Besuch der Wiener Schwestern der Stadt Preßburg
Als neugieriger Leser des Karpatenblattes beginne ich schon im Stiegenhaus, die neue Ausgabe zu durchblättern. In Verbundenheit mit der Landsmannschaft von Preßburg/Bratislava weckte die Titelseite der Januar-Ausgabe besonders viele Erinnerungen. Warum diesmal im Besonderen?
Es war Sommer, genauer gesagt der 2. Juli 2017, als ich endlich den Wunsch meiner Wiener Freunde erfüllen konnte. Diese kannten Preßburg nur durch meine Erzählungen und wollten meine familiären Wurzeln kennenlernen. An diesem herrlichen Sommertag machten sich 12 Jugendfreunde, die mittlerweile „freischaffende Pensionäre“ waren, auf den Weg in Richtung eurer Hauptstadt Preßburg. Schon im Zug konnte ich meine Reiseführung beginnen, da viele Fragen gestellt wurden. Je näher wir der Grenze kamen, desto neugieriger wurden die Fragen. Wenn man den protzigen Hauptbahnhof Wiens verlässt und im gemütlichen „Hlavná stanica“ ankommt, betritt man eine eigene Welt, die meine Großstadtfreunde faszinierte.
Ich wollte sie jedoch in eine Hauptstadt mit Herz bringen und wählte gleich die neue Straßenbahn, um nach zwei Stationen einen kleinen, urigen Markt zu besuchen. Als einige meiner Freunde einen Brimsenstand entdeckten, wurde sicherlich der Tagesumsatz der Marktfrau gesteigert. Eile war geboten, denn der Elektrobus 203 sollte uns zur Burg bringen. Autobusse eignen sich hervorragend für Besichtigungen. Während meiner lebhaften Erklärungen führte uns der Weg in die Altstadt, vorbei am Martinsdom und am Palast des Präsidenten, rechts am Stefanie-Café vorbei und schließlich bogen wir in die Palisady-Straße ab. Hier gab es die deutsche Schule und die evangelische Kirche zu sehen. Die Botschaft Italiens beeindruckte meine Freunde und gleich danach zeigte sich der alte Friedhof mit der Kirche, fast wie eine Parklandschaft.
Als wir an der Haltestelle „Hrad“ (Burg) ausstiegen, trat ein junger Mann auf mich zu, klopfte freundlich auf meine Schulter und sagte in bestem Deutsch: „Sie kennen sich in Bratislava besser aus als ich.“ Meine Antwort lautete: „Wenn das Herz voll ist, geht der Mund über.“ Er lächelte und wünschte uns einen schönen Besichtigungstag.
Der mit Schäfchenwolken gezierte blaue Himmel begrüßte uns am Parlament. Auf der Plattform stehend, blickten wir in Richtung Österreich. Wenn man nach links ins Land schaute, hatte man eine Fernsicht von gut 100 Kilometern. Wir konnten die Schüttinsel und das Häusermeer der Engerau/Petržalka erkennen. Als unsere Blicke in die Ferne schweiften, sagte ein Freund, der als Kameramann und Foto-Experte viel von der Welt gesehen und erlebt hatte: „Jetzt habe ich so viel von unserer Welt gesehen, aber dieses Juwel Preßburg, nur 60 Kilometer von Wien entfernt, noch nicht.“
Nun war es an der Zeit, vom Fernblick ins Innere, zur Altstadt, zu gehen. Ein Freund bemerkte, dass es kein Kreuz auf der Domkirche gebe. Ich erklärte, dass der Martinsdom eine Krönungskirche war und daher die Habsburger Krone grüßt und schützt – den Einwohnern zum Schutz und der Stadt als Zier.
Es gab so viel zu sehen! Unser Spaziergang führte von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten. Als die Glocken die Tagesmitte einläuteten, war es Zeit, ein typisches Gasthaus, das „Slovak Pub“ in der Schöndorferstraße, zu besuchen. Ich schickte einige meiner Freunde voraus, da Wissbegierige ihre Fragen stellen wollten. Doch schon kam die Vorhut zurück und sagte, dass es keinen Platz für 12 Personen gebe. Meine Bemerkung, dass doch sicherlich ein Tisch frei sein müsse, wurde beantwortet mit: „Reserviert, es ist ein Großtisch für PANSAG.“ Die Freude war groß, als der Kellner mich begrüßte und uns zum „PANSAG“-Tisch führte. So war unsere Mittagsstärkung gesichert.
Der Nachmittag im sommerlichen Preßburg verging viel zu schnell. Zum Abschluss besuchten wir die Sankt-Elisabeth-Kirche, ein Juwel des Jugendstils ungarischer Prägung. Ich spürte fast ein „Danke“ meiner Freunde, dass ich ihnen diese blaue Kirche gezeigt hatte.
Da es sehr heiß war, konnten wir uns ausruhen, bewundern, besinnen und über die Erlebnisse dieses Tages in der Krönungsstadt Preßburg nachdenken. Nach einem letzten Rundgang war es Zeit, sich zu verabschieden. Das Schnellboot nach Wien lag bereits vor Anker und war bereit zur Abfahrt. Ich versprach meinen Freunden, aufgrund ihrer geduldigen Aufmerksamkeit während meiner Erklärungen, einen prächtigen Sonnenuntergang in Wien zu zeigen.
Ich blieb in Preßburg zur Abendmesse. Warum? Am 2. Juli war der Gedenktag der Vertreibung meiner Brucker Familie im Jahr 1945. Nach der Messe trat auch ich besinnlich, aber auch freudig, die Heimreise an. Freudig, weil die Hauptstadt der Slowakei meine Wiener Freunde als begeisterte Besucher gewonnen hatte.
Auf ein Wiedersehen in Preßburg,
Stephan Saghy & sein Freundeskreis