Berühmte Zipser: Lehrer Karl Grusz
Der aus Rissdorf/Ruskinovce stammende Karl Grusz ist heute fast so vergessen wie seine nicht mehr existierende Geburtsstadt. Neben dem Ort seiner Geburt ist auch die Hauptstätte seines Wirkens, die „Kinder-Bewahrungs-Anstalt“, verschwunden. Diese wurde 1840 in Kaschau/Košice eröffnet und als Ferdinandium bezeichnet. Sie ist nur noch auf historischen Dokumenten zu finden. Um Karol Grusz und seine Arbeit ranken sich aber Ereignisse, die nicht nur für die Zips und diese Zeit typisch sind.
Beim Versuch, das Leben von Karl Grusz nachzuzeichnen, stößt man auf widersprüchliche Angaben in den historischen Dokumenten und in späteren Beschreibungen dieser Zeit. Trotzdem ist es möglich, markante Ereignisse um das Leben dieses Mannes zusammenzufassen.
Rissdorfer Lehrerfamilie
Vom am 30. August 1804 in Rissdorf geborenen Karl Grusz wissen wir, dass sein Vater Lehrer war. Auch Karls Brüder Johann und Konstantin übten den Lehrerberuf aus. Seine Ausbildung bis hin zum Lehrer war anscheinend gradlinig. Nach Volksschule und Gymnasium studierte er Theologie an der Königlichen Akademie, der Academia regia Cassoviensis, und besuchte anschließend das Lehrerinstitut.
Erster Kaschauer Kindergarten
Karl Grusz wurde im Jahr 1840 in Kaschau erster Leiter einer Einrichtung, die den heutigen Kindergärten ähnelte. Dort nahm man aber auch Waisen auf. Eltern hatten nur einen geringen Betrag für das Essen und Trinken zu zahlen.
Wohltätige Frauenvereine
In Deutschland und im Österreich-Ungarn des 19. Jahrhunderts schlossen sich begüterte Frauen zu Frauenvereinen zusammen. Während die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und danach entstandenen Frauenvereinigungen vorrangig für die Rechte der Frauen kämpften, ging es hier um das Sammeln von Geld für wohltätige Zwecke. Auch in und um die Zips bildeten sich Frauenvereine. In Kesmark/Kežmarok war es der „Allgemeine Frauenverein“ (Általános nőegylet), weitere entstanden zum Beispiel in Zipser Neudorf/Spišská Nová Ves, Schmöllnitz/Smolník und Metzenseifen/Medzev.
1838 wurde der Kaschauer Frauen-Wohltätigkeitsverein gegründet. Dieser unterstützte maßgeblich den Bau und die Ausstattung eines Kinderheims, also dieser „Kinder-Bewahrungs-Anstalt“ (Kisdedóvó intézet). Der Frauenverein führte dazu sogar Straßensammlungen durch.
Die großzügigsten Spenden wurden aber bei festlichen Bällen eingenommen. Diese Bälle verbanden geselliges Leben der Vermögenden und das Vorführen von Garderobe mit der Spendensammlung, wie die Meldung der Zeitung „Kaschauer-Eperieser Kundschaftsblatt“ vom 29. Januar 1859 belegt.
Eingeweiht als Ferdinandium
Die Eröffnung der Kinderanstalt erfolgte am 31. Mai 1840 durch den im November 1838 zum Bischof von Kaschau berufenen Doktor der Theologie und Philosophie Anton von Ocskay.
Wer heute die Galéria Cassovar besucht, kann sich kaum vorstellen, dass unweit der als Insel in der Floriánska noch existierenden kleinen Kapelle dieses Gebäude mit einer direkt an sie grenzenden Volksschule befand – damals zählte das zur Kaschauer Vorstadt. Die Kinderanstalt erhielt den Namen „Ferdinandium“, zu Ehren von Ferdinand I. (1793-1875), dem von Epilepsie geplagten österreichischen Kaiser und zugleich König von Ungarn und Kroatien.
Karl Grusz in Doppelfunktion
Karl Grusz und seine Nachfolger hatten auch als Lehrer in der benachbarten Volksschule zu arbeiten. In der Kinderanstalt betreute er bereits im ersten Jahr etwa 100 Kinder, unter ihnen auch Waisen. Daher hatte sich Karl Grusz als bestellter Vormund unter anderem um den Nachlass verstorbener Eltern zu kümmern. Diese Arbeit führte er 18 Jahre aus, bis 1858.
An der Volksschule unterrichtete er weiter, in deutscher, ungarischer und slowakischer Sprache. Im Jahr 1873 schied er aus dem Dienst aus, fast blind. Insgesamt war er 50 Jahre im Schuldienst. Danach bekam er von der Stadt eine Pension.
Vaterfreuden mit etwa 70?
Grusz starb im Alter von 84 Jahren. Er hinterließ seine Frau und eine minderjährige Tochter.
Seine Witwe beantragte bei der Stadt ein Gnadengehalt. Es wurde nicht gewährt, wohl aber eine Unterstützung von monatlich 5 Gulden – bis zum 16. Geburtstag der Tochter.
Dr. Heinz Schleusener