Familie. Man saß dort nach dem Essen noch zusammen und sprach über Politik und Kultur. Das war für Rudolf neu und angenehm. Auch die vielen Bücher der Ripkas überraschten und interessierten ihn.
Diese neue Erfahrung sollte Rudolfs Leben von nun an bestimmen. Er wollte mehr lernen, um als Lehrer für die deutsche Sprache, mit der er als Kind aufwuchs, zu arbeiten.
Sprachpraktiker statt Theoretiker
Rudolf Gedeon studierte von 1956 bis 1961 Germanistik an der Philosophischen Fakultät der Comenius-Universität in Pressburg/Bratislava. Seine berufliche Laufbahn begann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Akademie der Wissenschaften. Hier merkte er, dass seine Liebe zu Sprachen auf deren Gebrauch und nicht auf die reine, für ihn „trockene“ Sprachwissenschaft gerichtet war.
Er wechselte an die Comenius-Universität, wo er unter anderem insgesamt 32 Jahre die schwedische Sprache lehrte, von 1968 bis 1990 als Assistent, ab 1990 bis zu seinem Tode als Hochschuldozent. Seine Art, Sprachen zu vermitteln, kam sehr gut an. Noch im Jahr 2014 erinnert sich ein ehemaliger Student in seinem Internet-Blog:
Spezialist für Dialekte
In der Diplomarbeit hatte sich Rudolf mit dem mantakischen Dialekt seiner Heimatstadt beschäftigt. Auch Dialekte von Fremdsprachen konnte er gut sprechen. So führte er zur Freude seiner Studenten vor, wie ein Schwede, Italiener oder Ungar englische Worte aussprach.
Wegen seiner Sprachperfektion rief man Rudolf Gedeon nicht nur als Dolmetscher für Gespräche mit der Regierungsspitze der DDR, er dolmetschte bei den Besuchen des schwedischen Regierungschefs Olaf Palme und nach 1990 beim Besuch des schwedischen Königs.
Natur- und Bergfreund
Die Liebe zu Natur und Bergen gab er an die Jugend weiter. Zwei Jahrzehnte leitete er die ‚Vysokohorská turistika‘ der Universität. Mit seinen Studenten, auch aus anderen Fakultäten, unternahm er Touren in die Berge Bulgariens, Rumäniens und natürlich der Slowakei.
Durch seine Kontakte in viele Länder fand er zu einem eigenen Weltbild, das mit dem in dieser Zeit offiziell propagierten nicht übereinstimmte.
Beliebt bei Kollegen
Bei seinen Kollegen war Rudolf Gedeon wegen seiner natürlichen, unkomplizierten Art sehr beliebt und geachtet. Sein Tod am 14. August 2001 kam für alle viel zu früh. In ihrer Gedenkrede sagt Frau Doc. PhDr. Dagmar Koštálová: „Ich verspreche Dir im Namen von uns allen, dass wir mit unvergänglichen Erinnerungen und anhaltenden Gesprächen mit Dir, die erst der Tod von uns anderen beendet, in tiefer Dankbarkeit über die Stille und Ruhe jenes Ortes wachen werden, wohin Du von uns gingst.“
Dr. Heinz Schleusener
(Dank geht an den Sohn von R. Gedeon, Prof. Tomas Gedeon, Montana/USA, für die Unterstützung mit Bild- und Textmaterial)