Korczak

Das pädagogische Vermächtnis von Janusz Korczak

Im August jährt sich zum 75. Mal der mörderische Tod des polnischen Arztes, Pädagogen und Schriftstellers Janusz Korczak, seiner Mitarbeiterin Stefania Wilczyńska und ihrer 200 Kinder. An die Lehren, die aus diesem Menschheitsverbrechen zu ziehen sind, kann nicht genug erinnert werden.

Janusz Korczak geht am 5. August 1942 in das Vernichtungslager Treblinka. Er lehnt alle Versuche zu seiner Rettung ab. Die Kinder ahnen, was kommt. Er beruhigt sie, er gehe mit ihnen. Wenige Tage vor seiner Ermordung vermerkt Korczak in seinem Ghetto-Tagebuch: „Ich bin nicht dazu da, um geliebt und bewundert zu werden, sondern um selbst zu wirken und zu lieben. Meine Umgebung ist nicht verpflichtet, mir zu helfen, sondern ich habe die Pflicht, mich um die Welt, um den Menschen zu kümmern“.

Annäherung an die Biografie

1939 fallen die deutschen Truppen in Polen ein. Im Herbst 1940 müssen Korczak, seine Kinder und Mitarbeiter in die „steinerne Welt“ des berüchtigten Warschauer Ghettos ziehen. Eine Unterdrückungsmaßnahme löst die andere ab. Der Saal wird nachts zum Schlafraum hergerichtet, tagsüber zum Essen und zur Gestaltung der Freizeit. Seine körperlichen Kräfte lassen nach. Von Krankheit (Herzmuskelschwäche, chronische Kopfschmerzen, geschwollene Beine) gezeichnet, kämpft er gegen das schreiende Unrecht an.

Zusammen mit Esther Winogroń, Studentin der Warschauer Universität, bereitet Korczak das von der NS-Zensur verbotene Theaterstück des indischen Philosophen Tagore „Das Postamt“ vor, das die Kinder am 17. Juli 1942 aufführen. Es handelt von einem Waisenjungen, der sein Haus nicht verlassen darf, weil er sterbenskrank ist. Er hat aber ein so reines und fröhliches Herz, dass er das Leben der Menschen bereichern kann. Die letzte Aufführung im „Haus der Waisen“ war seinem Tagebuch zufolge ein Publikumserfolg.

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Kohlezeichnung von Itzchak Belfer

 

Die Kohlezeichnung von Itzchak Belfer, Maler des Holocaust, zeigt Janusz Korczak, seine Mitarbeiterin und ihre Kinder am 5. August 1942 auf dem Weg ins Vernichtungslager. Das aussagekräftige Bild hat der Autor 1993 erworben.

Nach dreißig Jahren segensreicher Arbeit werden Korczak, seine Mitarbeiterin Wilczyńska und ihre Kinder in den Gaskammern ermordet. Menschen werden zu Nummern degradiert, ihre Spuren verlieren sich in der Anonymität der Massendeportation. Obwohl Korczak die Möglichkeit hat, sich zu retten, besteht er darauf, die Kinder zu begleiten, auch wenn das den Tod bedeutet.

Sein genaues Sterbedatum ist nicht bekannt. Seine Aufzeichnungen im Tagebuch enden am 4. August 1942: „Ich habe die Blumen begossen, die armen Pflanzen des Waisenhauses, eines jüdischen Waisenhauses. Die ausgedörrte Erde atmete auf. Ein Posten sah mir bei der Arbeit zu. Ob ihn diese meine friedliche Tätigkeit um sechs Uhr in der Frühe wohl reizt, oder rührt sie ihn vielleicht? Breitbeinig steht er da“. Weiter unten finden wir: „Ich wünsche niemandem etwas Böses. Ich kann das nicht. Ich weiß nicht, wie man das macht“.

 

Das Recht auf Achtung

Für Erwachsene fordert Korczak die Achtung vor dem Kind und die Liebe zum Kind. Und für Kinder schreibt Korczak fantasiereiche Geschichten zur Selbsterprobung in der Erziehungsgemeinschaft, die nach demokratischen Spielregeln organisiert ist. Das Kindergericht dieser kleinen Republik ist um ein Höchstmaß an Gerechtigkeit bei Kindern und Erwachsenen bemüht. Es orientiert sich am Grundsatz des Vergebens und Verzeihens. Auch Korczak wird von Kindern angeklagt und muss sich dem Gericht der Kinder stellen.

Plakat

Deutsch-Polnische Ausstellung „Janusz Korczak – Kindern eine Stimme geben“, Universität Leipzig, Erziehungswissenschaftliche Fakultät 2007, Layout und Inhalt: Cornelia Müller

Impuls in einer friedlosen Welt

Korczaks Werk antwortet einer ungerechten, unglücklichen, friedlosen und doch zu mehr Gerechtigkeit, Glück und Frieden fähigen Welt. Den Erwachsenen hat er die Veränderung der Welt zugemutet; den Kindern hat er sie zugetraut: An sie wenden sich seine liebenswürdigsten und zugleich kühnsten Bücher.

Er hat der alten Sehnsucht des Menschen nach einer neuen Ordnung zwischen den Generationen und nach Frieden unter den Menschen jeglicher Art und Herkunft eine bis heute wirkende Chance gegeben.

Univ.-Prof. Dr. Dr. et Prof. h.c. Ferdinand Klein